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Donnerstag, 22. November 2012

Berlin will Athen mit noch mehr Geld helfen


GeneraldebatteBerlin will Athen mit noch mehr Geld helfen

 ·  Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat die Generaldebatte im Bundestag zu heftigen Angriffen auf die schwarz-gelbe Koalition genutzt. Angesichts der unklaren Situation bei der Rettung Griechenlands fordert Steinbrück, die Abstimmung über den Bundeshaushalt zu verschieben.
© DAPDHeftige Angriffe, böse Mienen: Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und Bundeskanzlerin Merkel an diesem Mittwoch im Bundestag
Die Bundesregierung ist bereit, für die weitere Finanzierung des Griechenland-Hilfsprogramms über die bisherigen Pläne hinaus zusätzliches Geld einzusetzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Mittwoch nach Angaben von Teilnehmern vor der Unionsfraktion in Berlin, der Euro-Krisenfonds EFSF könne ein Schuldenrückkaufprogramm des griechischen Staates „in begrenztem Umfang“ finanzieren. Ähnlich äußerte sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin während der Generaldebatte des Bundestages. Die Rede ist davon, dass die EFSF dem griechischen Staat etwa zehn Milliarden Euro leihen könnte. Dieser könnte sich dann den Wertverfall seiner Anleihen zunutze machen, seine eigenen Papiere zu einem niedrigeren Tarif zurückkaufen und damit nominell seine Schuldenlast drücken.
Das Schuldenrückkaufprogramm gilt als ein Instrument unter mehreren, mit denen die Finanzierungslücke im laufenden Hilfsprogramm für Griechenland geschlossen werden könnte. Die Beratungen der Eurofinanzminister darüber wurden am frühen Mittwochmorgen in Brüssel nach rund zwölf Stunden abgebrochen. Der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, setzte ein neues Treffen für den 26. November an. Die Finanzminister hätten „Fortschritte über ein einheitliches Paket an glaubwürdigen Initiativen“ erzielt, die einen weiteren Abbau des griechischen Schuldenbergs zum Ziel hätten, sagte Juncker. Auch Schäuble sprach von Fortschritten.
Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras kritisierte die abermalige Vertagung. Die Zukunft seines Landes und die Stabilität des Euroraums seien in Gefahr, sagte Samaras am Mittwoch. „Griechenland hat getan, was es tun musste und zugesagt hatte.“ Die Europartner sollten nun ihre Versprechen ebenfalls halten, sagte der Ministerpräsident. Technische Schwierigkeiten bei der Ausarbeitung der Maßnahmen könnten Verzögerungen nicht entschuldigen. Doch in Brüssel hieß es nach Ende der Beratungen, die Positionen lägen noch sehr weit auseinander. „Die einzelnen Minister haben so viele rote Linien gezogen, dass wir es mittlerweile mit einem roten Teppich zu tun haben“, sagte ein Diplomat. Die Niederlande und Finnland sprachen sich strikt gegen ein Schuldenrückkaufprogramm aus.

„Alles betrifft den Bundeshaushalt“

Im Bundestag forderte der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück die Bundesregierung auf, die für Freitag vorgesehene Abstimmung über den Bundesetat für 2013 zu verschieben, „bis Klarheit in Europa ist“.
„Alles kostet Geld, alles betrifft den Bundeshaushalt“, sagte Steinbrück. Die Finanzlücke in Griechenland sei ohne Inanspruchnahme des deutschen Steuerzahlers nicht zu schließen. Schäuble wies die Forderung zurück: Das, was bei Griechenland nun zur Entscheidung stehe, habe mit dem Bundeshaushalt nichts zu tun, sagte er. Keine der Maßnahmen, die in der Eurogruppe diskutiert würden, jedenfalls der Maßnahmen, für welche die Bundesregierung eintrete, hätte Auswirkungen auf den Haushalt 2013, sagte Schäuble. Steinbrück appellierte an Frau Merkel: „Machen Sie sich selbst ehrlich.“ Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen Jürgen Trittin und die Vorsitzende der Linkspartei Katja Kipping kritisierten, dass der vorliegende Etatentwurf die Risiken für den deutschen Steuerzahler nicht berücksichtige. Trittin sagte, es sei mehr als wahrscheinlich, dass die Rettung die Steuerzahler erstmals direkt Geld kosten werde.
Video: Schlagabtausch zwischen Steinbrück und Kanzlerin Merkel
Steinbrück knüpfte die Zustimmung der SPD-Fraktion zu einem neuerlichen Hilfspaket für Griechenland an Bedingungen. Er fragte, was aus den Zusagen der Regierung zur Finanztransaktionssteuer und zum Wachstums- und Beschäftigungspakt in Europa, die vor der Verabschiedung des Fiskalpaktes im Sommer gegeben worden waren, geworden sei. „Wenn wir uns von Ihnen hinter die Fichte geführt fühlen in diesem Punkt, dann werden wir Ihnen erneut die Kastanien aus dem Feuer nicht mehr rausholen, wenn Sie unsere Zustimmung wieder brauchen“, sagte er. Der Kanzlerin warf er vor, seit mehr als zwei Jahren einen „Schleiertanz“ aufzuführen, um von der Lage in Europa abzulenken.
Frau Merkel beteuerte, die Finanztransaktionssteuer sei Priorität der EU-Kommission. Auch der EU-Wachstums- und -Beschäftigungspakt werde verwirklicht. Sie appellierte an die Opposition, in der Europa-Politik und bei der Regulierung der Finanzmärkte mit der Regierung zusammenzuarbeiten. Die Differenzen lägen hier nicht innerhalb, sondern außerhalb Deutschlands. Die Kanzlerin verteidigte ihr Schritt-für-Schritt-Management der Schuldenkrise: Die Sehnsucht, mit einem großen Befreiungsschlag alle Probleme zu lösen, sei unerfüllbar. Weiter sagte sie: „Natürlich ist das eine politische Entscheidung zu sagen, wir wollen, dass Griechenland im Euroraum bleibt.“ Das ändere aber nichts daran, dass Griechenland einen weitgehenden Staatsumbau brauche und man Reformen einfordern müsse. Aktuell gehe es darum, eine Finanzlücke für das Land zu decken, die sich aus einer Verschiebung der Haushaltsziele für das Land ergibt. „Ich glaube, es gibt Chancen, man weiß es nicht, am Montag dann eine Lösung zu haben“, sagte sie.
Vor der Generaldebatte hatte Schäuble die Fraktionen in deren Sondersitzungen über die Verhandlungen in Brüssel unterrichtet. Schon vor dem Treffen der Eurogruppe hatte sich abgezeichnet, dass sich vorerst nicht die bis 2016 reichende gesamte Finanzierungslücke von 32,6 Milliarden Euro schließen lässt, sondern die Finanzierung auf den Zeitraum bis 2014 beschränkt bleibt. Nach dem vorläufigen Scheitern der Gespräche ist aber nicht einmal mehr sicher, ob diese Lücke finanzierbar ist. Es ist weiter beabsichtigt, dazu mehrere Maßnahmen zu ergreifen. Neben dem Schuldenrückkauf bleiben eine Zinssenkung, das Aussetzen der Zinszahlungen und eine Verlängerung der Zahlungsziele im Gespräch. Gegen Zinssenkungen sind vor allem Länder, deren eigene Finanzierungskosten über dem Durchschnitt des Euroraums liegen. „Wir können nichts beschließen, bevor wir kein Paket aus allen Komponenten zusammenbekommen“, sagte ein Diplomat.
Ungelöst blieb auch der Streit mit dem Internationalen Währungsfonds über die Wiederherstellung der Schuldentragfähigkeit des griechischen Staates. Der Fonds will sichergestellt sehen, dass die griechische Staatsschuld schon in den kommenden Jahren nachhaltig sinkt. In Brüssel herrscht die Einschätzung vor, dass dies nur mit einem Schuldenschnitt unter Beteiligung öffentlicher Gläubiger möglich wäre, was die Eurogruppe bis auf weiteres ablehnt.

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