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Freitag, 23. November 2012

schon etwas älter....aber....// Also könnte es sein, dass Buchheits nächster Auftrag lautet, den Deutschen möglichst hohe Zugeständnisse abzupressen.

DIE ZEIT, 05.07.2012 Nr. 28 Seite 020 / Wirtschaft 

Vorsicht - Buchheit kommt!
Der Mann, der Griechenlands Schuldenschnitt möglich machte, hat schon wieder neue Ideen für Südeuropa
VON HEIKE BUCHTER

Deutsche Steuerzahler sollten Lee Buchheit kennen. Er ist der Kopf hinter dem griechischen Schuldenschnitt im März dieses Jahres, der Athens Lasten massiv gesenkt hat und den Deutschen schätzungsweise 65 Milliarden Euro gespart haben dürfte. Buchheit könnte aber auch schon bald einen zweiten griechischen Schuldenschnitt organisieren - bei dem deutsche Steuerzahler dann kräftig draufzahlen würden. Und er überlegt, wie sich die Schuldenlast von Spanien und Italien am geschicktesten auf deren Gläubiger abwälzen lässt.

Welche bösen Überraschungen drohen Deutschland also als Nächstes? Finanzminister und Großinvestoren kennen Buchheit besser, als ihnen lieb ist. Regierungen rufen den New Yorker Anwalt, wenn ihre Kassen leer sind, Kreditgeber sie bedrängen und der Bankrott droht. Kaum einer ist so kreativ wie der 61-Jährige, wenn es darum geht, Staatspleiten abzuwenden und Inhaber von Staatsanleihen zu harten Opfern zu bringen. Sein Wirken ist umstritten: Im finanzkrisenerschütterten Island feierte ihn die Zeitung Frettabladid als »Mann des Jahres«, nachdem Buchheit Zahlungen ans Ausland auf ein erträgliches Maß reduziert hatte. Dagegen hält ein Fondsmanager, der wegen ihm herbe Verluste erlitt, Buchheit für ein »böses Genie«.

Der gnadenlose Verhandlungsführer, den selbst hartgesottene Spekulanten der Wall Street fürchten, sieht in seinem Streifenhemd mit Windsorkragen, mit goldenen Manschettenknöpfen und dunklem Blazer eher wie ein britischer Gentleman aus. Sein Büro im 38. Stock hat jenen atemberaubenden Ausblick auf Manhattans Skyline, den ein Mann bekommt, der seiner Kanzlei - Cleary Gottlieb Steen & Hamilton - über mehr als drei Jahrzehnte Millionen eingebracht hat. Allerdings ist das Büro eher eine bescheidene Klause. Handbeschriftete Ordner, Bücher und stapelweise Akten füllen so gut wie jeden Winkel. Nur ein paar Zentimeter des Tisches sind frei, an ihm empfängt der Anwalt seine Besucher. Die, die kämen - die Regierungschefs und Finanzminister -, kämen nicht gerne, räumt Buchheit ein. » Die Verantwortlichen schieben es auf, bis es nicht mehr geht - in der Hoffnung, dass sie Öl unter dem Präsidentenpalast finden oder ein Wunder geschieht.«

Bisher waren seine Dienste vor allem in Entwicklungsländern gefragt: Mexiko, Nicaragua, Kolumbien, Ecuador, Chile, Argentinien, Uruguay, Guyana, außerdem Russland, Korea, die Philippinen und der Irak nach der Niederlage Saddam Husseins. Doch Griechenland wurde zu Buchheits Meisterstück.

Um Buchheits Rolle zu verstehen, muss man die ungeheuren Schwierigkeiten einer Staatspleite kennen. Anders als bei zahlungsunfähigen Privatleuten und Unternehmen gibt es für Staaten kein Konkursrecht, keine Insolvenz. Um Zins oder Tilgung herunterzusetzen, müssen deshalb alle Inhaber von Anleihen zustimmen. Der Prozess wird oft erschwert durch Investoren wie Hedgefonds, die auf Erfüllung der Verträge klagen und die Entschuldung verzögern und teurer machen. Buchheit ist es nun zu verdanken, dass in immer mehr Staatsanleihen eine Mehrheitsklausel eingebaut wird. Eine solche Klausel macht es für die betroffenen Länder leichter, sich mit großen institutionellen Anlegern wie Pensionsfonds, Versicherungen und Banken zu einigen und einzelne hartnäckige Quertreiber zu überstimmen. Die Verbreitung dieser Klausel sei sein wahrer Erfolg, findet Buchheit.

Griechenland war für den Juristen zunächst bloß das Experimentierfeld für einen neuen Winkelzug. Die griechischen Staatsanleihen hatten keine Mehrheitsklausel, aber für sie galt griechisches Recht. Buchheits verwegene Idee: Wie wäre es, wenn das griechische Parlament per Gesetzesänderung eine solche Mehrheitsklausel rückwirkend einführte? Zusammen mit einem Finanzprofessor veröffentlichte er seinen Plan als Fallstudie. Daraufhin meldete sich der damalige griechische Finanzminister Evangelos Venizelos. Und dann baute Griechenland tatsächlich nachträglich die Klausel ein. Am Ende schrieben die Gläubiger sensationelle 75 Prozent ihrer Forderungen in den Wind, insgesamt rund 100 Milliarden Euro. Auf so viel Geld haben Gläubiger noch bei keiner Umschuldung verzichtet.

Zu den Gewinnern gehörten auch die deutschen Steuerzahler. » Wären die privaten Bondinvestoren nicht gezwungen worden, auf die Milliarden zu verzichten, hätte dafür stattdessen die öffentliche Hand aufkommen müssen«, erklärt Adam Lerrick, Finanzexperte beim konservativen Thinktank American Enterprise Institute, der einst enttäuschte Inhaber von Anleihen Argentiniens vertreten hat. Im Fall Griechenlands wäre unter »öffentliche Hand« das Gros der solventen Mitglieder der Euro-Zone zu verstehen gewesen, allen voran Deutschland. » So gesehen, hat Lee den deutschen Steuerzahlern anteilig rund 65 Milliarden gespart.«

Buchheits Kniff kam jedoch nicht überall gut an. » Rückwirkend und einseitig die Bedingungen zu ändern, das stellt die Grundlagen des Vertragsrechts infrage«, empört sich einer der betroffenen Inhaber griechischer Anleihen, ein internationaler Großinvestor. Der Buchheit-Kniff habe die Krise sogar verschärft: Weil die Investoren jetzt damit rechnen müssten, dass auch andere angeschlagene Euro-Länder im Nachhinein solche Klauseln durchsetzten, würden sie einen Risikozuschlag verlangen. Ein Teil des Zinsanstiegs spanischer und italienischer Bonds sei darauf zurückzuführen, behaupten Buchheits Kritiker. Und sie warnen: »Buchheits Trickserei hat Europa womöglich die Souveränität gekostet, Staatspapiere nach eigenem Recht herauszugeben.«

Buchheit selbst räumt ein, es könne durchaus sein, dass die Marktteilnehmer künftig vorsichtiger bei europäischen Bonds seien, die nach heimischem Recht ausgegeben wurden. Der Grund für die Risikoprämien spanischer und italienischer Bonds hätte allerdings mit der Schuldenlast dort, aber rein gar nichts mit Griechenland zu tun.

Für Europa hat Buchheit weitere Ideen in der Schublade. In Spanien und Italien seien die Reserven der heimischen Banken vollgestopft mit Papieren des eigenen Staates. Ein Schuldenschnitt würde also direkt das Bankensystem treffen. » Die Regierung müsste die durch die Umschuldung gesparten Mittel gleich wieder zur Stützung des Finanzsystems einsetzen«, sagt er. Buchheit hat daher einen anderen Vorschlag, er würde die Laufzeit der Bonds um fünf oder sieben Jahre verlängern. Damit würden zumindest in den Büchern der Banken der nominale Wert und die Zinsen bestehen bleiben, erklärt er.

Auch in Griechenland gibt es vielleicht sehr bald wieder etwas für ihn zu tun. » Ein zweiter Schuldenschnitt würde mich nicht überraschen«, sagt Buchheit. Dieses Mal wäre dies aber eine schlechte Nachricht für die Deutschen: Nach dem Schuldenschnitt vom März sind so gut wie alle privaten Gläubiger aus griechischen Anleihen ausgestiegen. In der nächsten Runde mit dem Rotstift träfe es nun die öffentlichen Gläubiger - Organisationen wie den Internationalen Währungsfonds oder die Europäische Zentralbank, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, und andere Mitgliedsländer.

Also könnte es sein, dass Buchheits nächster Auftrag lautet, den Deutschen möglichst hohe Zugeständnisse abzupressen.

Lee Buchheit

ist ein Partner der New Yorker Anwaltskanzlei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton. Er gilt seit Jahrzehnten als Topexperte bei der Umschuldung von Staaten

Foto: Barbara Nitke/Cleary Gottlieb Steen & Hamilton LLP/Reuters
Buchter, Heike 
Quelle:
DIE ZEIT, 05.07.2012 Nr. 28 Seite 020
Ressort:
Wirtschaft
Personen:
Buchheit, Lee
Land:
Europäische Union C4EU
Griechenland C4EUGR
Bundesrepublik Deutschland C4EUGE
Dokumentnummer:
20120705049
Dauerhafte Adresse des Dokuments:  http://www.wiso-net.de/webcgi?START=A60&DOKV_DB=ZEIT&DOKV_NO=20120705049&DOKV_HS=0&PP=1 


1 Kommentar:

  1. Das "Geniale" an Buchheits GREEK Bonds-PSI-Plan war die psychologische Komponente: allen Beteiligten vorzugaukeln, daß eine rückwirkende Änderung der Anleihebedingungen rechtens sei und damit - und das ist der Knackpunkt - per Mehrheitsbeschluß die Holdouts rasiert werden können. Damit war die Seele der Insti´s insoweit massiert, als daß jeder Insti glaubte, daß kein anderer Insti-Holdout später bevorzugt werde. So gut wie alle Insti´s stimmten also dem freiwilligen Schnitt zu.

    Ich behaupte, daß es nicht Ziel Buchheits war, die privaten Kleininvestoren zu rasieren. Man hätte aber eine wesentlich geringere Zustimmungsquote bei den Insti´s erhalten wenn man hier Ausnahmeregelungen geschaffen hätte, von den juristischen Implikationen ganz zu schweigen.

    Deswegen hat er im Hinterkopf Teil 2 der Strategie gehabt:

    Wenn nun aber ein ordentliches Gericht feststellt, daß die Zwangs-CACerei rechtswidrig sei und in Folge die Zwangs-GeCACten zu entschädigen seien, dann - und das ist das Entscheidende an dem Plan - haben mit wenigen Ausnahmen nur private Kleininvestoren und Pensionskassen, die Gelder jener verwalten, Anspruch auf Entschädigung!
    Alle diejenigen, die freiwillig zugestimmt haben - die Insti´s also - wären bzgl. Entschädigung außen vor!
    Die Entschädigung der Kleinanleger wäre im Verhältnis zur Gesamtsumme Peanuts.

    Damit schlägt Buchheit 3 Fliegen mit 1 Klappe:
    1) Hohe Zustimmungsquote und damit den gewünschten Erfolg des PSI,
    2) die soziale Komponente hinsichtlich der Kleinanleger kommt nicht zu kurz,
    3) die Reputation des griechischen/europäischen Rechtssystems und damit letztendlich die Glaubwürdigkeit des Souveräns wäre mit einer Entschädigungslösung wieder hergestellt.

    Daß hier - vorübergehend - das Vertrauen in das griechische und europäische (Vertrags-)Rechtssystem zwangsläufig massiv beschädigt würde war Buchheit von vorneherein klar.
    Es obliegt nun den zuständigen Rechtsinstitutionen, dieses Vertrauen wieder herzustellen.

    Wenn es nun so kommt wie ich glaube, dann kann man Buchheits Plan wirklich als genial bezeichnen.

    (Aldy)

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