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Samstag, 1. Dezember 2012

INVESTITIONSSCHUTZKLAGEN Ein Milliardengeschäft für findige Anwälte


INVESTITIONSSCHUTZKLAGENEin Milliardengeschäft für findige Anwälte

Eine neue Studie zeigt: Spekulanten und Anwälte nutzen immer öfter internationales Recht, um gegen Staaten zu klagen – auf Kosten der Bürger.
San Ramon, Kalifornien, im Februar 2011: Bürger protestieren vor der Zentrale des Energiekonzerns Chevron.
San Ramon, Kalifornien, im Februar 2011: Bürger protestieren vor der Zentrale des Energiekonzerns Chevron.
Der Begriff klingt harmlos, doch die Rechtsprechung, die sich mit ihm verbindet, ist seit Jahren mehr als umstritten. Es geht um völkerrechtliche Verträge zwischen Staaten, um sogenannte Investitionsschutzabkommen. Sie sollten ursprünglich verhindern, dass Unternehmen, die im Ausland Geschäfte machen, Nachteile erleiden, weil der betreffende Staat willkürlich Gesetze erlässt. Kritiker befürchteten jedoch schon immer, dass die Abkommen vor allem Konzerninteressen schützen – gegen die legitimen Interessen der Bevölkerung.
Nun liefert eine Studie zweier europäischer Think-Tanks für diese These gute Belege. Das zentrale Ergebnis der Untersuchung mit dem Titel Profit aus Un-Recht: Während Staaten und Steuerzahler wegen der Abkommen oftmals hohe Summen zahlen müssen, machen spezialisierte Juristen mit Investitionsschutzklagen riesige Profite – und heizen darüber hinaus die boomende Klageindustrie weiter an. Inzwischen haben sogar Spekulanten das Geschäft entdeckt. Sie finanzieren die Prozesse, in der Hoffnung, dass sich die Klagespirale noch weiter dreht.
Verfasst haben die Studie Pia Eberhardt vom Brüsseler Corporate Europe Observatory und Cecilia Olivet vom Transnational Institute aus Amsterdam. Es handelt sich um grundsätzlich konzernkritische Organisationen. Doch die Autorinnen untermauern ihre Kritik mit zahlreichen Belegen, und sie gehen weit über die sonst übliche Konzernkritik hinaus. Im Zentrum ihrer Untersuchung stehen nicht die klagenden Investoren, sondern die Anwaltsfirmen, die sie beraten und zur Klage drängen. Sie geben nicht nur vor den Schiedsgerichten juristischen Beistand. Manchmal übernehmen sie sogar gleich selbst den Gerichtsvorsitz.
Die Dienste dieser hochspezialisierten Anwälte sind teuer. Ein Investitionsschutzexperte könne bis zu 1.000 Dollar an Honorar verlangen – pro Stunde, schreiben Eberhardt und Olivet. Die Kanzleien, die auf Investitionsschutzklagen spezialisiert seien, beschäftigten meist Teams aus mehreren Anwälten mit einem einzigen Fall. Auch die Schiedsrichter könnten viel Geld verdienen. Ein einziger durchschnittlicher Investitionsschutzfall verursache Anwalts- und Schiedsgerichtskosten von acht Millionen Dollar, schreiben die Autoren. In Extremfällen könne die Summe auf mehr als 30 Millionen Dollar steigen.
Zugleich sei die Zahl der Klagen in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen, von 38 Fällen im Jahr 1996 auf 450 Fälle im vergangenen Jahr. Selbst in Umbruchstaaten wie Libyen oder Ägypten sind Investitionsschutzanwälte aktiv, um aus dem politischen Chaos Kapital zu schlagen.
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Was tun? Erste Länder ziehen sich bereits aus dem System der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zurück. Unter ihnen sind der Studie zufolge Südafrika, Australien und einige von linken Parteien regierte lateinamerikanische Staaten: Ecuador, Venezuela, Bolivien und Argentinien. Eberhardt und Olivet fordern außerdem, die Branche strenger zu regulieren. Schiedsrichter müssten garantiert unabhängig und überparteilich arbeiten. Der Umgang mit Interessenkonflikten müsse strikt geregelt sein, die Prozesskosten begrenzt, die Lobbyarbeit der Kanzleien transparenter werden.


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