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Dienstag, 22. Januar 2013

Finanzierungslücke im Griechenland-Programm beträgt laut IMF bis zu 9,5 Mrd. €


IMF verlässt sich auf Europäer

Dem Griechenland-Programm fehlen bis zu 9,5 Milliarden Euro

Wirtschaftsnachrichten Dossier: Griechenland an der Wegscheide 
Die Finanzierungslücke im Griechenland-Programm beträgt laut IMF bis zu 9,5 Mrd. €. Sie soll durch die Euro-Zone geschlossen werden. Als Haupthindernis auf dem Weg zur Erholung sieht der Fonds den «aufgeblasenen und unproduktiven Staatssektor».
cei. Washington ⋅ Der Internationale Währungsfonds (IMF) verlässt sich ganz auf die Versprechungen der Euro-Länder. Diese hätten zugesagt, weitere Finanzierungslücken im Griechenland-Programm zu schliessen, hiess es am Freitag aus Washington. Der Fonds schätzt diese für 2015/16 auf 5,5 Mrd. bis 9,5 Mrd. €. Eine Schätzung der Europäischen Kommission vom Dezember hatte auf 5,6 Mrd. € gelautet. Muss ein Programm nicht vollständig finanziert sein, damit der IMF Gelder zur Verfügung stellen darf? Poul Thomsen, IMF-Chef für Griechenland, erklärte an einer Telefonkonferenz, dass die Finanzierung aus Fonds-Sicht für die nächsten zwölf Monate garantiert sein müsse, was der Fall sei. Er betonte, die Euro-Staaten hätten zudem erstmals offiziell eingeräumt, dass Griechenlands Verschuldung untragbar werde, wenn das Land keine langfristige Unterstützung aus der Euro-Zone erhalte. Zu denken sei dabei an einen Schuldenschnitt, an Zinsnachlass oder langfristige Transfers.

Langfristig Transfers an Athen

Das zweite Griechenland-Programm war schon kurz nach dem Start im März 2012 entgleist. Es ist im 24-köpfigen Exekutivdirektorium des IMF deshalb nicht unumstritten. So sollen etwa Japan, Kanada, Brasilien und Russland an der jüngsten Sitzung deutliche Kritik geübt haben. Letztlich enthielt sich aber offenbar nur Brasilien der Stimme, als es um die Auszahlung weiterer Gelder ging. Angesichts der absehbaren Finanzierungslücke lässt sich jedenfalls fragen, ob sich der Fonds nicht zu leicht mit allgemeinen Zusagen der Euro-Zone hat abspeisen lassen. Das zweite Programm ist vorläufig auf 178 Mrd. € angelegt, wobei der IMF 28 Mrd. € beiträgt. 50 Mrd. € fliessen in den Finanzsektor. Hier sieht Thomsen Anzeichen einer Stabilisierung. So seien seit dem Tiefpunkt im Sommer 2012 20 Mrd. € an Spargeldern in das griechische Bankensystem zurückgeflossen, sagte er.
Insgesamt entwickelt sich das Programm laut dem IMF-Delegationschef in die richtige Richtung, doch die Herausforderungen blieben enorm. Seit Beginn der Krise ist die griechische Wirtschaft um 20% geschrumpft, die Arbeitslosenquote auf 26% gestiegen. Die staatliche Verschuldung wird gemessen an der Wirtschaftsleistung 2013 auf 180% klettern. Bis 2020 soll die Schuldenquote auf 124% und bis 2022 unter 110% sinken – angesichts der Ausgangslage ein hehres Ziel. Eine Chance hat das Programm nur, wenn Griechenland vom «staatlich getriebenen Wachstumsmodell» wegkommt, wie es der Fonds formuliert. Hier ist der Weg jedoch weit und war immer wieder mit Rückschlägen gepflastert, wie Thomsen mit einem Beispiel illustrierte. So durfte Muttermilchersatz bis vor kurzem nicht in Supermärkten verkauft werden. Als dieses Verbot aufgehoben wurde, ging der Preis um 40% zurück. Proteste der Apotheker führten jedoch vorübergehend zu einer Rücknahme der Liberalisierung. Die Regierung nahm schliesslich einen zweiten Anlauf, der glückte.

Korrupte Steuerverwaltung

Die Privatisierung von Staatsbetrieben hat ferner noch gar nicht begonnen, und der Abbau von Beschäftigen im Staatssektor stockt. Die Steuerverwaltung beschreibt der IMF ganz undiplomatisch als ineffektiv und korrupt, Steuerhinterziehung unter Reichen und Selbständigerwerbenden sei weit verbreitet. Ohne dass die Regierung somit die Besitzstände diverser Interessengruppen ins Visier nimmt, muss das Programm scheitern. Die schlechten Erfahrungen der letzten drei Jahre lassen Zweifel aufkommen, weshalb dies jetzt gelingen soll. Immerhin kommt das Land bei der Konsolidierung des Staatshaushaltes voran: Der Primärsaldo, also das Defizit ohne Zinszahlungen, ist auf dem Weg zum Ausgleich – 2009 hatte das Primärdefizit 10% am Bruttoinlandprodukt (BIP) betragen. Das griechische Programm bleibt aber weiterhin sehr anfällig für Schocks. Als der IMF im Mai 2010 das erste Griechenland-Programm aufsetzte, war 2012 mit einer Rückkehr zum Wachstum gerechnet worden. Die letzte Schätzung für 2012 lautet auf einen Rückgang des BIP um 6%.

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