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Donnerstag, 8. Mai 2014

interessantes Urteil zur Kündigung eines Solarbondes LG Hamburg 328 O 186/07

Landgerict Hamburg
Geschäfts-Nr.:
328 0 185/07
U R T E I L
Im Namen des Volkes
Verkündet am:
8.10.2007
In der Sache _J* ' als Urkundsbeaater der
Geschäftsstelle
1) G. R., <leer>, <leer>
2) Bernd R.,
<teer>, <leer>
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte zu 1+2: Rechtsanwälte C. <leer>, <feer>
gegen
E. E.,
vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorsitzenden T.
E. Y.,
<feer>, <leer>
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte Rechtsanwälte H., <leer>, <!eer>
erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 28 , auf die mündliche
Verhandlung vom 17.9.2007 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Otto als
Einzelrichter
für Recht:
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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger € 5.000,-
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten Ober dem Basiszinssatz seit dem
10.4.2007 zu zahlen.
2. Die Verurteilung in Ziffer 1 erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte
der Kläger aus der Inhaberteilschufdverschreibung mit der W. / I. Anleihe
„Solaranleihe“, mit einem Nennwert in Höhe von insgesamt € 5.000,-.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung
in Ziffer 2 in Annahmeverzug befindet.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger 6 % und die Beklagte
94 % zu tragen.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Kläger
können eine Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe
von € 100,- abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Kläger verlangen die vorzeitige Rückzahlung eines Kredits.
Die Kläger haben bei der Beklagten eine sog. Inhaberteilschuldverschreibung mit der
Bezeichnung „Solaranleihe“ Ober einen Nennbetrag in Höhe von insgesamt
€ 5.000,- erworben (Kaufantrag, Anlage K 1). Die Inhaberteilschuldverschreibung
hat eine Laufzeit bis zum 15.11.2010 und ist mit 8,25 % Zinsen zu verzinsen. Dem
Erwerb lag der Prospekt der Beklagten „Expansionskapital Emeuerbare Energien:
ZUKUNFTSMARKT SOLARENERGIE“ zu Grunde. § 8 Nr. 3 der Anleihebedingungen
(Seite 69 des Prospekts) lautet: „Eine Kündigung ist vom Inhaber der Teilschuidverschreibung
durch eingeschriebenen Brief an die Anleiheschuldnerin zu richten.
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Der Kündigung muss ein Eigentumsnachweis, z. B. eine aktuelle Depotbestätigung,
beigefügt sein.“
Im Übrigen wird auf den Prospekt der Beklagten Bezug genommen.
Die Kläger haben, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, am 22.2.2007
eine Kündigung der Inhaberteiischuldverschreibung durch einfachen Brief
ausgesprochen (Anlage K 6). Ein Eigentumsnachweis lag der Kündfgungserklärung
nicht bei.
Die Beklagte ist eine 100 %ige Tochter der E. Group AG.
Die Beklagte hat im Jahr 2005 Kunstwerke zu einem Preis von ca. € 25 Mio. angekauft
und an die Firma A. zu einem Preis von € 37,9 Mio. weiterverkauft. Im
Jahresabschluss für das Jahr 2005 werden offene Forderungen gegenüber der A. in
Höhe von € 37,9 Mio. ausgewiesen.
Die Kläger haben im Februar 2007 erstmals davon Kenntnis erhalten, dass in
Fachzeitschriften vor den Anleihen der Beklagten gewarnt wird.
Die Kläger behaupten, die Beklagte habe von den ausgegebenen Inhaberteilschuldverschreibungen
insgesamt € 16,1 Mio. zur Sanierung des Mutterkonzems ausgegeben.
Die Beklagte sei überschuldet. Es liege damit ein Insolvenzgrund vor. Die Rückzahlung
der Inhaberteilschuldverschreibungen zum Ende der Laufzeit sei gefährdet,
im Übrigen sei die Verwendung der Anlagegelder zum Kauf von Kunstwerken unzulässig.
Ein Kündigungsgrund ergebe sich daher aus § 314 BGB.
Die Kläger haben die Klage über € 321,09 zurückgenommen .
Die Kläger beantragen,
1. die Beklagte zu verurteilten, an die Kläger als Gesamtgläubiger
€ 5.000,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 2.3.2007 zu zahlen.
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2. Die Verurteilung in Ziffer 1 erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung
der Rechte der Kläger aus der Inhaberteilschulcfverschreibung
mit der W. / I. Anleihe „Solaranleihe“, mit einem
Nennwert in Höhe von insgesamt € 5.000,-.
3. Es wird festgesteSt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der
Gegenleistung in Ziffer 2 in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine wirksame Kündigung der Inhaberteilschutdverschreibung
nicht erfolgt sei. Sie ist der Auffassung, gegenüber den Kapitalgebem
nicht verpflichtet zu sein, in bestimmte Geschäftsfelder zu investieren. Die im
Prospekt vorgestellten Solarprodukte steiften lediglich Beispiele für die Entwicklung
innovativer Produkte dar. Die Beklagte habe aber nicht die Absicht, zukünftig weitere
Kunstwerke anzukaufen.
Efitscheidiinasaründe:
Die Klage ist zulässig und bis auf einen Teil der Zinsforderung begründet.
Den Klägern steht ein Zahlungsanspruch in geltend gemachter Höhe zu. Sie haben
die Anleihe der Beklagten wirksam nach § 314 BGB gekündigt. Den Klägern steht ein
wichtiger Grund zur Kündigung zu. Eine Abmahnung nach § 314 Abs. 2 BGB ist nicht
erforderlich. Die Kündigung ist rechtzeitig erfolgt und formal wirksam. Im Einzelnen:
Ein wichtiger Grund zur Kündigung ergibt sich daraus, dass von der Beklagten Kapital
in erheblicher Größenordnung vertragswidrig verwendet worden ist. Nach dem
gesamten Inhalt des Prospekts der Beklagten sollte das eingesammelte Kapital im
Energiemarkt unter besonderer Berücksichtigung der Solarenergie investiert werden.
Der Ankauf von Kunstwerken wird dagegen im Prospekt nicht erwähnt. Der Ankauf
von Kunstwerken zum Preis von ca. € 25 Mio. stellt daher eine vertragswidrige Mittelverwendung
dar. Dies gilt zum einen, weil die Beklagte die Entscheidung der Anle5
ger, das Kapital im Bereich der emeuerbaren Energien einzusetzen, zu respektieren
hatte, und zwar unabhängig von einer etwaigen sich in diesem Marktsegment ergebenden
Veränderung der Risiken. Die Beklagte musste aufgrund ihrer eigenen Darstellung
der Geldanlage im Prospekt davon ausgehen, dass der Investitionsentscheidung
der einzelnen Anleger eine bewusste moralische oder ideologische Entscheidung
zugrunde lag.
Zum anderen liegt eine vertragswidrige Mittelverwendung vor, weil die Verwendung
der Mittel im Bereich des Kunstmarktes neue spezifische Risiken für den Anleger
hervorruft. Der Kunstmarkt hat zum Teil völlig andere Risiken als der Energiemarkt,
unter anderem das Fälschungsrisiko, auf das zum Beispiel bei Kunstfonds immer
hingewiesen wird. Außerdem hängt der Erfolg im Kunstmarkt ganz erheblich davon
ab, dass beim Einkauf von Kunstwerken eine zutreffende preisliche Bewertung der
einzelnen Kunstwerke stattfindet. Im Übrigen unterliegen die Preise im Kunstmarkt
ganz erheblichen Schwankungen, die mit den völlig anderen Risiken im Energiemarkt
nicht vergleichbar sind. Im Prospekt der Beklagten wird auf derartige Risiken nicht
hingewiesen. Ein Investor musste daher mit dem Ankauf von Kunstwerken in der vorliegenden
Größenordnung nicht rechnen. Insbesondere ist völlig offen, wer beim
Ankauf der Kunstwerke den Preis festgelegt hat und ob dieser Preis gerechtfertigt
war. Weiter war die Möglichkeit der Weiterveräußerung offen bzw. die Bonität des
Käufers ( A.). Bei Ankauf der Kunstwerke war (vorsichtig ausgedrückt) nicht
sichergesteilt, für die Kunstwerke den Kaufpreis oder sogar einen Gewinn wieder
erlösen zu können. Die Beklagte weist in ihrem Prospekt unter der Überschrift
„Risikohinweise“ an zwei Stellen auf einen möglichen Totalverlust des von einem
Investor eingesetzten Kapitals hin (S. 64 f. unter „4. Bonitätsrisiko“ und „10. Allgemeine
unternehmerische Erwägungen“). Nach Auffassung der Kammer ist die Branche
(hier: Energiemarkt) ein entscheidender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg der
Beklagten und damit für den Nichteintritt eines Totalverlustes für einen Anleger.
Der Ankauf von Kunstwerken stellt auch keine zulässige Maßnahme im Zwischenfinanzierungsbereich
dar. Zwar wird in dem achtzig Seiten umfassenden Prospekt
der Beklagten in einem Absatz (!) auf den Bereich der Zwischenfinanzierung hingewiesen
(Seite 41, 2. Absatz). Aus der Sicht der Anleger kann damit allein nicht die
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spekulative Anlage von Kapital in einer für die Beklagte fremden Branche gemeint
sein.
Die Kläger haben sich während des Prozesses auf diesen Kündigungsgrund berufen.
Das Nachschieben von Begründungen ist ohne weiteres möglich, sofern der Grund
bei der Abgabe der Kündigungserklärung schon vorfag. So liegt es hier.
Auf weitere Kündigungsgründe, die zwischen den Parteien streitig sind, kommt es
nicht mehr an.
Eine Fristsetzung nach § 314 Abs. 2 BGB war nicht erforderlich. Die Beklagte hat
ausdrücklich erklärt, sich gegenüber den Kapitalgebem nicht dazu verpflichtet zu
sehen, in bestimmte Geschäftsfelder zu investieren (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Im
Übrigen war die Investition der Beklagten in den Kunstmarkt nicht mehr rückgängig
zu machen. Die Beklagte hat insoweit Jedenfalls nichts vorgetragen (§ 323 Abs. 2 Nr.
3 BGB).
Die Kündigung ist rechtzeitig im Sinne des § 314 Abs. 3 BGB erfolgt. Die Kläger
haben die Anlage nach Mandatierung ihrer Prozessbevollmächtigten gekündigt. Es
ist nicht ersichtlich, dass die Kläger zuvor von einem Erwerb von Kunstwerken durch
die Beklagte erfahren hatten. Soweit ersichtlich ist dieser Erwerb in der Presse nicht
öffentlich gemacht worden.
Die Kündigung der Kläger ist wirksam, ohne dass die in § 8 Nr. 3 der Anleihebedingungen
(Seite 69 des Prospekts) genannten Voraussetzungen, nämlich Kündigung
durch eingeschriebenen Brief sowie Eigentumsnachweis, vortiegen mussten. Zum
einen ist bei der vorliegenden Kündigung § 8 der Anleihebedingungen nicht anzuwenden
Die Kläger stützen sich nämlich nicht auf die in § 8 Nr. 1 enumerativ aufgezählten
Kündigungsgründe. Ein allgemeiner Kündigungsgrund des „wichtigen Grundes“
wird in den Anieihebedingungen nicht genannt, so dass für eine Kündigung
nach § 314 BGB auch die unter § 8 Nr. 3 vereinbarte Form nicht gilt. Im Übrigen ist
§ 8 Nr. 3 der Anleihebedingungen unwirksam. Die Klausel verstößt gegen § 309 Nr.
13 BGB. Die Anleihebedingungen stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen dar.
Nach § 309 Nr. 13 BGB sind Klauseln unwirksam, durch die Anzeigen oder Erklärun7
gen, die dem Verwender gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die
Schriftform gebunden werden. So ist es hier. Die vorgeschriebene Verwendung eines
eingeschriebenen Briefes und die Bedingung eines beiliegenden Eigentumsnachweises
gehen über die schlichte Schriftform hinaus.
Die Beklagte befindet sich mit der Rückabwicklung des Kreditvertrages in Annahmeverzug,
da sie das entsprechende Begehren der Kläger zurückweist
Der Zinsanspruch der Kläger ergibt sich aus §§ 291,286 Abs. 1 S. 2 BGB ab
Zustellung der Klage. Eine vorangehende Mahnung der Beklagten haben die Kläger
nicht dargefegt. Die Vorschrift des § 286 Abs. 3 BGB ist nicht anzuwenden, da die
Klagforderung keine Entgeltforderung darstellt. Der weitergehende Zinsantrag war
daher abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1,708 Nr. 11, 709 711 ZPO. Der
Streitwert wird auf € 5.936,71 festgesetzt.
Otto

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