Offener Brief an den 17. Deutschen Bundestag bezüglich der Rechtfolgen der Griechenland-PSI-Maßnahmen und deren Auswirkungen auf Deutsche Bundesbürger
Abstract:
Von den Auswirkungen der PSI Schuldenumstrukturierung sind viele Deutsche Privatanleger betroffen. Für diese Anlegergruppe soll der Schaden sich auf > 1 Mrd. € belaufen! Anhand meiner persönlichen Situation möchte ich auf zahlreiche Elemente verweisen, die möglicherweise rechtswidrig sind und denen ein Kleinanleger weitgehend schutzlos ausgeliefert ist. Zudem dürfte der gesamte Ablauf des Verfahrens ethisch und moralisch nicht mit den Wertvorstellungen eines demokratischen Europas im Einklang stehen und ich frage mich, warum hohe Rechtsgüter wie „Grundsätze des Privatrechts“, „Eigentumsschutz“, „Vertrauensschutz“ , „Fairness“ und „Rückwirkungsverbot“ ohne wirkliche Notwendigkeit leichtfertig in Frage gestellt oder verletzt wurden. Dies dürfte weitreichende Auswirkungen haben, über die sich die Beteiligten möglicherweise aufgrund von vermeintlicher Dringlichkeit keine tiefgründigen Gedanken gemacht haben. Als Beteiligte sehe ich Deutschland und die Bundesregierung mittelbar an, da sie augenscheinlich besonders großen Einfluss auf die Bedingungen des Rettungspakets - nicht zuletzt über die Troika-/EU-Kommission – hatten und haben. Hinzu treten mögliche Rechtsverletzungen durch Erfüllungsgehilfen Griechenlands innerhalb Deutschlands oder mit Wirkung auf Deutsche Bundesbürger. Mir ist bewusst, dass ein gerechter Interessenausgleich bei diesem Prozess außerordentlich schwer ist. Dennoch halte ich die verfassungsgemäß gebotene Berücksichtigung der Interessen von Privatpersonen und damit auch der Wähler in diesem Prozess für wirklich nicht ausreichend. Ich werde den Deutschen Bundestag daher über eine noch folgende Öffentliche Petition bitten, alle bilateralen sowie rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, die zu einer Entschädigungszahlung führen. Aufgrund der Komplexität soll über diesen Brief den Abgeordneten ein umfangreiches Bild der Ereignisse und der persönlichen Folgen für deutsche Staatsbürger vorab zur Kenntnis gebracht werden.
Von den Auswirkungen der PSI Schuldenumstrukturierung sind viele Deutsche Privatanleger betroffen. Für diese Anlegergruppe soll der Schaden sich auf > 1 Mrd. € belaufen! Anhand meiner persönlichen Situation möchte ich auf zahlreiche Elemente verweisen, die möglicherweise rechtswidrig sind und denen ein Kleinanleger weitgehend schutzlos ausgeliefert ist. Zudem dürfte der gesamte Ablauf des Verfahrens ethisch und moralisch nicht mit den Wertvorstellungen eines demokratischen Europas im Einklang stehen und ich frage mich, warum hohe Rechtsgüter wie „Grundsätze des Privatrechts“, „Eigentumsschutz“, „Vertrauensschutz“ , „Fairness“ und „Rückwirkungsverbot“ ohne wirkliche Notwendigkeit leichtfertig in Frage gestellt oder verletzt wurden. Dies dürfte weitreichende Auswirkungen haben, über die sich die Beteiligten möglicherweise aufgrund von vermeintlicher Dringlichkeit keine tiefgründigen Gedanken gemacht haben. Als Beteiligte sehe ich Deutschland und die Bundesregierung mittelbar an, da sie augenscheinlich besonders großen Einfluss auf die Bedingungen des Rettungspakets - nicht zuletzt über die Troika-/EU-Kommission – hatten und haben. Hinzu treten mögliche Rechtsverletzungen durch Erfüllungsgehilfen Griechenlands innerhalb Deutschlands oder mit Wirkung auf Deutsche Bundesbürger. Mir ist bewusst, dass ein gerechter Interessenausgleich bei diesem Prozess außerordentlich schwer ist. Dennoch halte ich die verfassungsgemäß gebotene Berücksichtigung der Interessen von Privatpersonen und damit auch der Wähler in diesem Prozess für wirklich nicht ausreichend. Ich werde den Deutschen Bundestag daher über eine noch folgende Öffentliche Petition bitten, alle bilateralen sowie rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, die zu einer Entschädigungszahlung führen. Aufgrund der Komplexität soll über diesen Brief den Abgeordneten ein umfangreiches Bild der Ereignisse und der persönlichen Folgen für deutsche Staatsbürger vorab zur Kenntnis gebracht werden.
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
Liebe Minister und Abgeordnete,
in den letzten Wochen vernahm ich aus den Medien immer wieder Politiker-Stimmen, wonach die Umschuldung in Griechenland erfolgreich abgeschlossen sei. Im Hinblick auf meine persönliche Situation kann ich das jedoch nur als äußerst zynisch erachten:
Im Jahr 2010 erwarb ich über die Börse für einen sechsstelligen Betrag Griechenland Anleihen, den ich im Jahr 2012 für eine Investition in Deutschland wieder benötige. Zu der damaligen Zeit baten deutsche Spitzen-Politiker in der Presse um Solidarität für Griechenland und erweckten für mich den Eindruck, dass ein Kauf dieser Papiere auch vor dem Hintergrund des bis 2013/2014 laufenden ersten Rettungspaketes 100% sicher sein würde[i]. Die etwas höheren Zinsen sah ich mit der allgemeinen Unsicherheit verbunden und die Aussagen von deutschen Spitzenpolitikern ließen mich glauben, dass es sich nicht um ein Bonitätsproblem handelte. Wenn der frühere Finanzminister Hans Eichel Griechenland Anleihen empfiehlt, kann das doch nicht riskant sein. Von daher agierte ich sicher nicht als Spekulant. Zudem ermunterten mich griechische Freunde, die mir von Fernsehberichten erzählten, in denen die griechischen Anleihen als 100% sicher und geeigneter als dortige Spareinlagen beworben wurden. Nachdem Bankeinlagen in Griechenland mit 100.000 € garantiert sind, kann das im logischen Umkehrschluss nur bedeuten: Er garantiert auch Staatsanleihen mit mindestens dieser Summe. Meines Wissen sind Spareinlagen bei griechischen Banken (die faktisch pleite waren und vom Staat/Troika gerettet werden) aber um keinen einzigen € beschnitten worden. Für mich eine Ungleichbehandlung ersten Ranges.
Trotz der vor wenigen Tagen noch vom griechischen Finanzminister Venizelos gemachten Aussage „We will find a way to cover the retail investors who entrusted us with their savings 100%“, sehe ich mich heute mit 80% Kursverlust meiner (eigentlich) im März und August 2012 fälligen Anleihen konfrontiert. Ich habe damit faktisch mein gesamtes (!) Vermögen verloren – weil ich gutgläubig war, auf die bis zuletzt gemachten politischen Aussagen und die Anwendung der Gesetze eines fairen Rechtssystems in Europa zu vertrauen. Bei meiner Bank bin ich als Anleger mit einem Anlageprofil mit geringem Risiko eingestuft – die Bank dürfte mir also keine Aktien, Optionen o.ä. verkaufen – doch nun habe ich zwangsweise 24 Anleihen im Depot, die sich GDP-linked und Step-Up-Coupon Bonds nennen, von einem Land mit einem „Credit Event“ stammen und damit in die höchste Risikostufe fallen dürften. Alle Gesetze und Verordnungen zum Anlegerschutz sind für mich obsolet, wenn dieses Prozedere rechtens sein sollte.
Der gesamte Ablauf dieses „Rettungspaketes“ ist für mich haarsträubend, nachdem ich mich nun vierzehn Tage lang mit den Details vertraut gemacht habe.
Als die ersten Überlegungen zum Einbezug privater Gläubiger aufkamen, wurde von einer Größenordnung eines Kapitalschnitts von 30% gesprochen, auf die Banken, Fonds und Versicherungen freiwillig verzichten sollen. Vor einigen Wochen waren es dann 50% und plötzlich 53,5 %, die aber tatsächlich 80% Kursverlust (!) entsprachen. Diese Prozentsätze wurden vor allem mit dem Bankenverband ausgehandelt und es wurde bis Anfang März von der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble betont, dass alles fair und freiwillig ablaufen müsse. An den Verhandlungen war von Seite privater Kleinanleger (z.B. Schutzvereinigungen) keiner beteiligt und es stellt sich die Frage, ob die Beteiligten nicht schon früher Kenntnis davon hatten, sowohl Zwangsklauseln (CACS) als auch Privatpersonen einzubeziehen. Zumindest moralisch, wenn nicht sogar strafrechtlich, hätten Sie dann dem Gedanken des WPHG entgegen gehandelt, wonach kursbeeinflussende Tatsachen sofort zu veröffentlichen sind.
Auch wurde bis zuletzt in den Medien und Troika-/Regierungserklärungen, die mich erreichten, nur von Banken, Fonds und Versicherungen gesprochen. Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe leicht in viele verschiedene Anlagerisiken diversifizieren können – was Kleinanlegern mangels Masse kaum möglich ist – daher genießen sie Anlegerschutz. Zu diesem zählt auch, dass europäische Staatsanleihen nach dem Wertpapierprospektgesetz von der Prospektpflicht ausgenommen sind – weil sie besonders sicher sind und eben ausdrücklich keine überraschenden Klauseln beinhalten. Sinn dieser Ausnahmen kann doch nur sein, den Kleinanlegern (denn nur für diese ist die Prospektpflicht relevant) zu vermitteln, dass ein Vermögensschutz höchster Güte existiert und man mit Staatsanleihen europäischer Staaten „sicher schlafen kann“.
Zum Erwerbszeitpunkt meiner Anleihen hatte diese keinerlei „Collective Action Clauses“ beinhaltet – ich wusste als „Normalbürger“ auch gar nicht, was das ist. Meiner Ansicht nach sollte kein Privatanleger von Staatsanleihen der Eurozone wissen müssen, welches Recht und welche Details für das Schuldverhältnis anwendbar sind. Glücklicherweise arbeiten die meisten Menschen, zahlen brav Steuern und wollen wohl meistens in ihrer Freizeit eben nicht die Rechtsdokumente ihrer sicher geglaubten (Solva 0%) Anleihen studieren. Zudem ging zumindest ich immer davon aus, dass bei einem fast undenkbaren Zahlungsausfall alle Gläubiger Griechenlands gleich behandelt würden. Bei einer von der Troika zuletzt geforderten Schuldenlastreduzierung von ca. 100 Mrd. € und Gesamtschulden von etwa 370 Mrd. € wäre das ein Kapitalschnitt um etwa 28 % gewesen. Wesentlich effektiver als die jetzige Lösung, weil viele Gläubiger dann anschließend nicht gerettet werden müssten. Vermutlich tragbar für ALLE Beteiligten. Dies wäre für mich auch viel Geld, aber als Verlust noch gerade verschmerzbar gewesen – auch unter Einbezug von etwa 4% Zinsen p.a. . Aber zu einer echten, ich würde schon fast sagen wollen fairen Staatspleite kam es ja nicht, weil einige Interessengruppen wohl ihren Einfluss einseitig geltend machen konnten. Und durch den Zwangsumtausch können die Gläubiger mit (nicht mehr existenten) Altanleihen die im griechischen Gesetz vorgesehene Fälligstellung der Forderungen, die wohl zur formellen Zahlungsunfähigkeit mit Wirkung für alle Gläubiger geführt hätte, nicht erwirken. Ein solch dreistes Vorgehen kann sicher nicht im Sinne der Urväter der Legislative sein. Durch einen freiwilligen Gläubigerverzicht eine Staatspleite zu verhindern, ist sicherlich sinnvoll – aber zwangsweise kann es nur unter zumindest Einbezug all der Gläubiger fair sein, die zum Zeitpunkt der Investition nicht als besonders bevorrechtigte Gläubiger galten.
Irgendwie kann ich es nicht fassen, dass scheinbar nun viele Gläubiger gleicher sind als andere. Insbesondere die EZB und die nationalen Notenbanken, die diese Anleihen auch früher schon für Anlagezwecke (!) und nicht nur als geldmarktpolitisches Instrumentarium erworben hatten, bekamen Ende Februar 2012 vollumfänglich neue Anleihen mit den gleichen Fälligkeitsterminen umgetauscht, die vor Verlust geschützt sind. Just an dem Tag, wo ich faktisch pleite bin (20.3.2012), bekamen die Notenbanken aus der von mir ursprünglich erworbenen März 2012 Anleihe etwa 5 Mrd. € zurückbezahlt. Der Schaden aller Kleinanleger europaweit beläuft sich im Vergleich dazu insgesamt nur auf geschätzte 2-4 Mrd. €. An sich eine kleine Summe innerhalb der Umschuldung, aber für die jeweilige Einzelperson möglicherweise von existentieller Bedeutung. In meinem Fall nicht hypothetisch, sondern höchst konkret.
Darüber hinaus wurden kurzlaufende Anleihen, (meines Wissens nicht vorrangige) IWF-EU Kredite, EIB Anleihen und – was für ein Wunder – ausgerechnet komplexe Finanzprodukte von Goldman Sachs[ii], die Griechenland in 2001 halfen, die Defizit-Statistiken zu „optimieren“, nicht in die Umschuldung mit einbezogen (etwa 180 Mrd. € inkl. Notenbanken). Der Deutsche Bundesbankpräsident hat bereits auf die juristische Problemhaftigkeit dieser Gläubigerbevorzugung hingewiesen.
Ich muss leider zur Kenntnis nehmen, dass ein zahlungsunwilliges Land Griechenland unter Billigung der EU-Troika, auf die Deutschland offensichtlich einen hohen Einfluss hat, mehr als 25 Millionen Euro an Anwaltskosten dafür ausgibt, auf eine rechtlich sehr trickreiche (aber möglicherweise rechtswidrige) Art und Weise sich seiner Schulden zu entledigen. Möglicherweise noch erhebliche Summen mehr an Gebühren für ausgerechnet die Investmentbanken, welche die Bonität Griechenlands seit langem torpediert haben. Ich habe Verständnis, wenn ein Staat wirklich und ehrlich zahlungsunfähig sein sollte. Aber das Verfahren zur Wiederherstellung zur Kreditwürdigkeit muss dann auch fair, gerecht und unter Einbezug aller Gläubiger transparent ablaufen. Noch nicht einmal eine formale Gläubigerversammlung wurde bei den griechischen Anleihen unter griechischem Recht (ca. 177 Mrd. Euro Volumen) einberufen, um vor Ort abzustimmen – obwohl das bei Anleihen nach internationalem Recht wohl Standard ist.
Hier möchte ich stellvertretend für Gläubiger von Staatsanleihen in Europa fragen, wie weit sich politische Entscheidungen von (Wirtschafts-)Ethik und Moral entfernt haben. Während es normalerweise üblich sein sollte, Investor Relations zu betreiben und in den letzten Jahren viele Gesetze zum Anlegerschutz in ganz Europa implementiert wurden, scheint nun eine komplett verdrehte Welt zu herrschen? Die Antwort auf die Einführung von CACS und die jetzt (aus meiner Sicht auch nicht wirklich hilfreiche) trickreiche Änderung von Gesetzen durch Staaten, um sich den möglichen Zahlungsansprüchen ihrer Investoren zu entziehen, kann doch nur lauten: Es ist ein großes Risiko Staatsanleihen zu kaufen. Die Folge müssten langfristig steigende Zinsen sein, die am Ende auch den deutschen Steuerzahler (nicht zuletzt über weitere Garantien/ESM/ESFS) wesentlich mehr kosten dürften, als man nun vermeintlich in Griechenland eingespart hat. „Alternativlos“ war die jetzt gewählte Vorgehensweise sicher nicht, auch vor dem Hintergrund, dass die griechischen Banken nun rekapitalisiert werden müssen und die griechischen Pensionsfonds mit Grundstücken im Wert von 24 Mrd. € für ihre Verluste entschädigt werden sollen (warum erhalten geschädigte Kleinanleger keinen Anteil?). Die Abstimmung innerhalb des Private Sector Involvement, um überhaupt die CACS aktivieren zu können, ist keine demokratische Abstimmung, wenn vorher durch „Zugeständnisse“ die Zustimmung bestimmter Parteien, insbesondere der griechischen Banken und Fonds quasi erkauft wird. Hierfür scheint es viele Beweise zu geben, die bei ihrer Validierung den Grundsatz von „Fairness und Gerechtigkeit“ verletzen dürften. Zudem ist die durchgeführte Abstimmung aus meiner Sicht undemokratisch, weil sie bestimmte Investorengruppen übervorteilt. Eine Abstimmung, in der jeder Gläubiger eine Stimme hat, wäre anders ausgegangen.
Die Presse berichtete über die freiwillige Teilnahme am „Private Sector Involvement“ – das man wohl treffender als Einladung zur Enteignung hätte nennen sollen, wer denkt sich solche Begriffe aus ? – und wies auf die hochgradige Komplexität des Angebots hin. Wie soll ein Privatanleger das verstehen? Die Banken boten diesbezüglich keine Beratung an, Entscheidungsfrist 7 Tage für 170 Seiten englisches Rechtsdokument. Auf das neu eingeführte Gesetz (Greek Bondholder Act) wurde lediglich verwiesen und mir ist bis heute keine offizielle Übersetzung dieses Gesetzes bekannt. Selbst ein Kapitalmarktrechts-anwalt dürfte lange Zeit brauchen, um überhaupt eine Bewertung abzugeben.
Da ich derzeit als Deutscher in Österreich lebe, wird die Situation richtig grotesk: Aus österreichischen Rechtsgründen durfte ich das Angebot weder erhalten, noch freiwillig umtauschen. Nun bin ich damit konfrontiert, dass meine deutsche Bank im meinem Depot herumbucht, als wäre es ein Selbstbedienungsladen und ohne dass ich das griechische „Invitation Memorandum“ überhaupt lesen durfte. Selbstverständlich habe ich die Bank auf die „Nichtzustimmung“ hingewiesen, worauf die Antwort kam: „Wir buchen anhand der Lagerstellen um und können nichts machen“. Möglicherweise kommt der Straftatbestand des Depotbetruges hier zur Anwendung. Die Börsenzeitung berichtete bereits darüber.[iii]
Warum ich mich an den 17. Deutschen Bundestag wende, hat nicht nur mit meinem persönlichen Anliegen zu tun. Darüber hinaus dürften nach Schätzungen zigtausende deutsche Bürger mit einem Schaden von > 1.000.000.000 € (in Worten: Eine Milliarde = Tausend Millionen €) konfrontiert sein. Bei den heute ständig im Raum stehenden Summen nur „peanuts“ , aber von außerordentlicher Bedeutung für normale Bürger dieses Landes, welche die Zinseinnahmen und eventuelle Spekulationsgewinne nebenbei bemerkt auch mit 25% zu versteuern haben.
Außerdem sollte eine glaubwürdige Standortpolitik in Europa immer fair und nachvollziehbar sein. Hierzu gehört der Grundsatz „pacta sunt servanda“ und die Aspekte „Vertrauensschutz“ und „Rückwirkungsverbot“. Eine derartige Willkür, wie ich sie empfinde, kann doch nicht im Einklang mit höchster EU-Rechtsprechung stehen. Viele Verfassungsrechtler und Anwälte scheinen diese Meinung zu teilen. Eine wie im Fall Griechenland rückwirkende Zwangsänderung von gültigen Vereinbarungen oder Verträgen sollte zudem aus rechtsstaatlichen Gründen grundsätzlich abzulehnen sein. Diese Empfehlung hätte die EU-Kommission/Troika sicher auch abgeben können und hätte sich vermutlich dann auch durchgesetzt – weil sie die Bedingungen des Hilfspaketes diktieren konnte und dies auch getan hat. So wie das jetzt gelaufen ist, wird der Rechtsgedanke des privaten Vertragsrechts ausgehebelt und subjektiv befinden wir uns zurück im Mittelalter. Wäre etwas Ähnliches in allgemeine Geschäftsbedingungen in Deutschland eingefügt worden, hätten Richter diese Klausel vermutlich schon erstinstanzlich für nichtig erklärt. Wie muss dieses grundsätzliche Vorgehen in der Angelegenheit auf ausländische, investitionswillige Firmen wirken, die in Europa investieren wollen?
Warum hat man für Kleinanleger, die nun teilweise in ihrer Existenz wirklich bedroht sind, keine Ausnahme gemacht? Juristisch wäre das leicht zu rechtfertigen gewesen oder man hätte ihnen nach Umtausch eine Entschädigung versprechen können. Das Angebot ist so komplex, dass es nur verhältnismäßig gewesen wäre, es lediglich für qualifizierte Investoren (QI/QIB) bindend zu machen. Laut Aussagen einer griechischen Tageszeitung soll das zwischen Griechenland und der Troika thematisiert worden sein. Hier wurde davon gesprochen, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble dies mit der Begründung „Nicht fair“ abgelehnt haben soll.
Nicht fair? Wie bitte ?
Was ich nicht fair finde:
- Findige Top-Juristen denken sich für > 25 Mio. Euro Gebühren eine Methode aus, wie auf Basis eines „Notstandsgesetzes“ eine freiwillige Umschuldung mit einer hohen Beteiligungsquote erreicht werden kann. Griechenland geht über diese juristischen Ideen final noch hinaus und zwingt auch die nicht beteiligten/zustimmenden Gläubiger zur zwangsweisen Teilnahme – obwohl 86% der Inhaber der Staatsanleihen unter griechischem Recht bereits freiwillig zustimmten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Abgeordneten des deutschen Bundestages vollumfänglich über die Implikationen eines Zwanges informiert waren, obwohl Deutschland über die Troika und EU Gruppe entscheidungsbefugt war (Das Invitation Memorandum spricht explizit vom Einbezug der EU-Partner vor der Entscheidung über Aktivierung der CACS). Im deutschen Recht ist mir eine zwangsweise Enteignung nur selten und gegen adäquate, gerichtlich überprüfbare Entschädigung bekannt. Griechenland sieht diese Überprüfung nicht vor – und die griechischen Gerichte können sich aufgrund des Greek Bondholder Act für nicht zuständig erklären. Nach dem Motto: „Wir dürfen ja nicht“.
- Selbst falls das griechische CAC-Gesetz wirksam einen Anleihetausch begründet, so kann es doch keinesfalls im Einklang mit Europäischem Recht stehen, dass ein Gläubiger einer Griechenland Anleihe nach dem Zwangsumtausch nicht nur 21 verschiedene Anleihen des Altschuldners Griechenland erhält, sondern zusätzlich noch 3 Anleihen des komplett neuen Schuldners EFSF. Eine derartige Form einer Abtretung von Verbindlichkeiten kann doch nur im gegenseitigen Einvernehmen erreicht werden? Hier waren die Garantiegeber des EFSF sicher an den Verhandlungen beteiligt und ich kann mir keine Gesetzgebung im Einklang mit europäischem Recht vorstellen, die einen derartigen Kontrahentenwechsel innerhalb eines privatrechtlichen Schuldverhältnisses zwangsweise länderübergreifend erlaubt. Zudem dürften die (zugegebenermaßen werthaltigen) EFSF Anleihen in vielen Ländern wohl überhaupt nicht an Privatanleger ausgeliefert werden, da der EFSF keine Körperschaft öffentlichen Rechts darstellt, sondern ein „Special Purpose Vehicle“. Insofern sollte es nur für qualifizierte Investoren geeignet sein. Persönlich weiß ich auch nicht, was ein SPV wirklich ist – klingt für einen Bürger wohl eher wie ein Sportwagen. Ich erinnere mich, es in der Presse im Zusammenhang mit „Giftmüllpapieren“ öfters gehört zu haben.
- Ein (Notstands-)Gesetz in Griechenland zu erlassen (Greek Bondholder Act), welches von keinem Gericht überprüfbar sein soll (Zitat übersetzt: „Highest Public Interest, …. supersides any law general“), erinnert mich ohne de facto Verfassungsrang, der erst 2014 rechtstheoretisch möglich gewesen sein soll, eher an eine Diktatur als an eine Demokratie. War es wirklich ein „Notstand“, wenn immer noch ausreichend Vermögen (Privatisierungen, Gold, Steuerforderungen, geschätzte 200 Mrd. € Privatvermögen in der Schweiz … ) vorhanden sind? Hätte über ein Gesetz von solcher Tragweite nicht das Volk abstimmen sollen und müsste es nicht im Einklang mit EU-Gesetzgebung sein? Dieses neue Gesetz hat keinen Verfassungsrang in Griechenland, steht aber dem verfassungsmäßig höheren Rechtsgut, dem „Eigentumsschutz“, den auch die griechische Verfassung in Artikel 17 kennt, entgegen. Insofern müsste es nach meiner Rechtsauffassung nichtig sein. Immerhin sollen auch zigtausende griechische Kleinanleger zwangsgetauscht worden sein, die hoffentlich ebenfalls auf ihre Eigentumsrechte pochen werden. Einen Notstand im Sinne von Artikel 15 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten kann ich nicht erkennen. Zudem hatte Griechenland ja mit der freiwilligen Zustimmung von 86% der Gläubigeransprüche die Situation bereits so verändert, dass die Bedienung der verbliebenen restlichen 14 % Anleihen, die über Jahre hinweg erst fällig würden, kein großes Problem darstellen sollte. Ein Zwang wäre somit wirtschaftlich nicht zwingend gewesen, zumal die nicht betroffenen Gläubiger auch in der Zukunft weiterhin von einem PSI II hätten getroffen werden können. Zuerst freiwillig, dann die Schuldentragfähigkeit prüfen und erst später möglicherweise mit Zwang erneut umschulden. Juristisch wurde das wohl geprüft und wäre prinzipiell möglich gewesen. Darüber hinaus wäre zumindest die Rechtsidee des Artikels 7 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte möglicherweise heranzuziehen – man wurde ohne Abgabe einer Willenserklärung rückwirkend „bestraft“.
- Zudem erhalte ich nicht wie Banken Zahlungen aus (ungedeckten) CDS-Verträgen (mit möglicherweise bilateralen Einzelabsprachen bezüglich der Halter dieser Verträge in Bezug auf das Abstimmungsverhalten im PSI), die vor kurzem noch als Spekulation oder „Massenvernichtungswaffen“ (O-Ton: W. Buffett) galten und nun gesellschaftsfähig erscheinen. Auch stellt mir die EZB nicht unbegrenzt Liquidität zu 1% zur Verfügung.
- Nein, meine Bank hat mir aufgrund der gesunkenen Vermögenswerte die Kredite gekündigt! Außerdem scheinen Kleinanleger die letzten zu sein, die von den wirklichen Problemen Griechenlands erfahren – damit Banken und Fonds vorher schnell noch bei ihnen ihre Griechenbonds abladen können. Motto: „Dumme gesucht“.
Bislang scheint sich kein deutscher Politiker wirklich für die Vermögensverluste der Privatanleger in Griechenland zu interessieren. Ich verstehe auch, dass es noch andere, sehr viel wichtigere Themen im Bundestag gibt. Aber auch viel Unwichtigeres, mit dem man sich zum Beispiel lange zum Thema Verbraucherschutz mit vergleichsweise geringem Vermögensschaden beschäftigt. Diejenigen Abgeordneten, die den Amtseid geschworen haben, möchte ich an dieser Stelle erinnern: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“
Daher halte ich es als Volksbürger für angemessen, eine rechtliche Prüfung aller Tatbestände und Einleitung von Maßnahmen zu fordern, die einen finanziellen Ausgleich für den erlittenen Schaden der Kleinanleger erreichen. Hierzu gehört sicher auch die Prüfung von strafrechtlich relevanten Tatbeständen im Rechtsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Wenn es stimmt, dass Finanzminister Schäuble wirklich eine Entschädigung der Kleinanleger innerhalb der Beratungen der Troika zurückgewiesen hat, dann kann ich mir nur vorstellen, dass er das für eine möglicherweise günstigere bilaterale Einzelvereinbarung mit Griechenland nach Abschluss des PSI gemacht hat. Ich hoffe doch sehr, dass er nicht vorschnell zum Nachteil von deutschen Kleinanlegern entschieden hat. Möglicherweise bietet sich nun auch die Möglichkeit für eine freiwillige bilaterale Vereinbarung mit Griechenland, um deutsche Kleinanleger zu entschädigen. Das wäre für alle Beteiligten vielleicht die einfachste und schnellste Lösung. Das würde viele zeitraubende Rechtsverfahren vermeiden und den betroffenen Bürgern wohl am schnellsten helfen.
Meiner Ansicht nach müssten grundsätzlich Ansprüche aus dem bestehenden, gültigen Investitionsschutzabkommen zwischen Deutschland und Griechenland (BIT, Art. 7 Umbrella Klausel) ableitbar sein, da zwangsgetauschte Anleger faktisch entschädigungslos um 53,5 – 80 % ihres Vermögens enteignet wurden. Wenn Griechenland eine deutsche Niederlassung eines Unternehmens in Griechenland enteignet hätte, wären wohl sofort rechtliche Schritte durch die Bundesrepublik geprüft worden. Der Vorteil wäre hier ein (hoffentlich) faires Verfahren vor einem internationalen Schiedsgericht, das dann prüfen und abwägen kann, ob es eine Entschädigungspflicht für Vermögensverluste bestimmter Anlegergruppen gibt. Finanziell für Griechenland sicher überschaubare Größenordnungen, die v.a. Ansprüche von Kleinanlegern befriedigen würde.
Weiterhin bitte ich um Begutachtung der Aspekte des “HUMAN RIGHTS ACT 1998 - ARTICLE 1 OF THE FIRST PROTOCOL - PROTECTION OF PROPERTY”. Konkret fühle ich mich hier entrechtet und auch im Hinblick auf die Auswirkungen des PSI auf einen „Durchschnittsbürger in Griechenland“ ist mein persönlicher Schaden schuldlos größer, da ich gutgläubig in Bezug auf die Fairness der Politiker im Hinblick auf die gültigen europäischen Rechtssysteme als Basis von Entscheidungen agiert habe. Es kann doch nicht rechtens sein, dass ich auf diese Weise faktisch zu einem 100-fach größeren Einzelbeitrag als Bundesbürger im Durchschnitt bei dem Griechenland Rettungspaket gezwungen werde.
Ich frage mich, wie man die aus meiner Sicht offensichtlichen Rechtsproblematiken eingegangen ist? Möglicherweise doch nur, um einen nötigen Druck für Reformen in Griechenland und eine freiwillige Umschuldung zu erreichen. Warum wurde dann für vergleichsweise wenig finanziellen Nutzen am Ende Zwang ausgeübt, wodurch das Gesamtkonstrukt rechtlich eine vollkommen andere Tragweite entfaltet?
Da ich mir nicht wie große Lobbyistengruppen ganzseitige Zeitungsanzeigen leisten kann, um einen offenen Brief wirkungsvoll an die Abgeordneten des deutschen Bundestages zu senden, werde ich diesen Brief auf der Internetseite www.greekbonds.org zeitnah veröffentlichen und gehe davon aus, dass er über Suchmaschinen, Facebook etc. schnell eine große Reichweite und Aufmerksamkeit erfahren wird.
Eine öffentliche Petition wird in dieser Sache noch folgen. Wichtig wäre mir dennoch schon zum jetzigen Zeitpunkt, dass die vorliegenden Argumente bedächtig geprüft werden und die verantwortlichen staatlichen Institutionen aktiv zum Wohle der geschädigten Bürger tätig werden.
Schließen möchte ich mit einem Zitat des Griechen Aristoteles: „Wenn auf der Erde die Liebe regieren würde, wären alle Gesetze entbehrlich“. In diesem Sinne wünsche ich mir bei der Abwägung von Interessenskonflikten auch in Bezug auf das PSI mehr „Liebe“. Die Art und Weise des Vorgehens und die rechtlichen Spitzfindigkeiten, worauf sich dieser Prozess stützt, sind aus meiner Sicht wenig liebevoll und es wäre schade, wenn ein solches Rechtsgebahren in Europa Schule macht.
Mit freundlichen Grüßen
D.O.
Errata: "Lieberegieren" sollte "Liebe regieren" heißen.
AntwortenLöschenDiesen Brief sollte man in einigen Online-Medien veröffentlichen.
AntwortenLöschenDie Seite www.greekbonds.org konnte nicht gefunden werden.
www.greekbonds.gr folgt in Kürze, nebst einer öffentlichen Petition an den Bundestag.
AntwortenLöschenVielen Dank für den Brief, der die Auswirkungen und persönlichen Entscheidungsgründe treffend beleuchtet.
AntwortenLöschenVielleicht sollte noch die pari-passu Stellung der EZB (http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a08/anhoerungen/waehrungsunion/018_Protokoll.pdf S.19) mit aufgenommen werden? Und dass vom ersten Paket noch 30? Mrd. übrig sind, die die Griechen hätten abrufen können (S. 22 des Protokolls zum Kredit, Hr. Schröder, dort steht nichts von den Trokia-Kriterien als Auszhalungsbedingung)? Oder Fr. Merkels heutige Äußerung in der BBC, dass es sich um "eine politische Entscheidung" gehandelt habe? Dann soll es auch politisch bezahlt werden!
Darf ich dann auf die Seiten verlinken?
Klar darf jeder, der es möchte auf die Seite verlinken ! Und jeder kann ja mal über eine öffentliche Petition nachdenken...ist ja flux eingereicht und zieht dann vielleicht die Sufmerksamkeit der Medien auf sich. Das juristische ist ja etwas vertrackt , wo und wie man die Ansprüche einklagen können soll. Am ehesten kommt bei mir noch der Vertoss gegen das KMG in Österreich in Betracht mit möglicherweise der REchtsfolge der Rückabwicklung. Da es die alten Bonds aber nicht mehr gibt, wäre es dann ein 100% Zahlungsanspruch der März 12 Anleihe gegen Griechenland. Da eine Geldauszahlung im Prozess nicht vorgesehen ist und auch eine nachträgliche Genehmigung in Ö durch vielleicht Ministererlaubnis auf nur auf die Zukunft wirken würde (denke ich), könnte das ganz gut sein. Aber ich warte mal ab, wie sich die FMA dazu stellt.
LöschenDirk
Dirk
Alles schön und gut. Ich habe jetzt auch vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ein Schreiben in welchem mir mitgeteilt wird, dass mann nicht gedenkt aufgrund des Investitionsschutzabkommens von 1963 tätig zu werden.
AntwortenLöschenNun habe ich auch gelesen, dass bereits eine Klage des SDK in Zusammenarbeit mit der CLLB Anwaltskanzlei München eingereicht wurde.
Wie soll man sich verhalten. Erst mal abwarten was dort passiert oder selbst tätig werden?
Was meinen die Leser?
Torsten