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Samstag, 31. März 2012

Ich fordere daher das BMF erneut auf, hierzu Stellung zu nehmen und bitte darum, dass diese Stellungnahme durch einen mit der Sachlage ausreichend vertrauten Mitarbeiter erfolgt

von einem Leser meines Blogs mit der Genehmigung zur Veröffentlichung, was ich hiermit gerne tue.

"Sehr geehrte Damen und Herren,

am 24.03.2012 kontaktierte ich per Kontakformular das BMF und bat um Stellungnahme in Bezug auf ein Schreiben (Schreiben 2012/0255386 und 2012/0258543) von Herrn Karstendiek an Herrn Rolf Koch. In besagtem Schreiben schilderte Herr Karstendiek, dass die Vorgehensweise in Griechenland zur Enteignung privater Gläubiger per Mehrheitsbeschluss ein ganz normaler Vorgang sei. Er verwandte hierzu folgende Worte:

"Übermäßige Verschuldung hat auch im normalen Wirtschaftsleben meist die Konsequenz, dass Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderung verzichten. Darüber haben die Gläubiger mit Mehrheit entschieden."

Ich legte dar, dass deutsche Staatsanleihen genau wie griechische Staatsanleihen (d.h. Anleihen nach griechischem Recht) zum Zeitpunkt des Vertragsschluss zwischen Schuldner und Gläubiger keine Möglichkeit vorsahen, per Mehrheitsbeschluss Entscheidungen über die Änderung von Anleihebedingungen zu treffen.

Ich legte ferner dar, dass bei deutschen Staatsanleihen im Gegensatz zu Schuldverschreibungen anderer Gläubiger Mehrheitsentscheidungen über die Änderungen von Anleihebedingungen grundsätzlich nicht vorgesehen sind. Dies folgt direkt aus dem Schuldverschreibungsgesetz (SchVG). Dieses Gesetz ermöglicht zwar prinzipiell Mehrheitsentscheidungen über sog. CAC, so diese CAC denn zum Zeitpunkt des Vertragsschluss in den Bedingungen der jeweiligen Schuldverschreibung vorgesehen sind, das Gesetz ist aber selbst nicht auf Schuldverschreibungen des Bundes anwendbar.

Es ist also festzuhalten:
1. Griechische Staatsanleihen sahen wie deutsche Staatsanleihen keine Änderungen von Anleihebedingungen auf Basis von Gläubigermehrheitsentscheidungen vor
2. Deutsches Recht sieht Gläubigermehrheitsentscheidungen eigentlich nur bei Schuldverschreibungen nicht öffentlicher Emittenten vor und auch dann nur, wenn bei der Emission die jeweilige Schuldverschreibung dies vorsieht, d.h. jeder Beteiligte weiß, worauf er sich einlässt.
3. Änderungen von Anleihebedingungen sind zwar prinzipiell möglich, aber nur wenn dies von Anfang zwischen Schuldner und Gläubiger so vereinbart war
4. Herr Karstendiek antwortet im Auftrag des BMF auf die Fragen von Herrn Koch, dass es sich bei dem Vorgang in Griechenland um einen völlig normalen Vorgang handelt

Ich legte in meinem Schreiben anschließend dar, dass Herr Karstendiek willentlich oder unwillentlich mit seiner Antwort im Auftrag des BMF die Sicherheit deutscher Staatsanleihen untergräbt. Aus seiner Behauptung, es handele sich hier um einen normalen Vorgang, folgt nämlich direkt, dass die rechtliche Position eines Halters deutscher Staatsanleihen schwächer ist als die Position eines Halters von Schuldverschreibungen, die unter das SchVG fallen. Dies folgt aus der Tatsache, dass besagte Halter sich Mehrheitsentscheidungen nur dann zu beugen haben, wenn die Möglichkeit zur Mehrheitsentscheidung von Anfang an in den Bedingungen einer Schuldverschreibung vorgesehen ist. Ein wesentlicher Aspekt, der aus rechtlicher Sicht die Sicherheit vieler Staatsanleihen ausmacht, ist nämlich das Fehlen der Möglichkeit per Mehrheitsentscheidung die Anleihebedingungen zu ändern. Das Fehlen dieser Möglichkeit zwingt nämlich im Fall der Fälle den Schuldner mit allen Gläubigern eine einvernehmliche Lösung zu finden. Schafft er dies nicht, ist der Gläubiger gezwungen mit den drastischen Konsequenzen zu leben. Das Fehlen dieser Möglichkeit dient also insbesondere dem Kleinanleger als Druckmittel.Ich bat nun das BMF um eine Stellungnahme hierzu in der Hoffnung zu erfahren ob Herr Karstendiek tatsächlich die Meinung/Position des BMF wiedergibt.

Erhalten habe ich am 27.03.2012 folgende Antwort:

" ich sehe niemanden, der irgendwelche Zweifel an der Rückzahlung deutscher Staatsanleihen und der Solvenz DEutschlands hat. Daher gibt es weltweit quasi einen Run auf deutsche Staatsanleihen, was sich an dem historisch sehr niedrigen Zinssatz zeigt."

Geantwortet hat Herr Karstendiek. Mit seiner Plattitüde hat er allerdings nicht auf meine Frage geantwortet. Er ist meiner Frage noch nicht einmal besonders geschickt ausgewichen sondern er zeigt vielmehr, dass er trotz seines Doktortitels mit der Materie nicht ausreichend vertraut ist um derartig komplexe Themen zu behandeln. So ist seine Antwort bspw. auch 1:1 auf Griechenland in den Jahren vor 2009 anwendbar. Herr Karstendiek belegt damit erneut, wie berechtigt meine Bitte um eine Stellungnahme des BMF tatsächlich ist, denn so wie Deutschland heute keine Probleme hat sich günstig an den Finanzmärkten zu refinanzieren hatte Griechenland vor 2009 ebenfalls keine Probleme. Alles, was Herr Karstendiek bisher im Auftrag des BMF von sich gegeben hat bedeutet für einen Käufer deutscher Staatsanleihen letztlich, dass er einkalkulieren muss, dass ihm Ähnliches wiederfahren könnte wie einem Käufer griechischer Staatsanleihen und das obwohl die Schuldenagentur deutsche Staatsanleihen Bürgern (insbesondere auch Rentnern) als absolut sicheres Investment verkauft.

Ich fordere daher das BMF erneut auf, hierzu Stellung zu nehmen und bitte darum, dass diese Stellungnahme durch einen mit der Sachlage ausreichend vertrauten Mitarbeiter erfolgt. Gehen Sie bitte davon aus, dass ich dieses Schreiben und Ihre Antwort öffentlich machen werde.

Mit freundlichen Grüßen"

1 Kommentar:

  1. Falls weiterhin Äpfel mit Birnen verglichen werden sollten, Urteil des OLG Frankfurt: "Nach Einschätzung des Gerichts fallen im Ausland begebene Anleihen nicht unter das deutsche Schuldverschreibungsgesetz. Deshalb müssen der Rechtsprechung zufolge die Anleihegläubiger vollständig dem Restrukturierungskonzept zustimmen." Aus http://www.ftd.de/unternehmen/industrie/:hochverschuldeter-solarkonzern-q-cells-wohl-vor-insolvenz/70016928.html

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