Geld von gestern? Die Drachme - eine Kulturgeschichte
15.06.2012 ·
Wird Europas älteste Währung dereinst eine Renaissance erleben?
Eine kleine Kulturgeschichte, die möglicherweise noch nicht zu Ende ist.
Von
Michael Martens, Athen
Eine urbane Legende besagt, das Wort
„Drachme“ bedeute so etwas wie „mit voller Hand ausgeben“ oder gar „zum
Fenster hinauswerfen“. Das stimmt nicht, aber die Legende hat einen
wahren Kern. Drachme bedeutet so viel wie „eine Hand voll“, nämlich von
Obolen beziehungsweise Obolussen.
Siehe dazu Meyers Lexikon: „Drachme, eigentlich
,Mit-der-Hand-fassen‘, ,Hand voll‘. In der Antike Bezeichnung besonders
für Silber- seltener für Goldmünzen eines bestimmten, regional je nach
Münzfuß verschiedenen Gewichtes; am verbreitetsten war die
attisch-euböische. Sechs Obolusse (in Korinth vier) waren eine Drachme.
6000 Drachmen ergaben ein Talent.“Lehrreiche Informationen über die Drachme finden sich auf der Internetseite der griechischen Botschaft in Berlin, wobei hervorzuheben ist, dass es sich um einen Rückblick handelt, nicht um einen Reisehinweis für diese Sommersaison. Demnach wurde Europas älteste Währung erstmals im siebten vorchristlichen Jahrhundert auf der Insel Ägina im Saronischen Golf geprägt. Am bekanntesten war aber die attische Drachme mit dem Kopf der Athene auf der einen und der Eule auf der anderen Seite. Die Drachme galt zu ihrer Zeit als Leitwährung, obwohl die Behauptung, sie sei der Dollar der Antike gewesen, nicht unumstritten ist. So schrieb ein offenkundig numismatisch bewanderter Kopf in einem Leserbrief an diese Zeitung schon vor vielen Jahren, die Weltwährung sei damals nicht die Drachme gewesen, sondern die persische Dareike.
Einfallsreiche Währungsreform
Dennoch war die Drachme weit verbreitet und zumindest in Athen offenbar sogar im Überfluss vorhanden, wie sich dem Ratschlag, besser keine Eulen dorthin zu tragen, entnehmen lässt. Durch den Aufstieg des römischen Reiches verschwand die Drachme dann allerdings für lange Zeit aus dem Zahlungsverkehr. Wir begegnen ihr erst nach 1821 wieder, als sich die Griechen als zweites Balkanvolk nach den Serben gegen die Osmanen erhoben und die Soldaten des Sultans in verlustreichen Kämpfen im Wortsinne stückweise aus Griechenland vertrieben. Der aus diesen Kämpfen hervorgehende griechische Staat führte eine eigene Währung ein. Zunächst war das allerdings nicht die Drachme, sondern der Phönix. Der erste Ministerpräsident der provisorischen griechischen Regierung, Ioannis Kapodistrias, ließ die Münzen in seinem eigenen Haus prägen. Dann wurde er ermordet. Mit Kapodistrias fand auch der Phönix sein Grab.Leider sind wir pleite
Einen Staatsbankrott gab es in Griechenland indes schon 1893. Von der griechischen Botschaft in Berlin ist darüber zu erfahren: „1893 erreichte der Schuldenberg die für das kleine Griechenland astronomische Summe von 850 Millionen Drachmen. Schweren Herzens musste der Ministerpräsident Charilaos Trikoupis die Zahlungsunfähigkeit des Staates vor dem griechischen Parlament bekanntgeben. Seine Erklärung war ebenso schlicht wie denkwürdig: ,Leider sind wir pleite!‘“Später eröffnete die Panhellenische Sozialistische Bewegung, heute geführt von Evangelos Venizelos, der als Finanzminister den größten Schuldenschnitt der Geschichte seines Landes aushandelte, ihre Parteizentrale in der Charilaos-Trikoupis-Straße von Athen, was aber nichts bedeutet.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen