Dienstag, 25. März 2014
Eine russische Invasion ist möglich, aber nicht sicherWird Transnistrien zur zweiten Krim?
Die Parallelen zur Krim sind offensichtlich: In Transnistrien sind Truppen aus Moskau präsent. Eine Mehrheit der Bewohner möchte sich Russland anschließen. Die Führung hat um Aufnahme gebeten. Es gibt aber auch Unterschiede.
Vor dem Parlament Transnistriens ragt eine Lenin-Statue in den Himmel. Im Wappen des Landes prangen Hammer und Sichel, der rote Stern schwebt darüber. Der Geheimdienst heißt dort KGB und die Währung Rubel. Symbole, Denkmäler, Andeutungen. Überall. Der Reiseführer "Lonley Planet" bezeichnet Transnistrien als "das größte sowjetische Freilichtmuseum". Dieser Tage wird deutlich, dass viel mehr dahinter steckt. Viele Bewohner des Gebietes geben sich nicht nur einer gewissen Sowjetromantik hin, sie sehnen sich tatsächlich zurück in die Obhut Moskaus.
Bei Nachbarn und im Westen schürt das angesichts der Krim-Krise Sorgen. Vieles spricht dafür, dass Russland nach der Krim auch Transnistrien in seine Föderation aufnimmt, diesen rund 200 Kilometer langen Landstrich im Osten Moldaus, der an die Ukraine und Rumänien grenzt. Allerdings spricht auch vieles dagegen.
Russische Truppen sind schon da
Transnistrien ist faktisch bereits eine russische Exklave. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion gehört das kleine Land eigentlich zu Moldau. Die Bewohner, zu je einem Drittel Russen, prorussische Ukrainer und Moldawier, lösten sich in einem Unabhängigkeitskrieg aber schon Anfang der 1990er Jahre von Moldau - mit russischen Waffen und vermutlich auch russischen Militärs. 1992 marschierte die 14. Armee Moskaus ein, ob sie auch eingriff, ist bis heute ungeklärt. Unstrittig ist allerdings: Die Truppen sind noch immer da. Angeblich schützen sie schwere, russische Waffen in der Region.
Abgesehen von der militärischen Präsenz, wirkt Transnistrien auch kulturell oft schon wie ein Teil Russlands. Zwei von drei Bewohnern der Region sprechen Russisch, jeder Zweite hat einen russischen Pass.
Es gibt viele Parallelen zur Krim
Besorgniserregend für den Westen sind vor allem die vielen Parallelen zur Krim. In einer Abstimmung entschieden sich 2006 mehr als 97 Prozent der Bürger für einen Anschluss an die Russische Föderation. Das Referendum auf der Krim ging ähnlich aus. Die Führung Transnistriens stellte in der vergangenen Woche einen Antrag an Moskau und bat um Aufnahme. Dies tat auch das Parlament der Krim, bevor der russische Präsident Wladimir Putin die Halbinsel in sein Imperium holte.
Moskau kann, wenn Moskau will
Moskau gab zwar noch keine Entscheidung bekannt. Die Duma arbeitet aber an einem Gesetz, dass über die Krim hinaus die Aufnahme anderer Regionen mit großen russischen Bevölkerungsanteilen erleichtern soll. Unabhängig von der Zustimmung des Rests der Welt könnte Russland Transnistrien mit einem solchen Gesetz einfach zu einem Teil der Föderation erklären.
Die Nato hält gar einen noch drastischeren Schritt für möglich. Der Oberkommandierende Philip Breedlove sprach am Wochenende davon, dass sich russische Truppen an der Grenze zur Ostukraine in Stellung brächten. Und er attestierte den Verbänden ausreichend Stärke, um bis nach Transnistrien vorzustoßen. Die Truppen seien "sehr, sehr bedeutend und sehr, sehr bereit", sagte der US-General. Auch Nachbarn Transnistriens zeigen sich deshalb besorgt. "Wir gehen davon aus, dass Russland nicht auf der Krim Halt machen wird", sagte der rumänische Präsident Trajan Basescu.
Russland fehlen die Argumente
Auch wenn Russland Transnistrien an sich binden kann, heißt es aber nicht zwangsläufig, dass es das auch tut. Eine Aufnahme der Region auf Basis eines neuen Gesetzes der Duma würde mit großer Wahrscheinlichkeit neue Sanktionen der EU lostreten. Unausweichlich wären sie wohl, sollte Moskau zusätzlich zur 14. Armee weitere Truppen in Gang setzen. Ob Putin bereit ist, das in Kauf zu nehmen, ist ungewiss. Im Widerspruch zur Nato heißt es aus dem Kreml zudem, dass Moskau "alle Internationalen Vereinbarungen zur Begrenzung der Truppengröße in Grenzregionen zur Ukraine" einhält.
Gegen eine zweite Krim in Transnistrien spricht zudem: Dem Kreml fehlen für eine weitere Annexion schlicht die Argumente. Vor allem im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen pochte Russland stets darauf, die territoriale Integrität zu schützen und nicht in Angelegenheiten anderer Staaten einzugreifen. Transnistrien ist offiziell nach wie vor ein Teil Moldaus. Kein Staat erkennt das Land offiziell an, selbst Russland tut dies nicht. Ein russischer Eingriff wäre daher gleichbedeutend mit einem Eingriff in die territoriale Integrität Moldaus und damit vergleichbar mit einem Eingriff in Syrien oder dem Iran.
Auf der Krim konnte Moskau dem Bruch mit den eigenen Prinzipien argumentativ noch ausweichen, indem es sich auf den Putsch gegen den früheren ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch stützte. Der Kreml erkennt die neue Führung in Kiew bis heute nicht an. Sie hat nach dieser Lesart auch keinen Anspruch auf den Schutz seiner territorialen Integrität. Moskau sah sich zudem gezwungen, die prorussischen Bewohner der Krim vor der neuen Elite zu schützen. In der Regierung sitzen Vertreter der rechtsextremen Swoboda-Partei.
Der bisher letzte Machtwechsel in Moldawien dagegen ist unumstritten. Die Bürger entschieden sich in einer demokratischen und freien Wahl für ihre Führung. Ohne den Grundfesten seiner bisherigen Außenpolitik zu widersprechen, kann Putin Transnistrien nicht gegen den Willen Moldawiens an Russland binden.
Quelle: n-tv.de
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