m F.A.Z.-Gespräch: Zyperns Staatspräsident Anastasiadis„Ich beschuldige nicht Herrn Schäuble“
16.03.2014 · Auf dem Höhenpunkt der zyprischen Bankenkrise vor einem Jahr sollen die Finanzminister der Eurozone darauf bestanden haben, auch Guthaben unter 100.000 Euro mit einer Zwangsabgabe zu belasten. Das sagte der zyprische Staatspräsident Anastasiadis der F.A.Z.
© APSchwerwiegende Aussagen über EU-Finanzminister: der zyprische Staatspräsident Nikos Anastasiadis im Dezember 2013 in Brüssel
Herr Präsident, vor einem Jahr, auf dem Höhepunkt der zyprischen Bankenkrise, sagte Ihr Außenminister, Zypern habe ernsthaft erwogen, aus dem Euro auszuscheiden. Gehören solche Erwägungen mittlerweile der Vergangenheit an?
Definitiv. Nach der sorgfältigen Analyse unserer Lage haben wir verstanden, dass der einzig erfolgversprechende Ausweg für uns innerhalb der Eurozone verläuft. Wir entschieden uns deshalb dafür, in der Eurozone zu bleiben und unermüdlich alle eingegangenen Verpflichtungen im Zuge des Reformprogramms zu erfüllen. Und damit haben wir gute Ergebnisse erzielt.
Befürworter einer Rückkehr zum Zypern-Pfund, wie die kommunistische Opposition oder der orthodoxe Erzbischof, sind also in der Minderheit?
Ich respektiere andere Stimmen, aber wer so etwas vorschlägt, muss auch eine glaubwürdige Lösung für die Schwierigkeiten des Landes anbieten. Politik erschöpft sich nicht in Losungen, ob es nun die Losungen der Mehrheit oder die der Minderheit sind. In Europa und in der Eurozone hat Zypern die beste Zukunft.
Werfen wir einen Blick zurück: Der unlängst zurückgetretene frühere Notenbankgouverneur Panikos Dimitriadis, zu dem Sie ein schwieriges Verhältnis hatten, hat gesagt, Sie hätten vor der zweiwöchigen Schließung der zyprischen Banken im vergangenen Jahr genau gewusst, dass eine Zwangsabgabe auf Konten bei zyprischen Kreditinstituten bevorstehe.
Das möchte ich nicht kommentieren. Was ich aber sagen kann, ist, dass wir alles versucht haben, um diese Zwangsabgabe, dieses „Bail in“, zu verhindern – ein Wort, das uns bis dahin unbekannt war. Unser damaliger Finanzminister, Michalis Sarris, hat uns schließlich gewarnt, dass die Geldgeber möglicherweise eine solche Maßnahme vorschlagen könnten. Daher haben wir den Repräsentanten der Troika deutlich gemacht, dass wir so etwas keinesfalls akzeptieren können.
Wir wollten eine Lösung, die uns erlaubt, alle finanziellen Bedingungen auf eine andere Art zu erfüllen. Bis in die frühen Morgenstunden des 16. März haben wir gekämpft, um die Zwangsabgabe auf Bankguthaben abzuwenden. Aber es scheint so, dass wir durch unser vorheriges Tun und Lassen den Weg dazu geebnet haben, ein Experimentierfeld der Eurozone zu werden, auch deshalb, weil wir nicht rechtzeitig die nötigen Anstrengungen zur Abwendung der Krise unternommen haben.
Weil Ihr Vorgänger, der kommunistische Staatspräsident Dimitris Christofias, Reformen vermied und lieber einen Milliardenkredit in Moskau aufnahm?
Auch das möchte ich nicht kommentieren. Tatsache ist: Hätte Zypern sich bereits im November 2011 an die Troika gewandt, hätte das Land nicht vor den Schwierigkeiten gestanden, vor denen es schließlich stand. Aber das ist Vergangenheit. Wir müssen nun versuchen, das Beste aus der Lage zu machen und unsere Schwierigkeiten überwinden, zum Beispiel die Arbeitslosigkeit von 19 Prozent oder die mangelnde Liquidität der Banken.
Der von Ihnen erwähnte frühere Finanzminister hat vor dem zyprischen Untersuchungsausschuss zur Krise gesagt, Deutschland habe in der Brüsseler Verhandlungsnacht verlangt, auch Konten unter 100.000 Euro in die Zwangsabgabe einzubeziehen. Wenn das stimmt, hätte die deutsche Regierung einen offenen Bruch der europäischen Regelung zur Einlagensicherung befürwortet.
Ich werde nicht sagen, dass es die deutsche Regierung war. Ich beschuldige nicht Herrn Schäuble oder einen anderen Finanzminister. Die Eurogruppe hat diese Lösung gemeinsam vorgeschlagen. Was ich zurückweise, sind Behauptungen, Zypern selbst habe Zwangsabgaben auf Bankguthaben von unter 100.000 Euro gefordert. Das wäre eine illegale Forderung gewesen. Es wäre dann die Pflicht der Eurogruppe gewesen, mir entgegenzutreten und zu sagen, dass Einlagen bis zu 100.000 Euro in Europa garantiert sind.
Aber der Vorschlag kam nicht von Zypern. Es war ein einstimmiger Vorschlag und eine einstimmige Entscheidung von allen anderen Staaten der Eurozone, Guthaben bei zyprischen Banken bis 100.000 Euro mit 6,75 Prozent und die anderen mit 9,9 Prozent zu belasten – nachdem ich bis vier Uhr morgens jede Art von Zwangsabgabe bekämpft hatte.
Haben Sie denn den anderen Ministern gesagt, dass deren Vorschlag gegen ihre eigenen Regeln verstößt?
Ich haben ihnen sehr viel mehr gesagt als das. Ich habe sie daran erinnert, dass Zypern eine Präsidialdemokratie ist und dass ich das Parlament nicht kontrolliere. Ich habe darauf hingewiesen, dass eine Lösung, selbst wenn ich sie akzeptiere, immer noch vom Parlament abgelehnt werden kann. Ich habe deshalb darum gebeten, andere Lösungsszenarien zu prüfen.
Die Troika lobt zwar die Reformen Zyperns ausdrücklich und stellt fest, das Land sei auf dem richtigen Weg, doch das Bankenwesen stellt weiterhin ein ernsthaftes Risiko dar. Die Bank of Cyprus als größtes Kreditinstitut des Landes sitzt auf faulen Krediten von 13 bis 19 Milliarden Euro.
Zyperns Bankensektor erholt sich langsam. Es stimmt, dass 45 bis 50 Prozent der vergebenen Kredite derzeit nicht ordnungsgemäß zurückgezahlt werden. Aber die neue Führung der Bank wird dieses Problem Schritt für Schritt lösen. Ich habe deutlich gemacht, dass ich es ernst meine mit den Reformen. Wir haben unsere Reformverpflichtungen im Staatswesen erfüllt, zum Teil sogar übererfüllt, wie unsere Geldgeber bestätigen. Wenn uns das möglich war, wird es uns auch möglich sein, unsere Banken zu retten.
Bei der Bank of Cyprus ist zu hören, zwar werde man einen Teil der faulen Kredite umstrukturieren und eintreiben können, letztlich aber auf einem Minus von mehreren Milliarden Euro sitzenbleiben. Das würde laut den europäischen Haftungsregeln zur Bankenrettung eine weitere Zwangsabgabe auf Guthaben nötig machen.
Ich hoffe, dass sich das abwenden lässt. Natürlich gibt es Probleme, und ein Risiko besteht immer. Aber nach allem, was ich von der neuen Geschäftsführung der Bank of Cyprus höre, ist man dort zuversichtlich, alle Schwierigkeiten überwinden zu können.
Ist es in Zypern allen klar, dass Zyperns Banken nicht nochmals mit dem Geld europäischer Steuerzahler gerettet werden, sondern dass im Fall des Falles eine weitere Zwangsabgabe folgen muss?
Ich hoffe, dass die europäische Entscheidung für eine Bankenunion eine Lösung für alle Schwierigkeiten bereithält und der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) jenen Banken, die Probleme haben, zur Verfügung stehen wird.
Aber der ESM greift erst, wenn Eigentümer, Kontoinhaber mit Guthaben von über 100.000 Euro und der jeweilige staatliche Abwicklungsfonds ihren Beitrag zu Stabilisierung einer Bank geleistet haben.
Ich möchte hier nicht über hypothetische Entwicklungen spekulieren. Soweit ich informiert bin, werden unsere Banken ohne weitere Hilfen wieder gesunden und müssen nicht gerettet werden.
Wird es zu sozialen Spannungen führen, wenn die Banken nun versuchen, die Sicherheiten nicht mehr bedienter Kredite einzutreiben, etwa durch Zwangsversteigerungen?
Bisher hatten wir keine großen Streiks oder Demonstrationen in Zypern. Da wir die Erstwohnsitze von Schuldnern gesetzlich vor Zwangsversteigerungen schützen werden, wird das auch so bleiben. Die höchsten Schulden bei unseren Banken haben ohnehin nicht einfache Kreditnehmer, sondern große Immobilienunternehmer, die über umfangreichen Besitz verfügen. Bauunternehmen, Immobilieninvestoren oder Landentwicklungsfirmen schulden den zyprischen Banken riesige Summen, viele Milliarden Euro. Dort werden die Banken ansetzen.
Das klingt so, als stünden einige traditionsreiche zyprische Dynastien vor dem Ende einer Ära.
Das stimmt. Sie müssen für die Folgen ihres Tuns aufkommen. Niemand hat das Recht, ein Bankensystem folgenlos in den Bankrott zu führen.
Insel in Not
Vor einem Jahr begann die dramatische Zuspitzung der Euro-Krise: Um das in Schieflage geratene Bankensystem Zyperns zu retten, verfügte die Eurozone im März 2013 eine zeitweilige Schließung aller zyprischen Kreditinstitute und ließ alle Guthaben über 100.000 Euro mit Zwangsabgaben belegen.
Die besonders hoch verschuldete Laiki-Bank, das zweitgrößte Kreditinstitut des Landes, wurde abgewickelt, ihre Kunden verloren alle Einlagen über 100.000 Euro. Die Kunden der Bank of Cyprus, des größten zyprischen Kreditinstituts, verloren „nur“ 47,5 Prozent ihrer die Garantiesumme übersteigenden Einlagen. Sie dürfen über den Rest aber bis heute nicht frei verfügen, denn Zypern führte als erster Staat der Eurozone Kapitalverkehrskontrollen ein. Eine Aufhebung der Beschränkungen ist nicht in Sicht, denn es droht weiterhin ein Zusammenbruch des Bankensystems.
Bereits 2012 hatte sich Zypern mit einer Bitte um Hilfe an die Eurogruppe gewandt, da der zweitkleinste Mitgliedstaat der Eurozone an den Kapitalmärkten keinen Kredit erhielt. Zypern bekam von der Eurozone und dem IWF Hilfszusagen in Höhe von zehn Milliarden Euro, rückzahlbar zwischen 2027 und 2030. Als Gegenleistung musste Nikosia einem Reformprogramm für den Staatssektor und einer Verkleinerung des Bankensektors zustimmen.
Nikos Anastasiadis für Wiedervereinigung Zyperns
Staatspräsident Nikos Anastasiadis wurde 1946 in Limassol geboren. Er studierte Jura in Athen und London, wo er sich auf Schifffahrtsrecht spezialisierte. Von 1981 an war er mehr als drei Jahrzehnte lang Abgeordneter für die konservative „Partei der Demokratischen Sammlung“, deren Chef er seit 1997 ist. Als griechische und türkische Zyprer 2004 in getrennten Referenden über einen Plan zur Beendigung ihrer Teilung abstimmten, stellte sich Anastasiadis gegen die nationalistische Angstkampagne des damaligen Präsidenten Tassos Papadopoulos.
Doch die griechischen Zyprer stimmten gegen die Wiedervereinigung, wodurch die Zustimmung der Türken im Nordteil der Insel bedeutungslos wurde. Als Anastasiadis im Februar 2013 zum Staats- und Regierungschef gewählt wurde, steuerte sein Land bereits auf die größte Krise seit der türkischen Invasion von 1974 zu. (tens.)
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