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Sonntag, 25. Januar 2015

. Die griechische Entwicklung macht deutlich, wie wichtig es ist, in der Eurozone ein geordnetes Umschuldungsverfahren für Staaten zu entwickeln, wie wir es mit dem Konzept „Euro-Vips“ vorgeschlagen haben: Ein solches Verfahren würde Konflikte unter den Mitgliedstaaten vermeiden. Der Anreiz für überschuldete Staaten, einseitig zu drohen, den Schuldendienst einzustellen und damit einen Austritt aus der Eurozone zu riskieren, wäre deutlich geringer.


EU soll sich wehrenGegen die griechische Erpressung

Syriza setzt auf die Erpressbarkeit der griechischen Gläubiger. Und Europa hat bisher nichts getan, um diesen Eindruck zu vermeiden. Doch ein Erfolg der Syriza-Strategie wäre fatal. Jetzt sind glaubhafte Signale gefragt.

© DPAVergrößernAlexis Tsipras im Wahlkampf
Wenn die griechischen Wähler eine Regierung unter Führung von Syriza an die Macht bringen, stellt sich die Frage, ob diese Regierung ihre Gläubiger zwingen kann, einem neuen Schuldenschnitt und einem Ende der Sparpolitik zuzustimmen. Derzeit erzielt Griechenland nach vorliegenden Statistiken Primärüberschüsse, die laufenden Einnahmen sind also höher als die Ausgaben ohne Zinsen. Wenn das Land seinen Schuldendienst einstellen oder drastisch reduzieren würde, könnten die konsumtiven Staatsausgaben auf Kosten der Gläubiger erhöht werden.
Warum könnten sich die Gläubiger gezwungen sehen, dem zuzustimmen und Griechenland trotzdem gestatten, in der Eurozone zu bleiben? Der Rest der Eurozone könnte befürchten, dass ein Zahlungsausfall und Austritt Griechenlands aus dem Euro Banken und Finanzmärkte destabilisiert und zu einer Spekulation auf den Austritt anderer Eurostaaten führt. Außerdem müssten die an Griechenland vergebenen Hilfskredite in Milliardenhöhe abgeschrieben werden. Diese Verluste würden damit sichtbar und in voller Höhe haushaltswirksam. Die Wähler würden ihre Regierungen dafür in den nächsten Wahlen bestrafen. Wenn die Regierungen der Gläubigerstaaten dieses Szenario um jeden Preis vermeiden wollten, wären sie erpressbar. Sie müssten die griechischen Forderungen erfüllen.

Die Kosten eines eventuellen Austritts Griechenlands senken

Für das Euro-Krisenmanagement wäre ein Erfolg dieser Syriza-Strategie fatal. Die Grundlagen der Politik zur Bekämpfung der Krise, das Gewähren von Liquiditätshilfen und Erleichterungen beim Schuldendienst mit der Auflage, wirtschaftspolitische Reformen für mehr Wachstum durchzuführen, wären gescheitert. Die Bereitschaft anderer hoch verschuldeter Staaten, schmerzhafte Anpassungen und Reformen zu durchlaufen, würde sinken. Über kurz oder lang zerbräche die Eurozone an inneren Konflikten und Unfähigkeit zur Anpassung.
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Europa hat bisher nichts getan, um den Eindruck der Erpressbarkeit zu vermeiden. Im Gegenteil mehren sich in Brüssel die Forderungen, Alexis Tsipras entgegenzukommen. Das macht die Syriza-Strategie so verlockend. Europa muss dringend Maßnahmen ergreifen, welche die Kosten eines eventuellen Austritts Griechenlands aus der Eurozone senken. Ziel dieser Maßnahmen ist nicht der tatsächliche Austritt. Das Ziel liegt darin, zu verhindern, dass Griechenland seine Reform- und Konsolidierungsversprechen aufkündigt und sich damit durchsetzt.
Was ist zu tun? Jede demokratisch gewählte griechische Regierung, auch eine unter Führung von Syriza, hat ein Anrecht auf eine Fortsetzung des vereinbarten Hilfsprogramms für Griechenland, das allerdings die Umsetzung der vereinbarten Reformen beinhaltet. Was Syriza im Wahlkampf versprochen hat, ist nicht entscheidend. Es zählt das tatsächliche Regierungshandeln.
Gleichzeitig sind nun sofort glaubwürdige Signale nötig, dass die Partner bei einer Aufgabe des Reformkurses tatsächlich die Hilfen einstellen und sich auch durch Androhung eines Zahlungsstopps nicht erpressen lassen.
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Es braucht ein geordnetes Umschuldungsverfahren

Erstens sollte die europäische Bankenaufsicht einen „Griechenland-Stresstest“ durchführen, der einen Ausfall griechischer Staatsanleihen und einen Konkurs griechischer Banken simuliert. Banken im Rest der Eurozone, die dabei in Schwierigkeiten geraten, müssen die Kapitallücken schließen.
Zweitens sollten die anderen Staaten der Eurozone sich auf Ausfälle der Kredite an Griechenland vorbereiten. Die Europäische Kommission sollte signalisieren, dass eine einmalige Steigerung der Haushaltsdefizite wegen dieser Ausfälle im Rahmen der europäischen Schuldenaufsicht geduldet wird.
Drittens muss die EZB Griechenland vom anstehenden Anleihekaufprogramm ausnehmen.
Viertens muss der ESM die Auszahlungen weiterer Tranchen der Hilfskredite auf Eis legen, bis die neue griechische Regierung gebildet ist und klar ist, welchen Kurs sie einschlagen will.
Fünftens sollte die europäische Politik erläutern, dass diese Maßnahmen nicht dazu dienen, Griechenland zu diskriminieren oder es gar zum Euroaustritt zu drängen: Im Gegenteil geht es darum, das Land in der Währungsunion zu halten. Es geht auch nicht darum, Erleichterungen für Griechenland für alle Zukunft auszuschließen. Weitere Erleichterungen sind aber nur im Konsens umsetzbar und erst nachdem alle mit der Troika vereinbarten Reformen umgesetzt sind, nicht vorher.
Europa steht einmal mehr vor dem Problem, kurzfristig orientiertes Krisenmanagement zu betreiben. Die griechische Entwicklung macht deutlich, wie wichtig es ist, in der Eurozone ein geordnetes Umschuldungsverfahren für Staaten zu entwickeln, wie wir es mit dem Konzept „Euro-Vips“ vorgeschlagen haben: Ein solches Verfahren würde Konflikte unter den Mitgliedstaaten vermeiden. Der Anreiz für überschuldete Staaten, einseitig zu drohen, den Schuldendienst einzustellen und damit einen Austritt aus der Eurozone zu riskieren, wäre deutlich geringer.
Clemens Fuest ist Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Friedrich Heinemann leitet den ZEW-Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“.
Quelle: F.A.Z. 

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