Konflikt zwischen Griechenland und EU verschärft sich
30. Jänner 2015, 17:32
Die neue griechische Regierung wirft täglich Auflagen der Union und des IWF einseitig über Bord. Bereits in einem Monat könnte die EZB den Stecker ziehen
Athen/Wien - Der Konflikt zwischen der neuen griechischen Regierung unter Alexis Tsipras und den Geldgebern spitzt sich zu. Am Freitag kamen aus Athen weitere Nachrichten über die Aufkündigung vereinbarter Maßnahmen. Neben den bereits bekannten Wiedereinstellungen von Beamten und der Sistierung geplanter Privatisierungen wird nun die Kooperation mit der Troika aufgekündigt. Griechenlands neuer Finanzminister, Yiannis Varoufakis, erklärte, man habe den Wählern versprochen, diese Zusammenarbeit mit EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) zu beenden, weil man die Sparauflagen ablehne. "Unsere erste Handlung als Regierung kann nicht sein, dass wir diese Position wieder aufgeben, indem wir eine Verlängerung des Programms verlangen."
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Varoufakis äußerte sich nach einem Treffen mit Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem in Athen. Allerdings versicherte Varoufakis gleichzeitig, dass Athen Reformen umsetzen wolle, um die griechische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähiger zu machen, und einen ausgeglichenen Haushalt anstrebe. Nur werde man keine Deflation und nicht tragbare Schulden hinnehmen. Was dies im Einzelnen bedeutet, ließ er offen. Dijsselbloem sagte, er habe die neue Regierung vor einseitigen Schritten gewarnt und sie aufgefordert, sich an die bestehenden Vereinbarungen zu halten. Man werde vor dem Ende Februar auslaufenden Hilfsprogramm entscheiden, wie weiter verfahren werden solle.
Fortschritte und Verpflichtungen
Die bisher in Griechenland erzielten Fortschritte dürfen nicht wieder infrage gestellt werden, meinte der Niederländer. Weitere europäische Hilfe sei davon abhängig, dass Griechenland seine Verpflichtungen einhalte. Der Leitindex am Aktienmarkt in Athen sackte nach der gemeinsamen Pressekonferenz beider Politiker weiter ab. Die Sorge an den Finanzmärkten wächst, dass das hochverschuldete Land bei Ausbleiben weiterer Hilfsgelder in die Pleite schlittert. Die Kosten für die Versicherungen gegen einen Ausfall staatlicher Schuldtitel sind in der vergangenen Woche explodiert, die Verzinsung von Staatsanleihen wieder über die Marke von zehn Prozent gestiegen. Besonders gefährdet sind die Banken, die am Tropf der EZB hängen. Über die nationale griechische Notenbank sollen mehr als 50 Milliarden Euro an Notfallsmitteln in den Geldinstituten stecken. Verschärft hat sich deren Situation durch den Abzug von Geldern seit dem Wahlsieg von Tsipras. Insider meinen, dass bei einem Auslaufen des Hilfsprogramms Ende Februar auch die Notfallmittel unter dem Titel ELA (European Liquidity Assistance) gesperrt werden. Dann käme es unter den griechischen Banken wohl zu einem Dominoeffekt, meinen Analysten.
Der Kurswechsel sorgt vor allem in Deutschland für Verstimmung. Finanzminister Wolfgang Schäuble bekundete am Freitag zwar Gesprächsbereitschaft, warnte Tsipras aber, von Reformvereinbarungen abzurücken. Erpressbar seien die Europäer nicht, erklärte sein Sprecher. Er unterstrich, die Partner Griechenlands in Europa und beim IWF seien mit ihren Hilfen von zusammen 240 Milliarden Euro bis an die Grenze des Möglichen gegangen.
Die deutsche Regierung bekräftigte ihre Position, dass sie von einem Schuldenschnitt für Griechenland und einer europäischen Schuldenkonferenz, wie sie von Politikern in Athen und andernorts ins Gespräch gebracht worden war, nichts hält. Auch Portugals Ministerpräsident Pedro Passos Coelho, dessen Land gleichfalls Hilfen vom IWF und den Euro-Partnern in Anspruch nehmen musste, lehnte eine solche Schuldenkonferenz ab. Er werde nichts unterstützen, was einen Forderungsverzicht oder eine Umschuldung für Länder auf Kosten seiner Partner bedeute.
Tsipras will kommende Woche nach Zypern, Rom und Paris reisen, um dort Gespräche mit den Regierungen zu führen. Auch ein Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist geplant, ein Besuch in Berlin hingegen nicht. Anderseits hat ihn die deutsche Regierung bisher nicht eingeladen. Angela Merkel dürfte er ohnehin beim EU-Gipfel am 12. Februar treffen. (red, Reuters, DER STANDARD, 31.1.2015)
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