Dienstag, 27. Januar 2015
Moskau wettert gegen Ramsch-Rating"Auf direkten Befehl aus Washington"
Russland muss den Ölpreisverfall und jetzt auch noch den "Ramsch-Status" verkraften. Außerdem erwägt die EU die Sanktionen wegen des Ukrainekonflikts zu verschärfen. Moskau wittert wieder einmal Verschwörung.
Auf dem Internationalen Wirtschaftforum in Davos vor wenigen Tagen war die Welt fast noch in Ordnung. "Wir dürfen nicht in totalen Pessimismus verfallen", erklärte Russlands Vize-Ministerpräsident Igor Schuwalow vor den Wirtschaftsvertretern der Welt. Inzwischen dürfte ihm das schwer fallen. Als erste der drei großen westlichen Agenturen ließ die einflussreiche Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) ihren Ankündigungen vom Dezember Taten folgen und stufte das Rating Russlands ab. Der weitere Ausblick ist negativ - ein schwerer Schlag für die angeschlagene Wirtschaft.
Der Protest aus Moskau kam prompt. Die S&P-Entscheidung sei "auf direkten Befehl aus Washington" erfolgt, sagte Vize-Außenminister Wassili Nebensia der Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Für ihn kam die Entscheidung nicht überraschend. Russland sei mit "koordinierten Aktionen" gegen seine Wirtschaft konfrontiert. Sie gehörten zu dem "mehr oder weniger offiziell erklärten Sanktionskrieg" gegen sein Land.
Der russische Finanzminister Anton Siluanow sprach von einem "übertrieben pessimistischen" Urteil. Die Ratingagentur habe das verabschiedete Krisenprogramm in keiner Weise gewürdigt, das weitreichende Strukturreformen und Budgetkürzungen beinhalte. Auch Putin-Sprecher Dmitri Peskow nannte den Vorgang "politisch", beschwichtigte aber. "Seriöse Unternehmen werden sich kaum beeinflussen lassen von solchen Ratings, die nicht die tatsächliche Lage der Dinge wiedergeben", sagte er laut RIA Nowosti.
Tatsächlich kritisiert S&P unter anderem die schlechten politischen Rahmenbedingungen sowie die mangelhafte demokratische Gewaltenteilung. Die chinesische Ratingagentur Dagong zum Vergleich bewertet allein die wirtschaftlichen Daten, was zur Folge hat, dass Russland mit "A" solider dasteht als die USA, die nur ein "A-" halten.
Zum Überdruss für Moskau kündigt sich neues Ungemach in Form schärferer Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts an. Die EU-Staats- und Regierungschefs forderten die EU-Außenminister auf, die Situation neu zu bewerten und "angemessene Handlungen in Betracht zu ziehen, insbesondere weitere restriktive Maßnahmen".
Der Kreml verbrennt Geld
Richtig ist der Einwand Russlands, dass die Wirtschaft immer noch solider dasteht als die anderer Staaten. Die Schuldenquote gemessen an der Wirtschaftsleistung liegt unter 20 Prozent. Selbst Deutschland weist eine Quote von über 70 auf, Amerika sogar von rund 100 Prozent. Und die Devisen- und Goldreserven betragen gut 379 Milliarden Dollar. Trotz Krise hat der Kreml im vergangenen Monat sogar seine Goldreserven deutlich ausgebaut.
Es ist aber auch richtig, dass Moskaus Reserven noch vor einem Jahr 498 Milliarden wert waren. Der Kreml verbrennt Geld - viel Geld. Das trübe die Aussichten für die Zukunft, begründen die Bonitätsprüfer ihr Urteil. Die Rubel-Abwertung und die vom Westen auferlegten Sanktionen schwächten das Finanzsystem. Das begrenze die Möglichkeiten der Notenbank in der Geldpolitik.
Die Frage ist, wie lange die russischen Währungsreserven reichen werden. Moskau hofft, dass das Geld aus dem Ölexport das Land zwei Jahre über Wasser halten wird. Der US-Ökonom Kenneth Rogoff warnte aber bereits davor, dass es auch deutlich früher ausgehen könnte.
Sicherlich erhöht die Ratingagentur den Druck auf die ohnehin angeschlagene russische Wirtschaft. Die Herabstufung bedeutet, dass russische Staatsanleihen bei bestimmten Investoren automatisch aus dem Portfolio genommen werden. In der Folge droht eine Zunahme der Kapitalflucht, die bereits im vergangenen Jahr ein Rekordniveau erreicht hatte.
Aber verantwortlich für die aktuelle Misere ist Putin selbst. Er zahlt die Zeche für den jahrelang verpassten Strukturwandel im Land. Wäre Russland nicht so auf die Öleinnahmen angewiesen, müsste es nicht das Abrutschen in die Rezession befürchten. Dass die erste Krise seit der Finanzkrise droht, hat nicht der Westen zu verantworten. Die einseitig auf Rohstoffe ausgelegte Wirtschaft wäre der Regierung früher oder später sowie um die Ohren geflogen, jetzt geht es wegen des Ölpreisverfalls schneller.
Auch Europa zahlt für Sanktionen
Die neuen Sanktionsdrohungen mögen für den Kreml ins Muster passen: ein weiterer Beleg für ein koordiniertes politisches Vorgehen, um das Land zu destabilisieren. Aber Europa zieht keinen Vorteil daraus, wenn Russland als Handelspartner wegfällt. Für Deutschland schlagen die Folgen der Sanktionen negativ mit sechs Milliarden Euro zu Buche. 2014 seien den jüngsten Zahlen zufolge die deutschen Exporte nach Russland "um 18 Prozent oder umgerechnet mehr als sechs Milliarden Euro gesunken", beziffert der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes die Einbußen. Perspektivisch sieht bis zu 60.000 Arbeitsplätze in Gefahr.
Nicht umsonst hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier kürzlich trotz der aktuellen Kämpfe in der Ukraine die von Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgeschlagene Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok unterstützt. "Wir dürfen solche Perspektiven nicht für alle Zeiten verwerfen und auch nicht als Geschenk an Russland betrachten", sagte der SPD-Politiker.
Es gibt noch einen andren Grund, warum Putins Verschwörungstheorien ins Reich der Fantasie verwiesen gehören. Wollte der Westen Russland tatsächlich in die Knie zwingen, würde er nur die Konsequenzen des Ölpreisrutsches abwarten und auf Sanktionen verzichten, geben Russland-Experten zu bedenken. Wichtiger scheint es der internationalen Gemeinschaft zu sein, politisch Position zu beziehen und Pflöcke auch dort einzuschlagen, wo ihr selber weh tut.
Den Rückhalt von Putin in der Bevölkerung wird im Übrigen auch eine neue Krise nichts anhaben können, wie die Experten von DIW und BDI bekräftigen. Konspirative Absprachen des Westens scheinen in jeglicher Hinsicht überflüssig.
Quelle: n-tv.de
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