Keine NeuemissionenMittelstandsanleihen stehen vor dem Aus
So gut der Name klang, an die Qualität des deutschen Mittelstands reichten die so bezeichneten Schuldtitel nie heran. Der Anleger verbindet damit Zahlungsausfälle und dubiose Praktiken. Zu Recht?
27.02.2015, von MARTIN HOCK
Das einst so boomende Geschäft mit Mittelstandsanleihen ist deutlich geschrumpft. Zahl und Volumen der Emissionen sind deutlich gesunken. In den vergangenen Monaten ist das Geschäft von den Börsen weggegangen. Der Magenbitterhersteller Underberg wählte im Juli für seine neue Anleihe den Weg einer Privatplazierung. Der Brennstoffhersteller German Pellets ließ im November seine neue Anleihe im Frankfurter Prime Standard notieren und nicht im Entry Standard, der als Segment für Mittelstandsanleihen gilt. Vor allem aber gab es seit dem vergangenen Oktober keine neuen Emittenten mehr. Der Autozulieferer SAG Motion musste seine Emission im Dezember absagen. Die Unternehmensnachrichten im Markt hätten das Nachfrageverhalten der Investoren negativ beeinflusst, lautete die Begründung.
Das Segment ist in Verruf geraten. Das überrascht nicht: Mittlerweile kommt mehr als jeder fünfte Emittent seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nach. Die Liste der Wackelkandidaten ist lang, und die Refinanzierungswelle kommt erst in diesem Jahr ins Rollen. Investoren und Banken haben schon viele Emittenten im Geiste abgeschrieben, auch wenn niemand gern Namen nennen möchte.
Kein Anlageinstrument für Privatanleger
„Es gibt viele, die an diesem Markt nichts verloren hatten“, sagt Andreas Wegerich, Vorstand der Investmentbank Youmex, die zu den größten Emissionshäusern am Markt zählt. In einigen Fällen nahmen es Emittenten mit dem Gesetz und kaufmännischen Gepflogenheiten nicht so genau. Sicherheiten wurden doppelt verpfändet, die Buchführung frisiert oder Unterlagen vernichtet. Oft genug aber war der Grund, dass man mit der Anleihe einfach „noch mal den Würfel rollen ließ“, wie es Dieter Kaiser vom Spezialfinanzierer Robus Capital ausdrückt. So hielten die Erlöse etwa den Tütensuppenhersteller Zamek noch einige Zeit über Wasser. Nach jüngsten Berichten werden Anleger wohl nur rund 1 Prozent ihres Geldes zurück bekommen.
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„Die Mittelstandsanleihe hätte niemals als Anlageinstrument für Privatanleger etabliert werden dürfen“, sagt Gerhard Rosenbauer, Geschäftsführer der Fondsgesellschaft Inprimo. Doch als die Pläne für Mittelstandsanleihebörsen entstanden, war die Finanzkrise auf ihrem Höhepunkt. Privatanleger flohen aus Aktien und Staatsanleihen. Banken vergaben Unternehmenskredite nur noch höchst ungern, und selbst Unternehmen wie Metro und BASF buhlten mit hohen Anleihezinsen um das Geld der Privatanleger.
Die Idee war, ein Börsensegment für Anleihen von gesunden Unternehmen zu schaffen, denen die unter Druck stehenden Banken die Mittel versagten. Doch die Realität wurde eine andere. Neben soliden Emittenten wie den Autozulieferern Nabaltec oder Dürr brachten viele Unternehmen aus der zusammenbrechenden Solarbranche oder die finanziell angeschlagene MS Deutschland GmbH, die Betreibergesellschaft des ZDF-Traumschiffs, Anleihen auf den Markt.
An Prospekten von Daimler und BASF orientiert
Hans-Jürgen Friedrich, Vorstand der Fondsgesellschaft KFM Deutsche Mittelstand, sieht das Problem in der Anlageberatung: „Das Segment ist für Privatanleger sehr interessant. Aber wie sollen sie sich informieren, wenn die Banken aufgrund der Überregulierung keine richtige Beratung mehr anbieten können?“ Wie bei jeder Geldanlage müsse die Investition in eine Mittelstandsanleihe sehr genau geprüft werden. „Wer diesen hohen Aufwand nicht betreiben kann oder eine Beratung nicht erhält, kann allerdings mit einem auf Mittelstandsanleihen spezialisierten Fonds sein Geld breit gestreut anlegen“, so Friedrich.
Kaiser fordert dagegen vor allem einen Neuanfang bei den Prospekten. „Wir brauchen Covenants, Sicherheiten, Garantien“, sagt er. „Es ist ein Markt für Fremdkapital gehobenen Risikos und dementsprechend Hochzinsmarkt. Man hat sich aber an Prospekten von Daimler und BASF orientiert, was von Anfang an falsch war.“ Einigkeit besteht, dass sich die Qualität der Emittenten gewaltig verbessern muss. Als im Dezember die Emission der SAG Motion verschoben wurde, reagierten einige Anleger und Emissionsbanken sogar erleichtert. Der Hersteller von Tanks ist seit Jahren in der Restrukturierung und versuchte mit einer Garantie der Privatstiftung der Eigentümerfamilie Wöhrer zu punkten, just als gerade die Patronatserklärung des Immobilienunternehmens Golden Gate geplatzt war.
Entry Standard ist kein Segment für Mittelstandsanleihen?
Wegerich möchte die Qualität am liebsten in Zahlen festmachen. Er schwört auf die Bilanzkennzahlen, die der „Best Practice Guide“ der Deutschen Börse vorgibt. Diesen unverbindlichen Leitfaden, den die Börse im vergangenen Oktober veröffentlicht hat, hält Raimar Bock von der Emissionsbank Steubing für zu starr. Auch wenn richtige Punkte adressiert würden, seien die Banken in der Pflicht. „Es führt kein Weg an einer Hygiene im eigenen Haus vorbei“, sagt er. Qualität sei schwer zu definieren. „Wir stellen uns kritisch die Frage, ob die Emission aus heutiger Sicht plausibel ist. Ein tolles Geschäftsmodell lässt sich auch mit wenig Eigenkapital umsetzen.“
Die Börsen haben die Mittelstandsanleihen als eigenes Segment offenbar abgeschrieben. Düsseldorf hat den Mittelstandsmarkt geschlossen – vor allem, weil der Begriff „Mittelstandsanleihen“ in der Öffentlichkeit negativ besetzt sei. Die Deutsche Börse betont schon lange, der eigene Entry Standard sei kein Segment für Mittelstandsanleihen. Gleichwohl werden dort die meisten dieser Papiere gehandelt.
Das Geschäft aber geht weiter. Die Pipeline der Transaktionen sei voll besetzt, heißt es von den Emissionshäusern. Das Interesse an plausiblen Anleihen sei bei professionellen Investoren ungebrochen hoch, sagt Wegerich. Doch öffentliche Plazierungen sind in der Minderheit, stattdessen dominieren Privatplazierungen. Der Markt für Mittelstandsanleihen als Segment für Privatanleger, wie man ihn 2013 kannte, scheint damit Geschichte. Und die institutionellen Investoren sind kritischer geworden.
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