Milliardenhilfen für Griechenland: Das Geld reicht noch immer nicht
7,2 Milliarden Euro soll Griechenland bekommen. Doch wie lange reicht das Geld? Ein genauer Blick auf die Finanznöte des Landes zeigt: Ein neues Rettungspaket ist unausweichlich - oder ein Schuldenschnitt.
Die Erleichterung war groß, nachdem sich Athen und Brüssel auf einen Kompromiss geeinigt hatten. Das Rettungspaket für Griechenland wird noch einmal verlängert, bis Ende Juni sollen Hilfsgelder in Höhe von 7,2 Milliarden Euro fließen.
Das klingt nach viel Geld, nach einem Hoffnungsschimmer. Doch tatsächlich werden sich Athen und Brüssel in den kommenden Monaten mit drei unbequemen Wahrheiten auseinandersetzen müssen:
Das klingt nach viel Geld, nach einem Hoffnungsschimmer. Doch tatsächlich werden sich Athen und Brüssel in den kommenden Monaten mit drei unbequemen Wahrheiten auseinandersetzen müssen:
- Es dürfte noch eine Weile dauern, bis Geld fließt. Der klammen griechischen Regierung drohen magere Wochen.
- Es gibt keine überzeugende Lösung für die Zeit danach. Ein drittes Hilfspaket scheint unausweichlich.
- Die Regierung von Alexis Tsipras wird kaum Handlungsspielraum haben, ihre teuren Wahlversprechen umzusetzen.
Details in folgender Übersicht.
Was genau ist Griechenlands Problem?
Der Primärüberschuss war zu Jahresbeginn deutlich niedriger als angepeilt, eigentlich sollte er bei 1,36 Milliarden liegen. Dieses Ziel wurde vor allem deshalb nicht erreicht, weil viele Griechen ihre Steuerzahlungen aufgeschoben haben - in der Hoffnung, dass Syriza ihre Wahlversprechen bald einlöst.
Die bange Frage ist also: Wie entwickeln sich die Staatseinnahmen in den kommenden Monaten? Insidern zufolge ist die Regierung derzeit klamm, hangelt sich von Tag zu Tag.
Die Regierung kann außerdem die fälligen Zinsen und die Tilgung ihrer Staatsschulden nicht aus eigener Kraft zahlen. Investoren zweifeln an der Zahlungsfähigkeit der Regierung und leihen ihr nur noch sehr kurzfristig, in sehr begrenztem Umfang und zu sehr hohen Zinsen Geld. Ohne externe Hilfen könnte die Regierung schon bald ihre Schulden nicht mehr bezahlen.
Was muss Griechenland wann zahlen?
Griechenland muss, zweitens, kurzlaufende Staatsanleihen, sogenannte T-Bills, zurückzahlen - oder die auslaufenden durch neue ersetzen. Bis Ende Juni werden Anleihen im Wert von gut 11,6 Milliarden Euro fällig. Nach der grundsätzlichen Einigung zwischen Athen und Brüssel sollte die Regierung aber genügend Käufer für die T-Bills finden, die zuletzt vor allem von griechischen Banken nachgefragt wurden.
Woher kommt das Geld?
Die jetzt beschlossene Verlängerung des Hilfspakets beschert Griechenland 7,2 Milliarden Euro, die sich aus verschiedenen Quellen speisen:
- 1,8 Milliarden Euro soll der Euro-Rettungsschirm EFSF in Form von Krediten schicken. Es ist die letzte Tranche der Europäer aus dem zweiten Rettungspaket für Griechenland.
- Kredite über 3,6 Milliarden Euro soll der Internationale Währungsfonds (IWF) beisteuern. Auch díeses Geld kommt aus dem zweiten Hilfspaket.
- 1,9 Milliarden Euro soll die Europäische Zentralbank (EZB) überweisen. Dabei handelt es sich um Gewinne aus dem Aufkauf griechischer Staatsanleihen. Der Kurs der Anleihen war nach dem Kauf durch die EZB gestiegen. Diese Gewinne reicht die EZB nun an die Athener Regierung weiter.
Kommt das Geld rechtzeitig?
Bei der Rückzahlung der Raten an den IWF werde man "ganz sicher in Schwierigkeiten kommen", sagte denn auch Finanzminister Giannis Varoufakis am Mittwoch dem griechischen Hörfunksender Alpha.
Sollte sich die Auszahlung der Hilfen wirklich bis April hinziehen, müsste die griechische Regierung bis dahin jeden verfügbaren Euro zusammenkratzen.
- Sie könnte dann versuchen, weitere kurzfristige Staatsanleihen mit einigen Monaten Laufzeit an private Gläubiger auszugeben. Die derzeit zulässige Obergrenze liegt bei 15 Milliarden Euro und ist noch nicht ganz ausgereizt. Zudem könnte sie mit Genehmigung der "Institutionen" auch weiter angehoben werden.
- Sie könnte sich Geld bei griechischen Staatsunternehmen borgen.
- Notfalls könnte sie außerdem Zahlungen an die eigenen Bürger aufschieben, zum Beispiel Rückerstattungen der Umsatzsteuer oder Zahlungen an Pensionäre. Das würde allerdings die Wirtschaft schädigen.
- Die griechische Regierung will zudem mehr Steuern eintreiben. Bis zu drei Milliarden Euro sollen so zusammenkommen. Experten sind allerdings skeptisch, ob der Staat tatsächlich an das Geld der mächtigen griechischen Elite herankommt.
Was passiert nach dem 30. Juni?
Allein im Juli und August müsste Athen mehr als acht Milliarden Euro zusammenbekommen, um seine Schulden zu bedienen. Insgesamt habe Griechenland in den kommenden drei Jahren "eine Finanzierungslücke von 30 bis 40 Milliarden Euro", schätzt DIW-Präsident Marcel Fratzscher.
Gut zwölf Milliarden Euro soll das Land bis März 2016 noch vom IWF bekommen, es sind die letzten Tranchen aus dem 2012 beschlossenen zweiten Rettungsprogramm.
Damit bliebe immer noch eine gewaltige Lücke, für die spätestens nach dem 30. Juni wohl ein drittes Rettungsprogramm nötig wäre. Ein denkbarer Kniff, um die Summe dann niedrig zu halten: Aus dem zweiten Rettungsprogramm liegen noch immer knapp elf Milliarden Euro ungenutzt beim griechischen Bankenrettungsfonds. Es war dazu gedacht, in Not geratene griechische Banken zu rekapitalisieren. Das Geld könnte zur Staatsfinanzierung umgewidmet werden. Bei ihrem Krisengipfel vergangene Woche haben die Euro-Finanzminister diese Variante erst mal ausgeschlossen. Doch bis zum Sommer könnten sie es sich noch einmal anders überlegen.
Die Alternative: Griechenland bekommt einen weiteren Schuldenschnitt oder zumindest Erleichterungen beim Schuldendienst. Damit eine solche Maßnahme dem Land wirklich hilft, müsste sie vor allem die Verbindlichkeiten Athens gegenüber IWF und EZB betreffen.
Was wird aus Syriza?
Das linke Parteienbündnis rechnete mit Mehrkosten von insgesamt zwölf Milliarden Euro, andere Experten sprechen eher von 20 Milliarden Euro. Wie diese teuren Versprechen finanziert werden sollen, war schon vor der Wahl unklar. Tsipras hat politisch und finanziell kaum Gestaltungsspielraum. Entsprechend liegen die meisten Wahlkampfversprechen auf Eis.
Den Wählern dürfte das auf Dauer kaum gefallen. Derzeit steht die Mehrheit der Griechen noch zu Tsipras, aber auf dem linken Syriza-Flügelbeginnt es schon zu brodeln.
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