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Dienstag, 24. Februar 2015

Was heute kaum noch einer weiß: Auch im neunzehnten Jahrhundert bestand schon einmal eine Währungsunion – die Lateinische Münzunion -, die durch die Aufnahme Griechenlands, aber auch innere Konstruktionsfehler in Schwierigkeiten geriet. Warum man die Griechen nur in diese Währungsunion hereingelassen hatte, fragten damals viele. Der amerikanische Ökonom Henry Parker Willis urteilte 1901: “Es ist schwierig, zu verstehen, warum der Beitritt Griechenlands zur Münzunion gewünscht oder erlaubt wurde.” Das Land sei in einem bemitleidenswerten Zustand, wirtschaftlich marode, von politischem Streit gelähmt und finanziell verrottet. Immer offensichtlicher verstieß Griechenland gegen die Fairness-Regeln der Lateinischen Münzunion. Es druckte Papier-Drachmen und tauschte sie gegen die Gold- und Silbermünzen anderer Mitglieder der Währungsunion. Diese waren über die Athener Tricks zur Kaschierung des Bankrotts zunehmend verärgert. Im Jahr 1908 schlossen sie Griechenland schließlich vorübergehend aus der Münzunion aus.

Bedauerlicherweise bankrott

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Der Parthenon-Tempel in Athen.Der Parthenon-Tempel in Athen.
Mit Staatsbankrotten haben die Griechen in ihrer Geschichte einige Erfahrung gemacht – und auch mit internationalen Finanzaufsehern. Seit der Unabhängigkeit 1830 nach mehr als vierhundertjähriger Besatzung durch die Osmanen sind die Staatsfinanzen chronisch zerrüttet. Ein halbes Dutzend Mal musste Griechenland seine Zahlungsunfähigkeit erklären.
Mit den Worten “Bedauerlicherweise sind wir bankrott” leistete Ministerpräsident Charilaos Trikoupis 1893 den Offenbarungseid. Vier Jahre später – eine Niederlage gegen die Türken hatte die Staatskasse noch mehr belastet – sprangen die europäischen Großmächte ein. Sie garantierten eine Anleihe, verlangten aber zugleich Reformen und die Kontrolle über die Rückzahlung. Eine internationale Kommission wachte darüber. Im Grund war es ein Ausschuss wie heute die Troika, die von den Griechen inzwischen wie eine Besatzungsmacht empfunden wird.
Was heute kaum noch einer weiß: Auch im neunzehnten Jahrhundert bestand schon einmal eine Währungsunion – die Lateinische Münzunion -, die durch die Aufnahme Griechenlands, aber auch innere Konstruktionsfehler in Schwierigkeiten geriet. Warum man die Griechen nur in diese Währungsunion hereingelassen hatte, fragten damals viele. Der amerikanische Ökonom Henry Parker Willis urteilte 1901: “Es ist schwierig, zu verstehen, warum der Beitritt Griechenlands zur Münzunion gewünscht oder erlaubt wurde.” Das Land sei in einem bemitleidenswerten Zustand, wirtschaftlich marode, von politischem Streit gelähmt und finanziell verrottet. Immer offensichtlicher verstieß Griechenland gegen die Fairness-Regeln der Lateinischen Münzunion. Es druckte Papier-Drachmen und tauschte sie gegen die Gold- und Silbermünzen anderer Mitglieder der Währungsunion. Diese waren über die Athener Tricks zur Kaschierung des Bankrotts zunehmend verärgert. Im Jahr 1908 schlossen sie Griechenland schließlich vorübergehend aus der Münzunion aus.
“In keinem Fall ist Griechenland ein wünschenswertes Mitglied der Währungsunion”, hatte Henry Parker Willis geschrieben. Genau hundert Jahre später wurde Griechenland in die aktuelle Euro-Währungsunion aufgenommen – ein denkbar schlechtes Omen. Dabei hatten die beteiligten Politiker – damals wie heute – hochfliegende Erwartungen bezüglich der Währungsunionen. Im Fall der 1865 gegründeten Münzunion ging die Initiative von Frankreich aus. Ihr Vordenker, der Ökonom und Vizepräsident des Staatsrats Felix Esquirou de Parieu, betonte nicht nur die Vorteile, die der Wegfall von Wechselkurs- und Spekulationsrisiken sowie Umtauschkosten dem Handel bringen würde. Er sah die Münzunion als Vorstufe zu einer “europäischen Union” mit einer “europäischen Kommission” als politischer Leitung. Weniger deutlich sagte er, dass die Union indirekt Frankreichs machtpolitischen Interessen dienen sollte. Napoleon III. indes sprach offen darüber, die Münzunion als Instrument zur Erlangung der “Hegemonie über Kontinentaleuropa” einzusetzen. Das klappte aber nicht.

Die Ausgabe von Papiergeld war nicht geregelt

Gegründet wurde die Münzunion im Dezember 1865 mit einem Vertrag zwischen Frankreich, Belgien, der Schweiz und Italien. Diese Staaten vereinbarten feste Wechselkurse zwischen ihren Gold- und Silbermünzen. Wenig später wurde Griechenland Mitglied. Zunächst lobten viele Beobachter den Währungsverbund. Der “Economist” etwa schrieb, es gebe “keinen Grund, warum jedes Land eine separate Währung haben sollte”. Reisende zeigten sich erfreut, dass nun lästiges Geldwechseln unnötig war. Kaum einer erkannte schon zu Beginn die Konstruktionsfehler der Münzunion. Zum einen war problematisch, dass Länder mit sehr unterschiedlicher Finanz- und Wirtschaftskraft zusammengespannt wurden. Die Union umfasste recht weit industrialisierte Länder im Norden und rückständige agrarische Länder im Süden. Asymmetrische Schocks lösten Finanz- und Handelskrisen aus. Zudem kam der sogenannte bimetallische Standard mit einem Tauschverhältnis von Gold zu Silber von 1 zu 15,5 unter Druck, nachdem Goldfunde am Ende des neunzehnten Jahrhunderts die relativen Preise verschoben. Das relativ günstiger werdende Gold verdrängte das Silber.
Das gravierendste Problem war aber, dass die Ausgabe von Papiergeld in den Verträgen nicht geregelt war. Italien war nach seinen Einigungskriegen in finanziellen Schwierigkeiten und inflationierte seine Papiergeldausgabe, die es dann gegen Münzen tauschte. Das so geschaffene Geld strömte in andere Länder und bewirkte auch in Frankreich und Belgien eine Inflation. Die Banque de France suspendierte schließlich für mehrere Jahre die Einlösung der Banknoten in Metallmünzen. Die Griechen tricksten weiter ungeniert mit Papiergeld, bis sie 1908 ausgeschlossen wurden. Zwei Jahre später durften sie zwar wieder eintreten. Doch mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs war die Münzunion praktisch erledigt. Zum Schluss gab es permanente Konflikte über die Regeln, ähnlich dem heutigen Streit über den Stabilitätspakt. Dass der Vertrag über die Münzunion trotzdem nicht früher gekündigt wurde, lag daran, dass die Länder – wie bei einer zerrütteten Ehe – die hohen Kosten der Auflösung scheuten. Nach langem Siechtum wurde die Lateinische Münzunion 1926 endgültig aufgelöst.
Was kann man aus der Geschichte lernen? Ökonomen und Historiker sind sich weitgehend einig: Zwischenstaatliche Währungsunionen sind instabil, weil souveräne Staaten sich den nötigen Regeln nicht beugen wollen oder können. “Alle Monetären Unionen, die keine vollständigen Politischen Unionen waren, blieben temporäre Arrangements. Sie lösten sich auf”, warnte die Ökonomin Theresia Theurl in einer Studie schon zu der Zeit, als der Maastricht-Vertrag noch nicht ratifiziert war. Der Historiker Dominik Geppert zieht aus dem Scheitern der Lateinischen Münzunion mehrere Lehren. Erstens sei es naiv zu glauben, dass eine gemeinsame Währung machtpolitische Rivalitäten beende. Zweitens sei es problematisch, wenn eine Währungsunion keine geordnete Ausstiegsoption enthalte. Und drittens seien die zwischenstaatlichen Arrangements fragil und nicht unbedingt glaubwürdig. Geschichte wiederholt sich zwar nicht unbedingt, aber die Parallelen der heutigen Euro-Krise zum Scheitern der Lateinischen Münzunion sind doch auffällig.
Literatur:
Theresia Theurl: Eine gemeinsame Währung für Europa. 12 Lehren aus der Geschichte. Österreichischer Studienverlag 1992
Dominik Geppert: Ein Europa, das es nicht gibt. Die fatale Sprengkraft des Euro. Europa Verlag 2013

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