Staatsanleihen
Euro-Staaten führen Enteignungsklausel bei Bonds ein
Eine neue Regelung ermöglicht es den Euro-Ländern künftig, Schuldenschnitte schneller und einfacher durchzuführen. Davon könnten auch Millionen deutsche Sparer betroffen sein. Von Frank Stocker
Es klingt ein wenig wie ein Wort auf der Fäkalsprache. Und tatsächlich haftet der Sache ein unangenehmer Odeur an. Sie riecht nach einem Angriff auf die Ersparnisse der Bürger, nach geplantem Schuldenschnitt und rücksichtsloser Enteignung. Jedenfalls wird all dies für die Staaten der Euro-Zone künftig wesentlich einfacher werden - dank CAC.
Die Abkürzung steht für "Collective Action Clause", zu deutsch "Kollektive Handlungklausel". Alle neuen Staatsanleihen der Euro-Zone enthalten ab diesem Jahr eine solche Klausel. Das klingt für Laien unverständlich und viele dürften glauben, davon nicht betroffen zu sein - wer besitzt schon Staatsanleihen.
Es kann praktisch jeden treffen
Doch in jeder Lebensversicherung, in jedem privaten Rentensparvertrag stecken solche Papiere. Und mit CAC können die Staaten künftig die Rückzahlung von Schulden verweigern, selbst wenn der einzelne Sparer dem nicht zustimmt. Damit kann es praktisch jeden treffen.
Das Vorbild für diese Neuerung gab ausgerechnet Griechenland. Denn der Schuldenschnitt im vergangenen Frühjahr gelang nur dank CAC. Diese Klausel besagt, dass die Vertragsbedingungen einer Anleihe bei Zustimmung von 75 Prozent der Gläubiger neu bestimmt werden können.
Staaten üben Druck auf die Gläubiger aus
Konkret wurde im Falle Griechenlands den Gläubigern ein Vorschlag vorgelegt, wonach sie auf 53,5 Prozent des ursprünglich investierten Geldes verzichteten. Der Rest wurde aufgeteilt auf mehr als 20 neue Anleihen mit Laufzeiten zwischen zehn und 30 Jahren, die letzte läuft erst 2042 aus.
Die Staaten übten damals heftigen Druck auf die größten Gläubiger aus, auf Banken, Versicherungen und staatliche Versorgungswerke, so dass diese letztlich zustimmten. Damit kam die erforderliche Mehrheit für diese "freiwillige" Umschuldung zustande. All jene indes, die nicht zugestimmt hatten, mussten anschließend zusehen, wie ihre Anleihen zwangsweise umgetauscht wurden. Manche versuchen zwar bis heute, sich gerichtlich dagegen zu wehren, doch die Aussichten auf Erfolg sind recht gering. Sie wurden teilenteignet.
Teil-Enteignung wird gerichtsfest gemacht
Nun erhalten alle Euro-Staatsanleihen eine solche CAC-Klausel, mit deren Hilfe ein derartiges Vorgehen nicht nur möglich, sondern auch noch gerichtsfest gemacht wird. Betroffen davon sind alle neu begebenen Anleihen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr, die alten Anleihen sind dagegen nicht betroffen. Das bedeutet, dass im Laufe der kommenden Jahre nach und nach ein immer größerer Anteil der europäischen Staatsanleihen eine solche Klausel enthalten wird. In fünf Jahren dürfte dies schon auf mehr als die Hälfte der deutschen Papiere zutreffen, ähnliches gilt für die meisten anderen Euro-Staaten.
Beschlossen wurde die Einführung dieser Klauseln im Zuge der Verhandlungen über die Einführung despermanenten Rettungsschirms, des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Ganz bewusst sollte damit die Grundlage dafür gelegt werden, bei künftigen Umschuldungen vor einer Klagewelle durch renitente Kleinanleger geschützt zu sein.
Diese versuchen beispielsweise seit über zehn Jahren auf dem Gerichtsweg von Argentinien Entschädigungen für ihr Vermögen zu erhalten, das sie bei der Staatspleite von 2001 verloren hatten. "Im Kern geht es bei der Einführung der CAC darum, eine Umschuldung, so sie denn in der Zukunft notwendig werden sollte, zu vereinfachen", fasst daher Luca Cazzulani, stellvertretender Leiter der Anleihenstrategie bei der Unicredit, das Ziel des ganzen zusammen.
Für Kleinsparer wird das zum Vabanque-Spiel
Die Staatspleite soll also leichter gemacht werden. Aus Sicht der Staaten ist dies sogar ein verständliches Ansinnen. Denn viele Länder leiden unter der enormen Last der aufgehäuften Schulden. Spätestens wenn irgendwann die Zinsen wieder steigen sollten, dürften viele an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten. Risikolos ist es also ohnehin schon längst nicht mehr, dem Staat sein Geld zu leihen. Dank CAC wird dies für Kleinsparer jedoch künftig zu einem wahren Vabanque-Spiel.
Denn sie sind in diesem Spiel die größten Verlierer, wie das Beispiel Griechenlands vor Augen führt. Die Finanzinstitute, die damals im Rahmen der CAC-Umschuldung großzügig auf ihr Geld verzichteten, konnten anschließend ihre Tresore mit Geld von der Europäischen Zentralbank wieder auffüllen, praktisch zum Nulltarif. Hedgefonds wurden größtenteils über Kreditausfallversicherungen entschädigt, die sie abgeschlossen hatten. Nur die Privatanleger blieben auf ihren Verlusten sitzen.
Investoren sitzen dann am kürzeren Hebel
Indes ist fraglich, ob die Staaten damit erreichen, was sie anstrebten. Denn Anleger könnten höhere Zinsen als Entschädigung für die Gefahr verlangen, dass sie künftig mit einer CAC-Aktion rechnen müssen. Cazzulani glaubt, dass dies vor allem in der Übergangsphase der Fall sein könnte, wenn Anleihen mit und ohne CAC-Klausel parallel an den Märkten gehandelt werden. Spätestens wenn es nur noch solche mit der Klausel gebe, werde dieser Effekt jedoch wieder verschwinden.
Schließlich haben viele Großanleger, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben in Staatsanleihen investieren müssen, dann keine andere Wahl. Zum anderen aber sind letztlich auch jene Anleihen nicht wirklich sicher, die keine CAC-Klausel beinhalten. Denn Griechenlands Papiere enthielten diese ursprünglich auch nicht. Die Regierung hat sie dann einfach per Gesetz nachträglich eingefügt. Und während ein Anleger gegen Unternehmen, die so handeln, vor Gericht vorgehen kann, sitzt er beim Staat als Gegner letztlich immer am kürzeren Hebel.
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So funktioniert der permanente Rettungsschirm
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Zunächst stellt ein verschuldetes Land einen Antrag beim ESM.
CAC sind nach deutschem Recht wahrscheinlich selbst dann unwirksam, wenn sie bereits zum Kaufzeitpunkt der Anleihe in den Bedingungen vorgesehen wären. Das kann man zumindest aus BGHZ 116, 319 schließen, wonach der BGH einen Zwang, daß Gläubiger einem Sanierungsplan zustimmen müssen, ohne gerichtliche Inhaltskontrolle abgelehnt hat. Siehe ua: http://books.google.at/books?id=YUAUXpg4FIsC&pg=PA188&lpg=PA188&dq=bghz+116,+319&source=bl&ots=QkZ9LpKcNo&sig=I7jCLUZPRvvu0IMVf9F7iym00qs&hl=en&sa=X&ei=ghfsUOvxMsbHtQb1_4DwBA&ved=0CDkQ6AEwAQ#v=onepage&q=bghz%20116%2C%20319&f=false
AntwortenLöschenaus diesem Grund werden ja heute kaum Anleihen nach dt. Recht emittiert. Wenn die EU da was machen will, dann nur über Unionsrecht.
Daß die Kläger gegen GR nur geringe Chancen hätten, aber gleichzeitig der Bedarf für "gerichtsfeste" Klauseln gegeben ist, ist dann auch nur für den Autor selbst kein Widerspruch.
Die müssen ja das schreiben, was Merkel denen sagt...
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