Komplexes deutsches Steuerrecht
J. Safra Sarasin im deutschen Steuerdickicht
Die Schweizer Behörden haben einem Rechtshilfegesuch Deutschlands stattgegeben. Die Bank Sarasin soll Kunden beim Abgabebetrug geholfen haben. Der Vorwurf ist in deutschen Rechtskreisen umstritten.
Die Bank J. Safra Sarasin bestätigte am Freitag Berichte der «Süddeutschen Zeitung» und des «Tages-Anzeigers», dass in ihren Geschäftsräumen in Zürich und in Basel Hausdurchsuchungen stattgefunden hätten, gestützt auf ein Rechtshilfeersuchen deutscher Behörden. Der Hintergrund seien Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften Köln und Frankfurt/Main im Zusammenhang mit Cum/Ex-Geschäften von Anlagefonds. Die Bank kooperiere uneingeschränkt bei den Ermittlungen, sagte eine Sprecherin.
Die Cum/Ex-Geschäfte stammten aus einer Zeit, als das Institut noch im Besitz der Rabobank gewesen sei, teilte J. Safra Sarasin weiter mit. Es habe die Produkte weder aufgesetzt noch verwaltet. Allerdings wurden sie von der Bank vertrieben. Bei dem Fonds handelt es sich um ein Produkt des Luxemburger Anbieters Sheridan. Die Bank hatte in der Vergangenheit betont, dieses Vehikel sei zu der Zeit, als es Investoren zum Kauf zur Verfügung gestanden habe, einer von mehreren ähnlichen Fonds gewesen, die als legitime Anlagemöglichkeiten nach deutschem Wertpapier- und Steuerrecht angesehen worden seien.
Gemäss der Meinung deutscher Staatsanwälte handelt es sich in diesem Fall um Abgabebetrug, und der ist aus Schweizer Sicht rechtshilfefähig. Anleger, welche in den Anlagefonds Geld investiert hatten, erhielten die Verrechnungssteuer auf Dividenden zweimal erstattet. Die Abteilung Rechtshilfe der Zürcher Staatsanwaltschaft musste lediglich in einer sogenannten Prima-facie-Beurteilung abschätzen, ob das angebliche Delikt auch in der Schweiz strafbar wäre. Offenbar ist sie mit Unterstützung der Eidgenössischen Steuerverwaltung zu diesem Schluss gekommen. Das endgültige Urteil werden deutsche Gerichte sprechen.
Umstritten ist in Deutschland allerdings, ob die Transaktionen überhaupt illegal sind. Die sogenannten Cum/Ex-Geschäfte werden über Leerverkäufe von Aktien getätigt. Ein Aktionär verkauft also ein Wertpapier, dass er noch gar nicht besitzt. Bei Cum/Ex-Geschäften geschieht das kurz vor dem Dividendenstichtag. Um diesen Termin gibt es so, wirtschaftlich betrachtet, zwei Eigentümer derselben Aktie: den Leerverkäufer und der Investor, bei dem er sich das Papier noch beschaffen muss. Investoren haben sich dies zunutze gemacht, indem beide Seiten die Verrechnungssteuer zurückverlangt haben.
Der Gesetzgeber in Deutschland wusste um diese Praxis und hat ab 2007 sowohl den Aktieninhaber als auch den Leerverkäufer besteuert. Dabei nahmen die Behörden aber bewusst in Kauf, dass sie Geschäfte, die über ausländische Depotbanken abgewickelt wurden, nicht erfassen konnten. Oder anders gesagt: Der Gesetzgeber hat die Transaktionen nicht als illegal erklärt und sie in der Folge abgeschafft, sondern sie einfach doppelt besteuert.
Aus Finanzkreisen war zu hören, die Safra-Familie sei zunehmend verärgert darüber, mit dem Kauf von Sarasin Altlasten übernommen zu haben. Die brasilianische Familie gilt als öffentlichkeitsscheu, so dass ihr negative Schlagzeilen erst recht ungelegen kommen.
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