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Samstag, 25. Oktober 2014

Ohne Vorsatz keine Beihilfe Wenn ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten in Deutschland ein Dossier für die Selbstanzeige zusammenstellt, muss er die Bescheinigungen der Bank über seine Erträge (für mindestens die letzten fünf Jahre) beilegen. Es geht darum, falsche Angaben zu berichtigen, damit die Behörde die Steuern festlegen kann. Wer nicht alle Erträge offenlegt, kann – wie Uli Hoeness, der frühere Präsident von Bayern München – nicht auf Straffreiheit hoffen. Laut Gereon Temme, Rechtsanwalt in Köln, interessiert es die Steuerbehörde bei Selbstanzeigen nicht, welchen persönlichen Bankberater der Mandant in der Schweiz oder anderswo hatte. Das Finanzamt sei keine Strafverfolgungsbehörde, sagt er.

Nach der Verhaftung eines Vontobel-Direktors

Keine Anzeichen für eine Klagewelle in Deutschland

Steht die Verhaftung eines Vontobel-Mitarbeiters für eine Zuspitzung im Steuerstreit mit Berlin?
Steht die Verhaftung eines Vontobel-Mitarbeiters für eine Zuspitzung im Steuerstreit mit Berlin? (Bild: Imago)
Steht die Verhaftung eines Vontobel-Mitarbeiters für eine Zuspitzung im Steuerstreit mit Berlin? Im Vergleich mit den USA gibt es einen wichtigen Unterschied: Wer sich als Steuersünder anzeigt, muss keine Angaben über seine Banker machen.
Fast 100 000 Steuersünder haben sich in Deutschland seit Anfang 2010 bei ihren Finanzämtern angezeigt und so ihre Vermögen dem Fiskus offengelegt. Laut der«Welt am Sonntag» sind es 2014 bereits 32 000 – im gesamten Vorjahr waren es 24 000 gewesen. Diese Personen müssen Steuern (inklusive Zinsen) nachzahlen. In schweren Fällen wird ein Zuschlag fällig. An Offenlegungsprogrammen der Amerikaner haben sich bisher gut 45 000 Steuersünder beteiligt. Die von den US-Behörden gewonnenen Informationen werden oft als Quelle für das Vorgehen gegen Schweizer Banken und Banker angeführt. Ist dies in Deutschland ebenfalls so? Und muss man nach der Verhaftung eines Vontobel-Devisenhändlers auf deutsches Geheiss hin in Polen mit einer Welle ähnlicher Fälle rechnen?

Ohne Vorsatz keine Beihilfe

Wenn ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten in Deutschland ein Dossier für die Selbstanzeige zusammenstellt, muss er die Bescheinigungen der Bank über seine Erträge (für mindestens die letzten fünf Jahre) beilegen. Es geht darum, falsche Angaben zu berichtigen, damit die Behörde die Steuern festlegen kann. Wer nicht alle Erträge offenlegt, kann – wie Uli Hoeness, der frühere Präsident von Bayern München – nicht auf Straffreiheit hoffen. Laut Gereon Temme, Rechtsanwalt in Köln, interessiert es die Steuerbehörde bei Selbstanzeigen nicht, welchen persönlichen Bankberater der Mandant in der Schweiz oder anderswo hatte. Das Finanzamt sei keine Strafverfolgungsbehörde, sagt er.
Auf den Bescheinigungen der Banken erscheine der Name des Kundenberaters oder Bearbeiters üblicherweise nicht, erläutert Temme. Sobald die Selbstanzeige wirksam werde, sei die Sache für das Finanzamt erledigt. Er kenne aus seiner Kanzlei keinen Fall, bei dem Staatsanwälte oder Steuerfahnder bei ihm vorstellig geworden seien, um den Namen von Bankberatern herauszufinden. Um von der Straffreiheit zu profitieren, ist es in Deutschland somit keine Voraussetzung, dass man den Bankmitarbeiter nennt – dies ist ein entscheidender Unterschied zum amerikanischen Programm. Damit verfügen deutsche Behörden über viel weniger Informationen als amerikanische.
Anders gelagert ist der Fall, wenn die Selbstanzeige – wie im Fall Hoeness – nicht wirksam wird. So hatte Hoeness nicht von Anfang an alle Karten auf den Tisch gelegt und wurde schliesslich wegen Steuerhinterziehung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Hier hat die Staatsanwaltschaft den Mitarbeiter bei der Bank Vontobel ermittelt, der sich um Hoeness' Devisentransaktionen kümmerte, und ihn soeben in Polen verhaften lassen. Der Vorwurf lautet auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
Damit jemand dafür belangt werden kann, muss er laut dem Juristen Johannes Kaspar von der Universität Augsburg mit «doppeltem Vorsatz» gehandelt haben. Dies schliesst das Wissen um die Tat und das Fördern dieser Tat ein. Bankmitarbeiter müssen also zumindest billigend in Kauf genommen haben, dass sie ihrem Kunden bei der Steuerhinterziehung helfen. Das liegt nahe bei der Verschleierung oder Anonymisierung von Transaktionen, um diese vor der Steuerbehörde zu verheimlichen. Auch sonstige verdächtige Begleitumstände könnten Vorsatz begründen, doch müsse dieser bei einem Prozess vom Gericht anhand konkreter Beweise festgestellt werden.
Wenn ein Banker indes nur reguläre Aufträge eines Kunden entgegennehme und ausführe, Letzterer das Geld dann aber nicht versteuere, reiche dies alleine nicht aus. Das Versteuern der Erträge sei die Pflicht des Kunden und nicht seines Bankers, erklärt Kaspar. Für den Tatbestand der Beihilfe zur Steuerhinterziehung spielt es im Übrigen keine Rolle, wo diese stattgefunden hat – ob in Deutschland oder in der Schweiz –, hält die Abgabenordnung fest.

Einzelfälle statt Klagewelle

Eine «Klagewelle» à la USA gegen Schweizer Banker ist in Deutschland somit kaum zu erwarten. Mit einzelnen Fällen ist eher im «Windschatten» von Prozessen wie jetzt gegen Uli Hoeness zu rechnen. Dazu kommt, dass sich die UBS (300 Mio. €), die Credit Suisse (150 Mio. €) und Julius Bär (50 Mio. €) mit den jeweils zuständigen deutschen Staatsanwaltschaften auf Zahlungen geeinigt haben, um die Einstellung von Strafverfahren gegen sich und ihre Mitarbeiter zu erreichen. Auch hier hatten die Behörden wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt. Die Informationen der deutschen Strafverfolger stammten dabei vom Kauf gestohlener CD mit Bankdaten.
Berlin und die anderen Staaten der G-20 haben die Schweiz ohnehin bereits fast «dort», wo man letztlich hinwill: zum gläsernen Bankkunden. So kann Deutschland schon heute von Bern Amtshilfe auch bei Steuerhinterziehung erhalten und dabei auf Verhaltensmuster zurückgreifen (sog. Gruppenanfragen). Und selbst gegen den «automatischen Informationsaustausch» sträubt sich die Schweiz nicht mehr. Die OECD gibt Gas, so dass es 2018 auch für die Schweiz so weit sein könnte.

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