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Samstag, 19. Dezember 2015

In den 1980er Jahren harrten wiederholt private Gläubiger aus und weigerten sich, einen Beitrag an die Umschuldung von Krisenländern zu leisten. Bereits 1989 entschied der IMF deshalb, auch dann Kredite zu leisten, wenn ein Land gegenüber privaten Gläubigern in Zahlungsverzug geriet. In Bezug auf staatliche Gläubiger stellte sich das Problem von «Holdouts» nicht in derselben Form, weil der Pariser Klub lange Zeit als Mechanismus diente, um unter staatlichen Gläubigern Probleme des kollektiven Handelns zu vermeiden.

Änderung der IMF-Kreditvergabepolitik
Keine «Lex Ukraine»

IMF-Gelder sollen künftig auch dann fliessen können, wenn das Krisenland nicht mit all seinen Gläubigern im Reinen ist. Schuldenkrisen sollen so weniger Kosten verursachen.
  • von Martin Lanz, Washington
Der Internationale Währungsfonds (IMF) hat seine langjährige Politik, keine Hilfskredite an Länder zu vergeben, die gegenüber staatlichen Gläubigern im Zahlungsverzug sind, umgestossen. Am Donnerstag haben sich IMF-Vertreter gegen Vorwürfe gewehrt, es handle sich um einen politischen Entscheid zugunsten der Ukraine, wo der Streit um den «Russland-Bond» die Auszahlung von weiteren IMF-Hilfen zu blockieren drohte. Das Problem des kollektiven Handelns in Schuldenkrisen bestehe seit langem, sagte IMF-Chefjurist Sean Hagan. Tatsächlich hat der IMF bereits im Mai 2013, also lange vor dem «Russland-Bond», eine weitreichende Diskussion über seine Kreditvergabe in Schuldenkrisen angestossen.
Die Politikänderung fördere die Lösung von Schuldenkrisen, weil damit die Anreize für ein gemeinsames Vorgehen der staatlichen Gläubiger gestärkt und die Hürden für ein finanzielles Engagement des IMF reduziert würden, ist der IMF überzeugt. Sie sei aber nicht als grundsätzliche Billigung von Zahlungsverzügen misszuverstehen.
Im Kern geht es dem IMF darum, das Problem von «Holdouts», also von ausharrenden Gläubigern, anzugehen. Bisher war es möglich, dass eine Gläubigerminderheit einen IMF-Kredit zugunsten eines Krisenlandes blockieren konnte, auch wenn eine Gläubigermehrheit bereit war, ihre Forderungen zu restrukturieren. Diese Vetomöglichkeit verleitete zum Abseitsstehen bei Schuldenverhandlungen, weil Aussicht darauf bestand, von einem Schuldner mehr Geld zurückzuerhalten, als dies im Rahmen einer Umschuldung der Fall gewesen wäre.
In den 1980er Jahren harrten wiederholt private Gläubiger aus und weigerten sich, einen Beitrag an die Umschuldung von Krisenländern zu leisten. Bereits 1989 entschied der IMF deshalb, auch dann Kredite zu leisten, wenn ein Land gegenüber privaten Gläubigern in Zahlungsverzug geriet. In Bezug auf staatliche Gläubiger stellte sich das Problem von «Holdouts» nicht in derselben Form, weil der Pariser Klub lange Zeit als Mechanismus diente, um unter staatlichen Gläubigern Probleme des kollektiven Handelns zu vermeiden.
Mit der zunehmenden Bedeutung von Nicht-Pariser-Klub-Gläubigern wie China, Brasilien oder Indien ist das nicht mehr der Fall. Der IMF will mit seiner Politikänderung der dadurch gestiegenen Gefahr von «Holdouts» Rechnung tragen. Ganz ohne Bedingungen kommt die Anpassung aber nicht. Denn Kredite an säumige Länder sollen nur dann möglich sein, wenn ein dringender Bedarf für IMF-Hilfen besteht, beziehungsweise wenn es als zu kostspielig erscheint, darauf zu warten, dass sich das Schuldnerland mit all seinen Gläubigern einigt. Es muss aber Gewissheit darüber bestehen, dass das Schuldnerland glaubhafte Anstrengungen unternimmt, sich mit ausharrenden Gläubigerländern zu einigen. Solche Kredite dürfen zudem künftige Bemühungen des IMF, staatliche Gläubiger für Finanzhilfepakete zugunsten von Krisenländern zu gewinnen, nicht untermauern. Die Luftigkeit dieser Bedingungen macht deutlich, dass ein grosser Ermessensspielraum bleibt.

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