21.04.2012 · Viele Griechen glauben, dass Deutschland an den Rettungspaketen für ihr Land gut verdient - und im Wahlkampf werden sie von Politikern darin bestärkt.
Von Michael Martens, Athen
© dapd
In der Phantasie vieler Griechen verdient Deutschland sich an der Rettung ihres Landes dumm und dämlich
Wer in diesen Wochen als Deutscher in Griechenland unterwegs ist, wird einem Gespräch über die Schuldenmalaise schwerlich entgehen. Häufig taucht in solchen Gesprächen ein in Frageform verkleideter Vorwurf auf: Wie es Deutschland eigentlich verantworten könne, aus der finanziellen Not Griechenlands auch noch Kapital zu schlagen? So oder ähnlich fragen der Bürgermeister der thrakischen Provinzstadt, der Sitznachbar im Zug, der Hotelbesitzer, der Tankwart oder der ehemalige Gastarbeiter, mit dem man zufällig ins Gespräch geraten ist. Die erstaunte Nachfrage, woher diese Überzeugung stamme, wird sinngemäß ungefähr so beantwortet: Deutschland könne sich schließlich zum Nulltarif Geld an den Finanzmärkten beschaffen, gebe das Geliehene aber nur zu einem Wucherzinssatz an Griechenland weiter. So erwirtschafte Berlin viele hundert Millionen, in der Phantasie besonders kühner Gesprächspartner sogar mehrere Milliarden Euro Gewinn pro Jahr.
Das ist keine obskure Minderheitenmeinung, sondern die feste Überzeugung vieler Griechen. Sie stammt aus der Boulevardpresse, aber auch von der politischen Führung des Landes. Kein Geringerer als Evangelos Venizelos, bis vor kurzem Finanzminister sowie stellvertretender Regierungschef Griechenlands und inzwischen Spitzenkandidat der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok) für die Parlamentswahl am 6. Mai, behauptete in einem im „Spiegel“ erschienenen Interview, der deutsche Steuerzahler profitiere „von der guten Geldanlage“ Berlins: „Der deutsche Finanzminister kann sich fast kostenlos Geld leihen und gibt es für ein paar Prozent Zinsen an uns weiter. Deutschland hat in den vergangenen zwei Jahren bereits rund 400 Millionen Euro an uns verdient.“
© AFP
Auch Finanzminister Venizelos behauptet, der deutsche Steuerzahler profitiere von der „guten Geldanlage“ Berlins in Athen
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/griechenland-der-400-millionen-euro-mythos-11724499.html
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