Saudi-ArabienDer tote König und der Ölpreis
Eine Phase der Unsicherheit fürchten Ölexperten nach dem Tod Abdullahs. Ob das Königreich seinen Preiskrieg gegen Iran und die amerikanische Fracking-Industrie weiterführt, ist unklar.
23.01.2015, von MARKUS BICKEL, KAIRO
Die positive Reaktion der Märkte könnte täuschen. Um 3,1 Prozent stiegen die Preise für Erdöl in New York und um 2,6 Prozent in London leicht, nachdem der Hof in Riad in der Nacht auf Freitag die Nachricht vom Tod des saudi-arabischen Königs Abdullah bekannt gegeben hatte. Die vom Herrscherhaus verbreitete Lesart eines geregelten, reibungslosen Übergangsschien die Händler überzeugt zu haben. Schließlich ist der 79 Jahre alte Nachfolger des verstorbenen Herrschers, Salman, kein Unbekannter: Als Kronprinz und Verteidigungsminister hatte er bereits in den vergangenen Jahren Führungsverantwortung übernommen.
Doch die Anfälligkeit des Ölpreises für Schwankungen dürfte durch das Ableben des erfahrenen Königs Abdullah eher steigen, fürchten Fachleute. Noch vor seiner Erkrankung hatte der 91 Jahre alte Machthaber im November auf einer Tagung der Erdöl exportierenden Länder (Opec) durchgesetzt, dass Saudi-Arabien an seiner Förderquote festhält. 9,5 Millionen Barrel am Tag produzierte das Land allein im Dezember, fast ein Drittel der 30,2 Millionen, die aus den Opec-Ländern insgesamt auf die Weltmärkte kamen. Damit wurde der Preisverfall des Rohstoffs auf einen Wert unter fünfzig Dollar zementiert.
Kommt ein neuer Ölminister?
Eine unmittelbare Abkehr von der Förderpolitik seines Vorgängers gilt zwar als unwahrscheinlich. Als wichtig erachten Fachleute vor allem die Frage, ob der neue König Salman den langjährigen und einflussreichen Energieminister Ali Al-Naimi im Amt halten wird. Salman selbst hatte in einer Rede Anfang Januar angesichts von „Spannungen“ auf den Märkten durch geringes Wachstum der Weltwirtschaft den Kurs des Königreichs verteidigt. Doch auch ureigenen Interessen spielen eine Rolle: Der regionale Rivale um die Hegemonie im Mittleren Osten, Iran, sollte ebenso zurückgedrängt werden wie Russland. Zu stark war zudem der Druck der amerikanischen Fracking-Industrie geworden, die durch die Niedrigpreispolitik der arabischen Golf-Staaten heftige Verluste erlitten hat. Dennoch stiegen die Vorräte an Rohöl in den Vereinigten Staaten im Januar um 10,1 Millionen Barrel, der höchste Zuwachs seit 2001.
Abdullah war es seit seinem Amtsantritt 2005 gelungen, die saudische Wirtschaft um ein fünffaches zu erweitern. Den arabischen Aufständen, die zunächst eine Stärkung auch für das Königreich bedrohlicher islamistischer Gruppen wie die Muslimbruderschaft mit sich brachte, begegnete er mit einer Mischung aus Repression und Spendierlaune: Die Gehälter Staatsbediensteter erhöhte er 2011 erheblich, um Unruhen aus dem eigenen Land fernzuhalten. Diese Politik lässt sich auf Dauer jedoch nicht durchhalten, zumal die Reserven des reichen Königreichs die Auswirkungen niedrige Ölpreise längerfristigen auch zu spüren bekommen.
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Eine „Phase der Unsicherheit“ einleiten dürfte die Machtübergabe in Riad, sagt Andy Lipow von der Energiefirma Lipow in Houston. Die „dickköpfige“ Reaktion der Märkte sei lediglich ein Ausdruck davon, dass nicht klar sei, inwieweit die bisherige Preispolitik fortgeführt werde. Auch die Zukunft von Ölminister Ali Al Naimi gilt als unklar. Seit 1995 hatte er die Geschickte des größten Erdölexporteurs der Welt gelenkt.
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