Saxo Bank setzt ultimativ Zahlungsfrist bis Freitag
Gecrashtes Tradinghaus droht Kunden – verweist auf Vertrag, dort steht Wischiwaschi – intransparente Franken-Kurse.
Die dänische Saxo Bank mit starkem Ableger in Zürich-Zollikon erhöht den Druck auf ihre Trading-Kunden, die durch den Franken-Schock tief ins Minus fielen.
Diesen werden scharfe Massnahmen angedroht. “Die Saxo Bank ersucht um Zahlung des Betrags in Höhe von CHF (…) bis zum Freitag 23. Januar 2015 um 16:00 CET”, steht in Mails vom Sonntag.
Wer nicht spurt, muss mit Klagen rechnen. “Im Falle einer Nichtzahlung oder unvollständigen Zahlung des oben genannten Betrags (…) wird die Saxo Bank Massnahmen ergreifen, um den oben genannten Schuldbetrag einzufordern”, steht im Schreiben.
Die Bank, die durch ihr Computersystem rasch zu den führenden, aber kaum regulierten Retail-Tradinghäusern aufgestiegen ist, beruft sich bei ihrem Vorstoss auf Verträge mit den Kunden.
Basis sind wie immer die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Dort verweist die Saxo Bank auf Marktrisiken, die der Kunde zu tragen habe.
Dabei öffnet sie Tür und Tor für eine rückwirkende und damit willkürliche Preisfixierung.
Es sei “unter Umständen eine nachträgliche Änderung oder Stornierung (…) möglich”, heisst es in den AGB, und zwar “insbesondere (…) bei Vorliegen einer besonderen Marktlage (…)”.
Vor einer Woche löste die Nationalbank um 10.30 Uhr ihre dreieinhalbjährige Euro-Untergrenze überraschend auf. Innert Sekunden stürzte der Euro von 1,20 Franken in die Tiefe. Auch die Aktien an der Schweizer Börse verloren massiv.
Die Frage ist, was unter “besonderer Marktlage” zu verstehen ist. Die Formulierung ist ein Steilpass für eine Juristenschlacht.
Konkurrenten der Saxo vermeiden das. “Keine Requotes von Schweizer Franken”, wirbt das Tradinghaus Oanda auf ihrer Webseite. Negative Kontostände würden “bereinigt”, sofern die Regulatoren dies zuliessen.
Die Saxo Bank will nichts von freiwilligem Verzicht wissen. Sie gab diese Woche zu, wegen dem Franken-Anstieg Verluste gemacht zu haben. Die Verantwortlichen betonten, dass die Bank genügend Kapital dafür habe.
Viele Kunden der Saxo und anderer Banken hatten seit der garantierten Untergrenze Puts auf den Euro bei 1,20 Franken geschrieben. Sie verpflichteten sich damit, den Euro zu diesem Preis zu kaufen.
Für das – vermeintlich vernachlässigbare – Risiko, dass der Euro plötzlich unter 1,20 Franken fallen würde, erhielten die Put-Schreiber eine Prämie.
Damit sich der Aufwand lohnte, vergrösserten die Spekulanten ihre Euro-Franken-Wette mit Kredit. Im Fall der Saxo erhielten sie das 25-Fache des eigenen Einsatzes.
Wer also 10’000 Franken eigenes Geld investierte, dem gewährte die Saxo Bank obendrauf 250’000 Franken, damit die Spekulation das nötige Gewicht kriegte.
Dieser “Leverage” oder “Hebel”, wie das die Trader nennen, hatte die Saxo letzten Herbst um die Hälfte reduziert. Neu verlangte die Bank von den Kunden mindestens 8 Prozent Kapitaleinsatz.
Ein Kunde, der mit geschriebenen Puts – also der Verpflichtung, Euro zu 1,20 Franken zu kaufen – letzten Donnerstag unter Druck geraten war, berichtet von einem eigenartigen Kursverlauf.
Er habe die offene Position kurz nach halb elf, als die SNB ihre Massnahme bekanntgemacht hatte, bei einem Euro-Kurs von etwas unter 1,15 Franken geschlossen. Dies zeige sein “Activity log”, die Trading-Aufzeichnung in Echtzeit.
Unter dem Strich hätte der Kunde ein Minus gehabt zwischen den 1,20 Franken, zu denen er verpflichtet war, die Euros zu kaufen, und dem tieferen Kurs, zu dem er diese so schnell wie möglich losschlug.
Am Abend des Donnerstags vor einer Woche habe ihm die Saxo Bank dann mitgeteilt, dass der verrechnete Verkaufskurs rückwirkend auf etwas über 0,96 Franken pro Euro festgelegt worden sei.
Das waren fast 20 Rappen weniger als am Morgen. Für den Retail-Spekulanten hatte der massiv schlechtere Verkaufskurs dementsprechend Folgen.
Nicht nur war sein ganzes eigenes Geld weg, sondern der Kredit der Saxo hatte sich zu einem rechten Teil ebenfalls in Luft aufgelöst.
Ein Saxo-Mitarbeiter meldete sich am gleichen Abend telefonisch beim Trader, sagt dieser. Das Minus auf dem Konto müsse rasch aufgefüllt werden, habe der Saxo-Mann gefordert.
Am Sonntag folgte dann per Mail die Androhung von “Massnahmen”, falls das Geld nicht innert Tagen überwiesen würde.
Ein Kundin berichtet von einem anderen Erlebnis der eigentümlichen Art. Sie hatte auf – im Rückblick richterweise – sinkenden Euro gesetzt.
Die Hobby-Traderin hatte knapp unter der 1,20er-Barriere einen Euro-Verkaufsauftrag im Computer-System der Saxo erfasst. Sie ging also “Short” in Euro.
Das sei nichts Waghalsiges gewesen, da der Euro auch während der Zeit mit SNB-Untergrenze kurzzeitig immer mal wieder unter die Interventionsgrenze gefallen sei, beispielsweise im Vorfeld der Goldinitiative.
Als der Euro vor Wochenfrist im freien Fall war, wurde der erfasste Euro-Verkaufsauftrag nicht bei knapp 1,20 Franken ausgeführt, sondern bei 0,96 Franken – dem gleichen Kurs wie im ersten Beispiel.
Weil danach der Euro sich leicht erholte und die Kundin noch eine andere Position offen hatte, geriet sie per Saldo ins Minus.
Der Vorwurf, dass die Kundin selbst schuld ist, zielt ins Leere. Sie lag mit ihrer Spekulation, den Euro zu verkaufen, sobald dieser unter 1,20 Franken fallen würde, genau richtig.
Umgekehrt bedeutete das Geschäft für ihre Gegenpartei Saxo Bank einen Verlust. Sie kaufte den Euro viel zu teuer.
Statt den Schaden selbst zu tragen, dreht die Saxo Bank den Spiess um. Sie passt die Kurse im Nachhinein an, sodass sie selbst gewinnt statt verliert.
Das hätte die Bank kaum getan, wenn der Euro nicht gesunken, sondern gestiegen wäre. Dann hätte nämlich die Saxo gewonnen und die Kundin verloren.
“Heads I win, tails you lose”, lautet ein Bonmot im Banken-Trading und meint, dass der Banker in jedem Fall gewinnt.
Bei der Saxo scheint dies immer dann zu gelten, wenn die Marktlage “besonders” ist.
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