Gestern stand CS-Computer 9 Stunden still
Blackout von 7 bis 16 Uhr – keine Mails, Börsenaufträge am Telefon – macht Sparwut Informatik zum nächsten Grossrisiko?
Die Credit Suisse erlebte gestern ihren IT-Crash. Nach einem Netzwerkausfall in der Schweiz standen ihre Systeme stundenlang still.
Von 7 Uhr am Morgen bis um 4 Uhr am Nachmittag ging praktisch nichts mehr innerhalb des Heimmarkts, wo die CS rund 20’000 Mitarbeiter beschäftigt. Keine Mails, kein Zugriff auf Daten, nichts.
Selbst im Börsenhandel, der seit Mitte der 1990er Jahre elektronisch läuft, war Mattscheibe. Die CS-Trader mussten auf Telefonhandel umstellen.
Das führte zu einer massiv verlangsamten Abwicklung. Schäden durch fehlerhafte Deals sollen keine entstanden sein.
Offiziell gab es gestern Abend keinen Kommentar von der Bank. In internen Sprachregelungen war die Rede von “technischen Problemen”.
Das System in der Schweiz sei mehrere Stunden lang “down” gewesen und habe jeweils nur kurzzeitig benutzt werden können, hiess es.
IT-Ausfälle bei Banken, bei deren die Elektronik das Rückgrat bildet, sind nicht hundertprozentig vermeidbar. Zu gross und komplex sind die Systeme geworden, vor allem bei den Grossbanken.
Doch was die CS gestern erlebte, fällt nicht mehr in die Kategorie der Probleme, mit denen eine Bank leben muss.
Der fast vollständige Ausfall des gesamten Schweizer Systems wirft die Frage auf, ob die Bank ein neues Grossrisiko hat: ihre Informatik.
Besonders zu reden gibt, dass selbst das uralte Wertschriften-System der CS, das bis gestern als praktisch ausfallsicher galt, im akuten Crash ebenfalls seinen Geist zeitweise aufgegeben hat.
Dieses läuft sonst auch dann noch, wenn rund herum die modernen Front-Applikationen mit ihren aufgepeppten Bildschirm-Masken schlapp machen.
Was also ist los mit der Informatik der Credit Suisse?
Bei Insidern stehen mehrere Thesen im Raum. Die problematischste ist die Kosten-Erklärung.
Unter dem angelsächsischen Finanz-Kommando von CFO-General David Mathers und Sanierungs-Haubitze Kirsty Roth hat die CS in den letzten Jahren den Rotstift stark in der IT angesetzt.
Der Paukenschlag erfolgte 2012, als der langjährige Informatik-Chef und Mitglied der obersten Führung, Karl Landert, von einem Tag auf den anderen Geschichte war.
Statt einen Nachfolger einzusetzen, bestimmte Finanzchef Mathers, der als rechte Hand von CEO Brady Dougan gilt, drei IT-Offiziere. Sie alle rapportierten an Mathers, der die IT-Zügel straff in die Hand nahm.
Die Folge waren massive Abstriche. Über seine Kosten-Schleiferin Kirsty Roth schnitt Mathers alles an vermeintlichem Fett und Leerlauf heraus, was ihm auf den Tisch kam.
Nur so war es Finanzchef Mathers möglich, den Investoren der CS, die seit Jahren den Kurs ihrer Aktien in den Keller sinken sehen, Milliarden an Kosteneinsparungen zu versprechen – egal, wie absurd die Sparbemühungen schienen.
Mathers, so heisst es aus IT-Kreisen der CS, verstehe sein Geschäft. Also die Zahlen. Was er und Kirsty Roth unterschätzen würden, sei das Risiko.
“Wir nähern und dem Punkt, an dem die IT kollabiert”, sagte eine Quelle vor eine paar Wochen im Gespräch. Bei einem Totalausfall hätte die CS genau 48 Stunden Lebenszeit, um den Ausfall durch nachzuholende Tagesendverarbeitungen wettzumachen.
Gestern erhielten Mathers und seine Kostenmanager einen Vorgeschmack auf dieses Horror-Szenario. Die Bank kollabierte nicht, aber sie stand einen Tag lang weitgehend still.
Die zweite These, weshalb es zum faktischen Totalausfall gekommen ist, zielt in Richtung eines ambitiösen IT-Umbaus, der dieses Jahr zur zentralen Herausforderung für die neue Tochterbank CS Schweiz AG wird.
Obersparer Mathers hat gegen Ende 2014 erkannt, dass er möglicherweise zu weit gegangen war mit der Auslagerung von IT-Jobs nach Indien und an externe Berater. Am Ende lagen die Kosten eher höher.
Folge war das Projekt “Digital Private Bank”, für das verteilt bis 2018 fast eine halbe Milliarde Franken aufgeworfen wird.
Kernstück der Offensive ist erstens die Zusammenlegung der über die Schweiz verteilten Server auf einen Grossrechner im CS-Rechenzentrum in Zürich, zweitens die Digitalisierung aller Front-Applikationen in der Vermögensverwaltung.
Nun könnte sich die CS zu schnell ans Werk gemacht haben. Der Blackout von gestern stünde dann im Zusammenhang mit der Server-Zentralisierung oder dem Aufpeppen der Front.
Jeder Vermögensverwalter in der Schweiz wurde kürzlich mit einem iPad ausgerüstet. Dies geschah im Zuge der Beratungs-Offensive namens “CS Invest”.
Mit den Hand-Computern sollen die CS-Berater ihren Kunden im Beratungsgespräch Eindruck machen können. Doch die Anbindung ans System könnte trickreich sein. Die Geräte greifen auf den Host zu, um Kunden- und Marktdaten abzurufen.
Möglicherweise passierte der gestrige Crash infolge einer fehlerhaften Schnittstelle. Dann hätte die CS überhastet eine Neuerung eingeführt, um sich als moderne Bank zu präsentieren.
Einziger Trost: Thank God it’s Friday. Die Bank erhält ein Wochenende Zeit, um den Fehler zu finden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen