Vorstandspflichten im Zusammenhang mit der Restrukturierung
von Anleihen
Ein Vorstand ist grundsätzlich verpflichtet, Sanierungsmaß-
nahmen einzuleiten. Sofern ein Vorstand Maßnahmen zur
Anleiherestrukturierung einleitet, gerät er zwangsläufig in ein
Spannungsfeld der Interessen der Gesellschafter und der
Gläubiger (einschließlich der Anleihegläubiger). In der Unternehmenskrise
sind die Gläubiger regelmäßig die „wirtschaftlichen
Eigentümer“ des Unternehmens.
Pflicht zur Sanierung
Für den Vorstand besteht die Pflicht, ein Überwachungssystem
zu implementieren, um bestandsgefährdende Risiken
der Gesellschaft frühzeitig erkennen zu können (§ 91 Abs. 2
AktG). Ferner hat der Vorstand den hälftigen Verlust des
Grundkapitals anzuzeigen und in diesem Zusammenhang
eine Hauptversammlung einzuberufen (§ 92 Abs. 1 AktG).
Nicht zuletzt aus diesen Pflichten wird eine allgemeine Pflicht
des Vorstands abgeleitet, bereits bei Vorliegen einer betriebswirtschaftlichen
Krise Sanierungsmaßnahmen einzuleiten.
Bei einer Gesellschaft in der Krise, die zur Fremdkapitalfinanzierung
eine Anleihe emittiert hat, konkretisiert sich die Vorstandspflicht
zur Sanierung regelmäßig dahingehend, dass
der Vorstand eine Anleiherestrukturierung in die Wege zu
leiten hat. In Betracht kommen insoweit insbesondere
Maßnahmen nach § 5 Abs. 3 SchVG (z.B. Veränderung der
Fälligkeit, Verringerung der Hauptforderung, Umtausch in
Gesellschaftsanteile).
Fokussierung auf Gläubigerinteressen
In der Unternehmenskrise verändert sich der Einfluss der
einzelnen Stakeholdergruppen innerhalb der Gesellschaft.
Die Gläubiger, einschließlich der Anleihegläubiger, gewinnen
an Einfluss und werden diesen bei der finanziellen Restrukturierung
der Gesellschaft durchsetzen. Die Gesellschafter
als Eigenkapitalgeber sind hingegen „aus dem Geld“ und
müssen gemeinsam mit den Gläubigern einen Weg aus der
Krise finden. Hierbei werden die Eigenkapitalgeber regelmäßig
erhebliche Zugeständnisse machen müssen. Aufgabe
des Vorstands ist es, den Stakeholdern einen ausgewogenen
Restrukturierungsvorschlag zu unterbreiten, den Weg zu
einer Einigung aktiv zu moderieren und das vereinbarte
Restruk turierungskonzept umzusetzen.
Vor diesem Hintergrund kann der Vorstand sein Handeln nicht
mehr primär am Gesellschafterinteresse ausrichten; vielmehr
hat der Vorstand sich verstärkt an den Interessen der Gläubiger
zu orientieren.
Fortlaufend zu wahrende positive
Fortführungsprognose
Der Vorstand hat in der Unternehmenskrise regelmäßig zu
prüfen, ob eine Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit
oder Überschuldung besteht. In Bezug auf eine
etwaige insolvenzrechtliche Überschuldung wird er besonderes
Augenmerk auf das Vorliegen einer positiven Fortführungsprognose
legen müssen. Diese kann gegeben sein,
wenn der Vorstand das Restrukturierungskonzept im geplanten
zeitlichen Rahmen umsetzt.
Fazit
In der Unternehmenskrise steigen die Anforderungen an den
Vorstand. Er ist verpflichtet, sämtliche Maßnahmen zur Unternehmenssanierung
in die Wege zu leiten. Wenn das Unternehmen
eine Anleihe begeben hat, ist der Vorstand verpflichtet,
eine Anleiherefinanzierung bzw. eine Anleiherestrukturierung
in die Wege zu leiten. In der Unternehmenskrise und
bei der Entwicklung des Restrukturierungskonzepts hat der
Vorstand im Spannungsfeld zwischen Gesellschaftern und
Gläubigern sein Handeln auch maßgeblich an den Gläubigerinteressen
auszurichte
LAW CORNER
DR. CHRISTIAN BECKER, PARTNER,
LUTZ POSPIECH, RECHTSANWALT,
GÖRG PARTNERSCHAFT VON
RECHTSANWÄLTEN MBB, MÜNCHEN
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