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Dienstag, 13. November 2012

In Anbetracht solcher und anderer Unwägbarkeiten hat sich Griechenland dafür entschieden, die Mitwirkung der Gläubiger verschiedener Anleihen per Gesetz anzuordnen. Den betroffenen Gläubigern blieb nichts anderes übrig, als ihre Anleihen in neue Anleihen mit schlechteren Konditionen zu tauschen, was einem Forderungsverzicht gleichkam. Die gerichtliche Aufarbeitung dieser Zwangsumschuldung steht noch aus.



Die Restrukturierung von Staatsanleihen im Euroraum

Von Rechtsanwalt Dr. Manuel Nodoushani, M.A., LL.M., Frankfurt a.M.


II. Hold out-Strategie

Der Vorteil von Collective Action Clauses zeigt sich bei einem Blick auf die Restrukturierung griechischer Staatsanleihen, die zur Eindämmung der dortigen Staatsschuldenkrise erforderlich war. Die Restrukturierung dieser Anleihen wurde dadurch erschwert, dass sie keine Collective Action Clauses enthielten. Aus diesem Grund konnten strategische Investoren geltend machen, dass die Anleihebedingungen nur mit Zustimmung aller Gläubiger geändert werden könnten. Mit ihrer Blockadehaltung wollten sie eine Rückzahlung der Anleihen zum Nennwert erreichen. Auf diese Weise hätten die Investoren ein lukratives Geschäft gemacht, denn sie hatten sich vorher zu Niedrigpreisen mit Anleihen eingedeckt. Diese Blockadestrategie ist bei der Restrukturierung von Anleihen ein bekanntes Phänomen und wird als „hold out“ bezeichnet. Erneut stelle sich daher die Frage, wie Emittenten auf die hold out-Strategie sinnvoll reagieren können. Darüber wird schon seit den Schuldenkrisen südamerikanischer Schwellenländer in den neunziger Jahren diskutiert. Als Lösung wurden immer wieder Collective Action Clauses ins Spiel gebracht. Für sie sprach sich der Internationale Währungsfonds ebenso aus, wie eine von den G 10 eingesetzte Arbeitsgruppe, und auch auf EU-Ebene haben Collective Action Clauses Befürworter gefunden. Der ESM-Vertrag und in seinem Fahrwasser der Gesetzesentwurf der Bundesregierung setzen diese Forderungen nun mit der Maßgabe um, dass Umschuldungsklauseln im Euro-Währungsgebiet flächendeckend verwendet werden können. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs verspricht man sich davon, dass ausstehende Kapitalmarktverbindlichkeiten bei Zahlungsschwierigkeiten des Emittenten reduziert werden können, ohne dass es zu einem hold out durch Minderheitsgläubiger kommt. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass genügend Gläubiger eine Restrukturierung der Anleihe mittragen. Insoweit kommt




es darauf an, welche Mehrheitserfordernisse Collective Action Clauses vorsehen. Wenn einem Restrukturierungsbeschluss zum Beispiel 66 % oder 75 % aller Gläubiger zustimmen müssen - es handelt sich bei diesen Prozentzahlen um international übliche Quoren -, können Minderheitsgläubiger, die alleine oder im Zusammenwirken mit anderen mehr als 34 % bzw. 25 % der Stimmen auf sich vereinigen, die hold out-Strategie nach wie vor anwenden. Daher sondieren Hedgefonds den Markt für Staatsanleihen von Restrukturierungskandidaten und prüfen, ob sich der Erwerb solcher Anleihen lohnt, um eine Sperrminorität aufzubauen. Collective Action Clauses eignen sich somit zwar grundsätzlich dafür, die hold out-Strategie von Minderheitsgläubigern zu durchkreuzen, aber ein Allheilmittel sind sie nicht. In Anbetracht solcher und anderer Unwägbarkeiten hat sich Griechenland dafür entschieden, die Mitwirkung der Gläubiger verschiedener Anleihen per Gesetz anzuordnen. Den betroffenen Gläubigern blieb nichts anderes übrig, als ihre Anleihen in neue Anleihen mit schlechteren Konditionen zu tauschen, was einem Forderungsverzicht gleichkam. Die gerichtliche Aufarbeitung dieser Zwangsumschuldung steht noch aus.
Teilweise sieht man den Vorteil einer flächendeckenden Verwendung von Collective Action Clauses speziell darin, dass sich wirtschaftlich schwächere Staaten dadurch leichter am Kapitalmarkt finanzieren können. Wenn sich, so der Gedankengang, Collective Action Clauses nur in den Anleihebedingungen wirtschaftlich schwächerer Staaten finden, so würde der Kapitalmarkt mit solchen Klauseln das Stigma eines Problemschuldners verbinden, der sich auf eine Restrukturierung seiner Anleihen vorbereiten will. Diese Gefahr, so wird gesagt, bestünde hingegen nicht, falls sich Umschuldungsklauseln in den Anleihebedingungen aller Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes fänden, also auch bei Emittenten mit sehr guter Bonität, wie zum Beispiel der Bundesrepublik Deutschland und anderer nordeuropäischer Staaten. Dieser Gedankenführung liegt allerdings eine optimistische Einschätzung zu Grunde, die relativiert werden muss. Denn selbst wenn Staatsanleihen aller Länder Collective Action Clauses beinhalten würden, wäre dem Markt bekannt, dass ihre Anwendung bei einigen
 Emittenten wahrscheinlicher ist als bei anderen. Daher ist nicht davon auszugehen, dass Collective Action Clauses eine Finanzierungshilfe für Staaten mit schlechter Bonität sind.



Nodoushani
Die Restrukturierung von Staatsanleihen im Euroraum
WM 2012 Heft 38, 1798

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