DüsseldorfDer Bundesgerichtshof (BGH) hat erstmals die Zuständigkeit von deutschen Gerichten bei Klagen gegen die amerikanische Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) bestätigt. Das Urteil, das dem Handelsblatt (Donnerstagausgabe) exklusiv vorliegt, könnte eine Signalwirkung für rund 50.000 Anleger in Deutschland haben, die ihr Geld durch Zertifikate der Pleitebank Lehman Brothers verloren haben.
„Das Urteil ist ein Durchbruch für Klagen gegen Ratingagenturen in Deutschland. Allen Anlegern, die sich aufgrund von Ratings für eine Kapitalanlage entschlossen haben, ist nun der Weg zu den deutschen Gerichten geebnet“, sagte der Kläger-Anwalt Jens-Peter Gieschen von der Kanzlei KWAG dem Handelsblatt.
Ein Rentner aus Norddeutschland hatte gegen die Rating-Agentur geklagt. Er fordert von S&P 30.000 Euro Schadensersatz für im Mai 2008 gekaufte Lehman-Zertifikate. Sein Vorwurf: Die Agentur habe trotz sich abzeichnender Probleme ein gutes Rating ausgestellt, darauf habe er sich verlassen. Bereits im November 2011 hatte das Oberlandesgericht Frankfurt die Klage zugelassen, S&P legte Berufung ein. Nach dem BGH-Urteil muss sich die Agentur nun in Deutschland verantworten.
Der Kläger erfuhr von dem Sieg vor Gericht während seines Urlaubs in Florida. „Ich hoffe, damit wurde ein Stein ins Rollen gebracht. Es wäre großartig, wenn durch meinen Prozess die Rolle der Ratingagenturen weiter durchleuchtet würde“, sagte er dem Handelsblatt.
Die BGH-Richter beriefen sich in ihrem Beschluss auf ein Gesetz von 1877, das für klagende „Inländer“ die Zuständigkeit deutscher Gerichte vorsieht. „Entscheidend war, dass der Kläger seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Das Gericht wertete das als hinreichenden Inlandsbezug“, sagt BGH-Sprecherin Dietlind Weinland. Standard & Poor’s gab sich auf Anfrage wortkarg. „Wir sind der Auffassung, dass diese Art Beschuldigungen völlig haltlos sind. Ansonsten kommentieren wir Rechtsangelegenheiten generell nicht“, sagte die Deutschlandsprecherin der Ratingagentur.
zumindest im Hinblick auf die Lehmann Pleite kommt dieses Urteil fur die meisten Anleger viel zu spaet. Die ansprueche sind bereits verjaehrt.
AntwortenLöschenFuer die Zukunft aber sehr erfreuliche Entwicklung fuer den anleger.
§23 ZPO: "Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet."
AntwortenLöschenes geht also nicht nur um den Wohnsitz und die Staatsangehörigkeit des Klägers, sondern vor allem um die lokale Belegenheit von Vermögen der Beklagten. Das was hier als "Vermögen" angenommen wurde, ist interessant: es sind die Abonnementverträge, die von der Agentur mit deutschen Unternehmen abgeschlossen sind. Die Ansprüche daraus, pro Vertrag 4000€, pro Jahr sind "Vermögen" iSd der ZPO. Das war die entscheidende Frage, die OLG und BGH bejaht haben. Da das bei Obsiegen im Hauptsacheverfahren gepfändet werden könnte, ist es auch sinnvoll, das Verfahren hier zu führen, zumindest ist das der Zweck dieser Regelung.
Materiell ist das Verfahren dagegen völlig offen. Ich fände es erstaunlich, wenn hier für unbeteiligte Dritte gehaftet werden soll. Der Kläger hatte ja nie irgendeine Rechtsbeziehung mit der Beklagten. Und Lehmann hatte ja auch tatsächlich noch wenige Tage vor der Insolvenz mehrere Mrd. Dollar an Barmitteln. Der Markt hat damals einfach so schnell gedreht. Aber ok, man wird sehen. Hier noch ein Aufsatz über das OLG-Urteil aus 2011, das der BGH bestätigt hat und wo das mit dem Gerichtsstand ausführlich erörtet wird: http://www.hoganlovells.com/files/Publication/5908134c-0c3d-43a0-a056-2afaef38a4f5/Presentation/PublicationAttachment/c0ab9ef6-5b19-495a-a035-4a563aa0652b/Besonderer%20Gerichtsstand%20des%20Verm%C3%B6gens,%20BB%20(04_2012).pdf