George Soros hält die Ukraine für ein Euro-Krisenland
Wenn es um die Zukunft der Euro-Zone geht, schaut alle Welt nach Griechenland. Meisterspekulant George Soros blickt in die Ukraine. Auch hier müsse der Westen mit Rettungsmilliarden einspringen.
Von Holger ZschäpitzLeitender Wirtschaftsredakteur
Ganz Europa schaut gebannt nach Griechenland. Dort sollen Ende Januar die Wahlen über das Schicksal des Landes und vermeintlich auch des Euro entscheiden.
Doch die eigentliche Gefahr für den Zusammenhalt der Währungsunion liegt viel weiter östlich. Das meint zumindest George Soros.
Die Finanzmarktlegende mahnt, dass das Schicksal der Ukraine viel elementarer für das Überleben Europas ist als der Ausgang des Dramas in Griechenland. Schließlich sei die Ukraine kriegsentscheidend für den Konflikt mit Russland. Und Russland stellt für Soros in hohem Maße eine systemische Bedrohung für Europa dar, und das nicht nur politisch und ideologisch, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht.
"Der Westen behandelt die Ukraine wie irgendein Land", moniert Soros in einem Aufsatz in der angesehenen "New York Review of Books". Doch das sei ein großer Fehler.
Soros fordert Investitionen von 50 Milliarden Euro
Sanktionen gegen Russland allein reichten nicht aus. Der Westen müsse diese auch mit einem groß angelegten Stützungsprogramm für die Ukraine begleiten.
Aus Sicht des Investors sind bis zu 50 Milliarden Euro an finanzieller Unterstützung für die Ukraine nötig, die noch im ersten Quartal des laufenden Jahres genehmigt werden müssten. Anderenfalls drohe ein Abrutschen ins Chaos.
Soros führt für seine These zwei Argumente ins Feld. Zum einen seien Hilfen für die Ukraine ein wichtiges psychologisches Signal. Spätestens dann, wenn der Westen auch mit einem sichtbaren finanziellen Einsatz den Schulterschluss mit der Ukraine suche, müsste der russische Präsident Wladimir Putin einsehen, dass seine Aggression gegen den deutlich kleineren Nachbarn keinen Erfolg habe.
Eine Pleite Russlands wäre eine Katastrophe
Zum anderen sind für Soros die bisherigen Sanktionen des Westens gegen Moskau von eher fragwürdigem Erfolg gekrönt. Zwar hätten die bisherigen Strafmaßnahmen gegen Russland wegen des Ölpreisrutsches weitreichendere Auswirkungen auf die ehemalige Supermacht, als das die westlichen Staats- und Regierungschefs intendiert hatten. Inzwischen wäre daher selbst ein Staatsbankrott Russlands "nicht überraschend".
Doch genau damit schade sich Europa in gewisser Weise selbst. Denn eine Pleite Moskaus würde das globale Finanzsystem durchschütteln und wäre insbesondere ein herber Schlag für die stark exponierten europäischen Banken.
"Russland befindet sich mitten in einer schweren Finanzkrise, die Europa endgültig in eine deflatorische Abwärtsspirale treiben könnte", warnt Soros. Zudem hätte der Kreml trotz der sanktionsbedingten Krise der Wirtschaft bisher nicht eingelenkt. Das Blatt könne sich aber wenden, wenn der Westen seine Strategie anpasse und mehr auf Hilfen für die Ukraine statt auf noch schärfere Sanktionen gegen Russland setze.
Die Finanzierung des Hilfspakets hält Soros für unproblematisch. In diversen europäischen Hilfsfonds seien gut 53 Milliarden Euro ungenutzter Mittel verfügbar. "Europa muss aufwachen und endlich einsehen, dass es von Russland attackiert wird. Hilfe für die Ukraine kann damit als eine Art Verteidigungsausgabe angesehen werden", meint er.
Soros' Wort hat Gewicht an den Finanzmärkten. Mit der "New York Review of Books" hat sich ein Medium seiner Idee angenommen, das neben Buchrezensionen für schwergewichtige politische Themenartikel bekannt ist.
Soros engagiert sich für politische Projekte
Der 84-Jährige zählt zu den erfolgreichsten Börsenspekulanten und besten Prognostiker aller Zeiten. Immer wieder spürte er ökonomische Ungleichgewichte im Weltwährungssystem auf und machte mit Wetten darauf ein Vermögen.
Seinen Ruf freilich begründete er 1992, als er mit seinem Quantum-Hedgefonds erfolgreich auf ein Ausscheiden des britischen Pfundes aus dem Europäischen Währungssystem spekulierte. An der Kapitulation der Bank von England verdiente Soros nicht nur Milliarden, sondern galt auf einen Schlag als einer der gewieftesten Investoren.
Auch an der Euro-Krise dürfte Soros den einen oder anderen Dollar verdient haben. Schon 2012 sagte er voraus, dass die Euro-Zone in die Deflation rutschen werde.
Insbesondere der von Deutschland durchgesetzte Sparkurs und die harte Haltung der Bundesbank seien tödlich für die Euro-Zone: "In der jetzigen Form treibt er die Euro-Zone in eine Deflationsspirale, die die Krise eskalieren lässt", sagte er 2012 der "Welt". Tatsächlich fielen die Preise in der Währungsunion im Dezember gegenüber dem Vorjahr um 0,2 Prozent, und auch in den kommenden Monaten dürfte sich der Preisverfall fortsetzen.
Folgen des Ölpreisverfalls
- Länder
- Unternehmen
- Importeure
- Verbraucher
In den vergangenen Jahren versuchte Soros das Image des Meisterspekulanten abzulegen und sich stärker öffentlich zu engagieren. Er finanzierte zahlreiche politische und wirtschaftliche Projekte. So unterstützt er maßgeblich das Institut für Neues Ökonomisches Denken, das nach der Finanzkrise gegründet wurde, um neue Ansätze in der Volkswirtschaftslehre zu etablieren und damit auch die Wirtschaftspolitik zu beeinflussen.
Der Ukraine droht der Staatsbankrott
Nach Berechnungen der Finanzagentur Bloomberg gehört er mit einem Vermögen von 26 Milliarden Dollar zu den 30 reichsten Menschen der Welt, und er ist einer der wenigen, der allein mit Finanztransaktionen so vermögend geworden ist. Sein Reichtum gewährt ihm die Freiheit, als eine Art Staatsmann ohne Staat um die Welt zu reisen.
Osteuropa lag dem gebürtigen Ungar schon immer ganz besonders am Herzen. Hier investiert er auch einen Großteil seiner Spenden.
Die Ukraine steht kurz vor dem Staatsbankrott. Die Märkte haben das Land bereits abgeschrieben. Die Renditen für einjährige Ukraine-Anleihen sind auf über 33 Prozent in die Höhe geschossen.
Auch die Kreditmärkte preisen Ungemach ein. Mit über 80 Prozent Pleitewahrscheinlichkeit ist die Ukraine nach Venezuela das am zweitstärksten gefährdete Land der Welt. Für Russland taxieren die Händler das Risiko eines Zahlungsausfalls auf 32 Prozent.
Die Währung Griwnia hat zum Dollar mehr als die Hälfte ihres Wertes eingebüßt. Und die Devisenreserven sind mit neun Milliarden Dollar viel zu niedrig, um einen weiteren Verfall aufzuhalten.
Für Soros ist die Ukraine politisch systemrelevant
Nach Berechnungen von JP Morgan reichen sie gerade mal aus, um 15 Prozent der Schulden abzudecken, die in den kommenden zwölf Monaten fällig werden. "Ohne eine großzügige Haltung der Gläubiger droht dem Land der Zahlungsausfall", schreibt JP-Morgan-Analyst Nicolaie Alexandru-Chidesciuc in einer Studie.
Anders als das Euro-Mitglied Griechenland gilt die Ukraine wirtschaftlich nicht als systemrelevantes Land, dessen Bankrott das Finanz- und Bankensystem mit in den Abgrund zieht. Die Wirtschaftsleistung liegt gerade mal bei 177 Milliarden Dollar. Damit rangiert das Land in einer Liga mit Vietnam.
Allerdings sieht Soros das Land durchaus als politisch systemrelevant an. Der Westen sehe sich von einem neuen strategischen Gegner Russland attackiert. Präsident Wladimir Putin wolle ein neues russisches Reich schmieden.
Der ökonomische Kollaps der Ukraine würde Putins Plänen in die Hände spielen. Eine prosperierende Ukraine hingegen könne nicht nur ihre eigenen Schulden begleichen, sondern würde auch dem Kreml ideologisch und strategisch einen Strich durch die Rechnung machen, zeigt Soros überzeugt.
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