Russland und der WestenUkrainische Dynamik
Der Konflikt, den Russland so kaltschnäuzig wie unüberlegt in Gang gesetzt hat, entfaltet inzwischen eine eigene Dynamik: Von einer „strategischen Partnerschaft“ mit der Europäischen Union kann längst nicht mehr die Rede sein.
02.09.2014, von NIKOLAS BUSSE
Die Aussichten, dass sich in der Ukraine in nächster Zeit etwas zum Besseren wenden könnte, sind nicht gut. Der Konflikt, den Russland so kaltschnäuzig wie unüberlegt in Gang gesetzt hat, entfaltet inzwischen eine eigene Dynamik: Die EU sieht sich gezwungen, ihre Sanktionen noch einmal zu verschärfen, der amerikanische Präsident reist demonstrativ in das Baltikum, die Nato wird ihre militärische Vorsorge für Osteuropa verstärken, und Moskau droht mit Gegenmaßnahmen.
Wie es den Menschen geht, auf deren Rücken dieses geostrategische Spiel ausgetragen wird, lässt sich den jüngsten Flüchtlingszahlen der Vereinten Nationen entnehmen: Mehr als eine Million Ukrainer sind schon vertrieben worden. Leider spricht vieles dafür, dass es noch mehr werden.
Dass Barack Obama nach Estland reist, ist für alle osteuropäischen Verbündeten, die sich verwundbar und bedroht fühlen, von hoher symbolischer Bedeutung. Aber die Reise des amerikanischen Präsidenten zeigt noch einmal, wo die Grenzen des westlichen Engagements liegen. Obama hat sich schon vor einiger Zeit darauf festgelegt, dass nur Nato-Mitglieder mit militärischem Beistand gegen Russland rechnen können, nicht aber die Ukraine.
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Der oberste Anführer des Westens macht deutlich, wo die roten Linien verlaufen: Einen Übergriff auf das Territorium des Bündnisses würde die Nato nicht dulden, die Ukraine dagegen kann nicht auf ihre militärische Hilfe rechnen. Da diese Festlegung nicht nur im kriegsmüden Amerika, sondern auch in vielen anderen Nato-Staaten die Grundstimmung der Bevölkerung trifft, wird das neue ukrainische Ansinnen auf Aufnahme in die Nato freundlich, aber bestimmt abgelehnt werden. Gerade in Deutschland war man schon immer dagegen, Kiew allzu fest in die militärischen Strukturen des Westens einzubinden.
In Europa muss man sich darauf einstellen, dass die Beziehungen zu Russland auf absehbare Zeit stark beschädigt sind. Das hat nun selbst die designierte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini gemerkt, die damit eine außenpolitische Fehleinschätzung der neuen italienischen Regierung korrigiert. In der Tat kann von einer „strategischen Partnerschaft“ mit Russland nicht mehr die Rede sein. Der Westen und Russland sind in Teilbereichen noch Partner wider Willen, etwa bei der Energieversorgung. Aber es gibt sicher keine gemeinsame Ordnungsvorstellung von der Welt des 21. Jahrhunderts.
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