Krise in der OstukraineKiew fürchtet russische Winteroffensive
Im Krisengebiet im Osten der Ukraine spitzt sich die Lage weiter zu. Während der ukrainische Außenminister Klimkin eine russische Winteroffensive fürchtet, wirft Moskau der Regierung in Kiew eine Truppenkonzentration im Osten des Landes vor.
28.11.2014
Die russische Regierung hat der Ukraine vorgeworfen, mit der Konzentration seiner Truppen im Konfliktgebiet Donbass im Osten der Ukraine gegen die vereinbarten Schritte zur Entspannung der Krise zu verstoßen. Der russische Vize-Außenminister Alexej Meschkow warf am Freitag zugleich der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vor, einseitig über die Lage in dem Krisengebiet zu berichten, wie die Agentur Interfax meldete. Der russische OSZE-Beobachter Andrej Kelin bezichtigte zudem die Führung in Kiew, sie verhindere die Weitergabe von Informationen an die Zentrale in Wien.
Nach Angaben der OSZE sind in der Ukraine derzeit 322 Beobachter im Einsatz. Die Hälfte von ihnen ist im Osten des Landes stationiert, wo sich Regierungstruppen und prorussische Separatisten trotz einer vereinbarten Waffenruhe fast täglich unter Beschuss nehmen.
Verheerende humanitäre Lage
In der Krisenregion gilt die humanitäre Lage wegen der Zerstörungen und der andauernden blutigen Kämpfe als verheerend. Russland kündigte einen neuen Konvoi mit Hilfsgütern für die Regionen Donezk und Lugansk an. Die Lastwagen sollen an diesem Sonntag ankommen.
Bei einem Treffen mit dem ukrainischen Regierungschef Arseni Jazenjuk besprach der Erweiterungskommissar der Europäischen Union Johannes Hahn derweil die Umsetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der EU, das Russland scharf kritisiert. Jazenjuk bekräftigte seine Bereitschaft, nötige Reformen auf den Weg zu bringen. Russland fordert eine Überarbeitung des Abkommens, das auch einen Freihandelspakt beinhalten soll. Moskau fürchtet, dass günstige Waren aus der EU auf den russischen Markt gelangen und heimische Produzenten unter Druck setzen könnten. Kiew und Brüssel lehnen eine Überarbeitung des Abkommens jedoch ab.
Die Bundesregierung hat unterdessen den Wünschen der ukrainischen Regierung nach militärischer Hilfe eine Absage erteilt. „Eine militärische Unterstützung in diesem Konflikt steht nicht zur Debatte“, bekräftigte Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz. Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin hatte zuvor der „Bild“-Zeitung gesagt, sein Land habe in Deutschland Dieselmotoren für Truppentransporter angefragt. „Wir sehen erneut russische Truppenbewegungen, weshalb wir uns auch auf eine Winteroffensive vorbereiten müssen“, sagte Klimkin. Die angefragte Hilfe würde dringend gebraucht. „Hier wäre eine schnelle Lösung wichtig.“
Die Bundesregierung unterstützt die politisch und wirtschaftlich schwer angeschlagene Ukraine finanziell, die Regierung in Kiew hat mittlerweile jedoch wiederholt auch um militärische Unterstützung aus Deutschland gebeten. Mit Blick auf die konkrete Bitte nach Dieselmotoren sagte Wirtz, hier gehe es um Ausfuhrgenehmigungen. Diese Genehmigungen würden derzeit überprüft.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte derweil in einem Telegramm an den wiedergewählten ukrainischen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk, die Bundesregierung werde „weiter alles daran setzen, zur Deeskalation der Lage im Osten der Ukraine beizutragen“. Ziel bleibe, dass die Ukraine „souverän und in voller territorialer Integrität über die eigene Zukunft entscheiden kann“. Das neu gewählte ukrainische Parlament hatte Jazenjuk am Donnerstag in seinem Amt bestätigt.
Ukrainische Regierungstruppen und prorussische Separatisten liefern sich seit Monaten Gefechte im Osten der Ukraine. Trotz eines Anfang September vereinbarten Waffenstillstands gibt es rund um die von den Rebellen kontrollierten Städte Donezk und Lugansk immer noch schwere Kämpfe. Die ukrainische Regierung und der Westen werfen Russland vor, die Separatisten mit Soldaten und Waffen zu unterstützen. Moskau bestreitet jede militärische Beteiligung, unterstützt die Separatisten aber offen auf politischer Ebene.
Kritik an Steinmeier
Im Streit um eine mögliche Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato kritisierte der ukrainische EU-Botschafter unterdessen Äußerungen von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der eine Mitgliedschaft Kiews in dem Militärbündnis abgelehnt hatte. Er könne das „nicht verstehen“, sagte Konstiantyn Jelisiejew der „Welt“. „Jedes Partnerland, einschließlich Deutschland, sollte die Wahl eines souveränen Staates wie der Ukraine respektieren“, fügte er hinzu. „Kein Land hat das Recht, der Ukraine den Weg in die Nato und damit in eine bessere Zukunft zu verbauen.“
Steinmeier hatte gegenüber „Spiegel online“ gesagt, dass eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine nicht infrage komme. „Für die Bündnisfrage gilt, was ich bereits vor Monaten gesagt habe: Ich sehe partnerschaftliche Beziehungen der Ukraine mit der Nato, aber keine Mitgliedschaft“, sagte Steinmeier. Auch Jelisiejew bat um mehr Waffenhilfe für sein Land: „Die Ukraine benötigt mehr militärische Unterstützung von den EU-Ländern, Deutschland eingeschlossen“, sagte der EU-Botschafter. Er spreche dabei „nicht über schwere Waffen“. Die Ukraine brauche aber dringend „nicht-tödliche und auf die Verteidigung ausgerichtete Waffen“.
In den Niederlanden trafen unterdessen weitere Leichenteile von Opfern des über der Ostukraine abgestürzten Passagierflugzeugs MH17 ein. Die Maschine war am 17. Juli vermutlich von einer Rakete getroffen worden. Die ukrainische Regierung und die prorussischen Separatisten machen sich gegenseitig dafür verantwortlich.
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