SteuerabkommenDer erste Schritt zu einem Weltfinanzamt
Fast hundert Staaten wollen Anleger, die ihr Geld per Mausklick rund um den Globus anlegen, zu mehr Steuerehrlichkeit erziehen. Und sie sagen der aggressiven Steuergestaltung von Weltkonzernen den Kampf an. Doch den Steuerwettbewerb sollten sie dabei nicht abschaffen. Ein Kommentar.
01.11.2014, von MANFRED SCHÄFERS
© DPADer Informationsaustausch in Steuersachen lässt kaum noch Möglichkeit, sich vor dem Fiskus zu verstecken.
Heute schiebt der Anleger mit einem Klick sein Geld rund um den Globus, morgen holt sich der Finanzbeamte mit einem Klick Kapitaleinkünfte von fast überall auf der Welt auf den Schirm. Und dieses Morgen kommt schneller, als es viele gestern noch für möglich gehalten haben. Fast hundert Staaten haben sich diese Woche dazu bekannt, am automatischen Informationsaustausch in Steuersachen teilzunehmen. Mehr als fünfzig Länder wollen erstmals im September 2017 Daten über Konteninhaber, Zinsen, Dividenden und sonstige Kapitalerträge austauschen, die sie ein Jahr zuvor gesammelt haben. Zudem soll es schwerer werden, sich hinter anonymen Konstruktionen wie Trusts zu verstecken, da die wirtschaftlich Begünstigten genannt werden müssen. Weitere Länder werden ein Jahr später nachziehen.
Auch wenn die Daten erstmals in drei oder vier Jahren an die anderen Finanzbehörden gehen, wirkt sich das schon heute aus. Kapitalerträge, die nie versteuert wurden, aber dann bekannt werden, lassen die Finanzbehörden tief in die Vergangenheit eintauchen. Die Nichtsteuerzahler werden sich unangenehmen Fragen stellen müssen: Wie lange haben sie diese Einkünfte? Woher stammt der Kapitalstock? Warum haben sie das in ihrer Steuererklärung verschwiegen? Zehn Jahr können die Finanzbehörden schon heute zurückgehen. Künftig wohl noch länger. Dann dürfte die Verjährung für Auslandssachverhalte in vielen Fällen ausgesetzt werden.
Mehr zum Thema
- 50 Staaten schaffen Bankgeheimnis ab
- SPD will Abgeltungsteuer abschaffen
- Schäuble: Das Bankgeheimnis hat ausgedient
Die Liste der Länder, die an dem Datenaustausch teilnehmen, lässt nur einen Schluss zu: Das Bankgeheimnis ist nicht nur auf nationaler Ebene längst Geschichte, auch international gibt es kaum noch Möglichkeiten, sich vor dem Fiskus zu verstecken – ohne dass es dazu der fragwürdigen Zusammenarbeit mit Datendieben bedarf. Die gesamte EU macht mit, zudem werden wichtige Finanzplätze wie die Schweiz, Singapur, die Cayman Inseln, Bermuda und die britischen Jungferninseln eingebunden sein. Wer jetzt nicht zügig das Angebot nutzt, sich dem Fiskus zu offenbaren, um mit einem blauen Auge davonzukommen, dem ist nicht zu helfen. Dass die strafbefreiende Selbstanzeige nächstes Jahr teurer wird, sollte ein zusätzlicher Anreiz sein.
Wer das Versteckspiel mit dem Fiskus auf die Spitze treiben will, hat vielleicht noch die Möglichkeit, in Dubai abzutauchen, aber sicher sein kann er sich nicht, dass der internationale Druck nicht auch dort eine Beteiligung am Datenaustausch erzwingen wird. Anleger, die gewiss sein wollen, stets an ihr Geld zu kommen, werden Plätze wie Kinshasa, Harare oder Ougadougou nicht ernsthaft in Erwägung ziehen.
Finanzminister haben bemerkenswerten Fortschritt erzielt
Die Finanzminister haben somit im Kampf gegen die Steuerhinterziehung einen bemerkenswerten Fortschritt erzielt. Aber auch auf einem anderen Feld gibt es sichtlich Bewegung. Man will es internationalen Konzernen schwerer machen, sich weitestgehend von Steuerlasten zu befreien. Um es ganz klar zu sagen: Dabei handelt es sich um ein anders gelagertes Problem. Das Ausnutzen von Steuerlücken, die sich für grenzüberschreitende Geschäfte eröffnen, ist legal. Das ist auch nicht moralisch zu verdammen. Zum einen sind die Vorstände von Kapitalgesellschaften verpflichtet, zum Wohle ihrer Aktionäre zu handeln. Zum anderen laden Regierungen sie vielfach geradezu dazu ein, sich bestimmter Instrumente zu bedienen, etwa indem sie Sondersteuersätze für Lizenzeinnahmen anbieten.
Wenn nun die Staatengemeinschaft enger zusammenarbeiten will, damit solche Multis ihre Steuerlast nicht gegen Null drücken können, ist grundsätzlich wenig dagegen zu sagen. Unternehmen sollten sich wie die Bürger an den Kosten des Gemeinwesens beteiligen, in dem sie arbeiten und wo sie von der öffentlichen Infrastruktur profitieren. Wenn die Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel der zwanzig wichtigsten Wirtschaftsnationen in zwei Wochen in Brisbane sich grundsätzlich darauf verständigen, mehr gegen die „aggressive“ Steuergestaltung zu tun, muss das nicht verkehrt sein – wenn die Maßnahmen nur darauf abzielen, wirtschaftliche Aktivität und Steuerpflicht zusammenzuhalten.
Ansprüche und Steuerlasten in einigen Ländern geringer
Nun gibt es aber Länder, in denen die Menschen und Unternehmen viel vom Staat verlangen, sie müssen entsprechend mehr dafür zahlen. In anderen Ländern sind die Ansprüche und damit die Steuerlasten geringer. Wenn das Verhältnis zwischen Leistung und Kosten nicht mehr stimmt, können wohlhabende Bürger dahin gehen, wo man besser mit ihnen umgeht. Frankreich hat gerade erlebt, wie schnell so etwas passiert, als die sozialistische Regierung die Spitzenbelastung kurzerhand auf 75 Prozent hochtrieb. Schweden hat ähnliche Erfahrungen früher gemacht – und ist heute davor gefeit, Bürger oder Konzerne abstrus zu überfordern. Unternehmen sind in solchen Fällen erfahrungsgemäß noch mobiler als Privatleute.
Der neue grenzüberschreitende Zusammenschluss der Finanzbehörden birgt somit auch die Gefahr, dass er später missbraucht wird, um jeglichen Steuerwettbewerb auszuschalten. Dann wird es gefährlich. Denn allein der Steuerwettbewerb garantiert, dass die Mehrheit nicht die Minderheit ausplündert.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen