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Freitag, 22. Juni 2012

Beim Bundesverfassungsgericht zeigte man sich entsetzt, dass offenbar Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versucht habe, Gauck dazu zu bewegen, die Gesetze sogleich auszufertigen und dadurch Rechtsschutz zu verhindern. Hätte sich Gauck nicht umstimmen lassen, so wäre das aus Sicht der Karlsruher Richter einer „Verfassungskrise“ gleichgekommen.

Gesetz zum Euro-Rettungsschirm ESM Gauck unterzeichnet Fiskalpakt vorerst nicht
21.06.2012 · Koalition und Opposition haben sich geeinigt, gleichwohl können Euro-Rettungsschirm ESM und Fiskalpakt nicht zum 1. Juli in Kraft treten: Denn Bundespräsident Gauck kommt einer Bitte des Verfassungsgerichts nach und wird beide Gesetze nach der Verabschiedung in Bundestag und Bundesrat vorerst nicht ausfertigen.
© dpaGauck soll das Gesetz zum ESM nicht sofort nach der Verabschiedung durch den Bundestag unterzeichnen
Die Gesetze zum Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM und zum Fiskalpakt können nicht wie geplant zum 1. Juli in Kraft treten, obwohl es am Donnerstag eine Einigung zwischen Regierung und Opposition gegeben hat. Bundespräsident Joachim Gauck teilte am Donnerstagnachmittag mit, dass er einer Bitte des Bundesverfassungsgerichtes nachkommen will und beide Gesetze, die am Freitag nächster Woche von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden sollen, vorerst nicht ausfertigen will.
„Das Bundesverfassungsgericht hat heute den Bundespräsidenten vorsorglich gebeten, von einer Ausfertigung der Gesetze zum ESM und zum Fiskalvertrag zunächst abzusehen, um dem Gericht ausreichend Zeit zur Prüfung angekündigter oder bereits vorliegender Eilanträge zu geben“, sagte ein Sprecher des Bundespräsidenten. Der Bundespräsident beabsichtigte, dieser Bitte in Übereinstimmung mit der ständigen Staatspraxis zwischen den Verfassungsorganen und aus Respekt gegenüber dem Bundesverfassungsgericht stattzugeben.

Karlsruhe „entsetzt“ über Kanzlerin Merkel

Beim Bundesverfassungsgericht zeigte man sich entsetzt, dass offenbar Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versucht habe, Gauck dazu zu bewegen, die Gesetze sogleich auszufertigen und dadurch Rechtsschutz zu verhindern. Hätte sich Gauck nicht umstimmen lassen, so wäre das aus Sicht der Karlsruher Richter einer „Verfassungskrise“ gleichgekommen.
Regierungssprecher Seibert teilte mit, Frau Merkel habe nie mit Gauck über die Frage und den Zeitpunkt der Ausfertigung der Gesetze zum ESM und zum Fiskalpakt gesprochen. Anderslautende Behauptungen entsprächen nicht den Tatsachen.
Der Vorsitzende der Linke-Fraktion, Gregor Gysi, hatte angekündigt, eine einstweilige Anordnung gegen die Unterzeichnung des Ratifizierungsgesetzes zu beantragen. Weitere Verfassungsbeschwerden sind angekündigt.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) rügte die Vorbehalte der Verfassungsrichter gegen eine Unterzeichnung des ESM-Ratifikationsgesetzes. „Ich glaube nicht, dass es klug ist, wenn die Verfassungsorgane öffentlich miteinander kommunizieren“, sagte er. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, machte Merkel dafür verantwortlich, dass der ESM womöglich nicht rechtzeitig in Kraft treten kann. Es erweise sich „als schlimmer Fehler“, dass die Regierung die Ratifizierung des ESM so spät in Angriff genommen habe.

Am Vormittag hatten sich Bundesregierung und Opposition auf einen „Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung“ verständigt. Dazu gehört die Absicht, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, auch wenn nur wenige EU-Mitgliedstaaten mitziehen werden. Davon hatten SPD und Grüne ihre Zustimmung zum Fiskalpakt abhängig gemacht. Der SPD-Vorsitzende Gabriel sagte: „Wir haben auch vereinbart, wenn das in der gesamten EU nicht geht, dass wir dann eine Koalition der Willigen zusammenbauen“.
Der Grünen-Vorsitzende Özdemir sagte, die Einführung der Steuer auf Finanztransaktionen solle „sofort in Angriff genommen werden“. Da es zuletzt zwischen Regierung und Opposition Irritationen über den Zeitplan für die Einführung dieser Steuer gegeben hatte, setzten SPD und Grüne durch, dass die Einigung nun den Satz enthält, die Bundesregierung werde in Brüssel „unverzüglich“ einen Antrag auf Einführung der Steuer im Wege der sogenannten Verstärkten Zusammenarbeit (bei der nur neun Mitgliedstaaten mitziehen müssen) stellen und erwarte, dass die EU-Kommission dem Vorhaben „höchste Priorität einräumt“.
In dem Dokument fehlt die Erwähnung des „Schuldentilgungsfonds“ und einer „Banklizenz für den ESM“. SPD und Grüne, die sich ursprünglich „unter strengen Bedingungen“ für Eurobonds ausgesprochen hatten, hatten eigentlich gefordert, dass die Bundesregierung den Tilgungsfonds prüfen solle. Da die Bundesregierung sich aber weigerte, den Prüfauftrag in das Dokument mitaufzunehmen, da sie dem Vernehmen nach auf die verfassungsrechtlichen Einwände Karlsruhes verwies, wurde als Kompromiss ein Passus aufgenommen, in dem es heißt, „eine stärkere Kohärenz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hat auch eine Reduzierung der Zinsdifferenzen zur Folge“. Instrumente dafür werden nicht genannt.

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gesetz-zum-euro-rettungsschirm-esm-gauck-unterzeichnet-fiskalpakt-vorerst-nicht-11793957.html

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