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Freitag, 15. November 2013

Griechische Staatsanleihen waren die Renditebringer des vergangenen Jahres. Mit einigen wenigen Fonds haben Spekulanten ihren Einsatz mehr als verdoppelt. Welche Staaten Zocker jetzt ins Visier nehmen könnten.

WETTEN AUF DIE ZUKUNFTWo Spekulanten zuschlagen könnten

Griechische Staatsanleihen waren die Renditebringer des vergangenen Jahres. Mit einigen wenigen Fonds haben Spekulanten ihren Einsatz mehr als verdoppelt. Welche Staaten Zocker jetzt ins Visier nehmen könnten.
Auch Frankreich könnte es bald treffen. Bekommt das Land seine strukturellen Probleme nicht in den Griff, droht der wirtschaftliche Abstieg. Quelle: Getty Images
Auch Frankreich könnte es bald treffen. Bekommt das Land seine strukturellen Probleme nicht in den Griff, droht der wirtschaftliche Abstieg.Quelle: Getty Images
DüsseldorfEs war der 9. Januar 2012, Griechenland stand vor dem Abgrund. Die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen hatten mit 35,58 Prozent ihren absoluten Höhepunkt erreicht, die Kurse lagen im Keller. Drohte die Staatpleite? Würden Gläubiger einem Schuldenschnitt zustimmen? Es ging um alles. Und so musste, wer im Moment größter Unsicherheit an Griechenlands Überleben glaubte, ein Zocker vom Schlag eines Panos Simos, Aris Papageorgakopoulos oder John Gikas sein.
Diese drei Herren, sie hatten Nerven wie Drahtseile. Zu einem Zeitpunkt, wo kein Investor dem hochverschuldeten Griechenland mehr Kreditgewähren wollte, griffen sie zu – Staatsanleihen gab es zu Spottpreisen. Dann ging alles ganz schnell.
Erst verzichteten Gläubiger auf Forderungen in Höhe von 100 Milliarden Euro, dann erklärte eine neue Regierung Reformbereitschaft – schließlich versprach EZB-Chef Mario Draghi Ende Juli, alles zu tun, um die Euro-Zone zu erhalten. Sinos, Papageorgakopoulos und Gikas waren plötzlich reich: Auf Jahressicht rentierten ihre griechischen Anleihefonds mehr als 100 Prozent höher.  

Fakten zu den Griechenfonds

Spekulation ist so alt wie die Börse selbst. Immer dort, wo die Stimmung an den Märkten zu kippen droht, legen Zocker richtig los – zu faszinierend scheint die Idee vom großen Geld. Mittlerweile scheint Europas Peripherie zwar aus dem Gröbsten heraus zu sein; doch haben diverse Länder weiterhin mit strukturellen Problemen zu kämpfen. Die Frage also bleibt: Ist nach Griechenland die nächste Spekulationswelle in Europa nur eine Frage der Zeit?
Ulrich Kater, Chefvolkswirt bei der Dekabank, sieht die Spekulationsfreude in Europa derzeit „abgeflaut – und das nicht ohne Grund“. Denn mit dem Rettungsfonds ESM, der Bankenunion und der neuen Rolle der Europäischen Zentralbank ist Europa wichtige Schritte hin zu einer zentralen Finanzebene gegangen. „Jeder, der jetzt spekuliert, spekuliert gegen die Geldpolitik der Notenbanken“, sagt Kater. Insofern seien Zocker von vorn herein „etwas entmutigt“.

STAATSANLEIHENSo befeuerte die Krise die Renditen

Der schwärzeste Tag, den Griechenland im Zuge der Staatsschuldenkrise zu verkraften hatte, war der 9. Januar 2012. An diesem Tag hatten die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen mit 35,58 Prozent ihren Höhepunkt erreicht. In anderen Worten: Anleger wollten an diesem Tag einen nie dagewesenen Risikoaufschlag auf die griechischen Papiere. Die Furcht eines Staatsbankrotts war allgegenwärtig. Kurz darauf, im März 2012, kam der Schuldenschnitt.
Private Gläubiger verzichteten freiwillig auf 50 Prozent ihrer Forderungen oder 100 Milliarden Euro. Den Kurs der langlaufenden Bonds hatte diese Neuigkeit aber nur kurz beruhigt. Kontinuierlich nach unten ging es erst, nachdem EZB-Chef Mario Draghi am 26. Juli 2012 intervenierte: Er werde alles tun, um den Euro zu retten. Dennoch ist das Vertrauen der Anleger noch nicht vollends zurückgekehrt. Sich langfristig Geld zu leihen kostet heute rund drei Prozentpunkte als zum Jahresbeginn 2010 - ein Vierteljahr bevor Griechenland die ersten europäischen Hilfsgelder in Anspruch nehmen musste.
Auch für Stefan Hofrichter, Chefvolkswirt bei Allianz Global Investors (AGI), sind die Zeiten vorbei, in denen Spekulanten noch auf die Pleite einzelner europäischer Staaten wetten sollten. Dank Draghis Anleiheankaufprogramm (OMT) und Schritte in Richtung Bankenunion habe sich das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit verglichen mit vor eineinhalb Jahren deutlich reduziert. „Ein zweites Griechenland wird es so schnell nicht mehr geben“, sagt Hofrichter.
Dies bedeutet allerdings auch nicht, dass Spekulanten die Entwicklung europäischer Staatsanleihen ganz vom Radar streichen: „Die Spreads auf portugiesische Bonds sind weiterhin sehr attraktiv“, sagt Hofrichter – und das egal, ob Portugal es im nächsten Jahr schafft, fortan ohne europäische Hilfen aus dem ESM auszukommen oder nicht. „In jedem Fall würde Portugal von der Troika nicht links liegen gelassen.“ Würden die Risikoaufschläge schließlich sinken, könnten Anleger von Kursgewinnen profitieren.
Wem der Poker um die portugiesischen Spreads allerdings zu riskant erscheint – institutionellen Investoren um Beispiel – könnte schließlich auf Spanien ausweichen, Hofrichter zufolge die „gemäßigte Variante“. Tatsächlich hatte Spaniens Wirtschaft zuletzt die Rezession überwunden, die europäischen Finanzminister denken nun über den Ausstieg des Landes aus seinem Banken-Hilfsprogramm nach.

So erkennen Anleger eine Blase

  • Überbewertung
    Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist bei Aktien der erste Indikator dafür, ob sich eine Preisblase bildet. Liegt das KGV höher als bei Vergleichbaren Titeln, etwa Aktien aus derselben Branche, ist das Papier tendenziell überbewertet. Bei Immobilien kann man von Überbewertung immer dann ausgehen, wenn regionale Investoren den Preis als nicht mehr angemessen beurteilen, nur noch internationale Investoren kaufen.
  • Kreditwachstum
  • Innovative Finanzprodukte
  • Handelsaktivitäten
  • Neue Ära
Auch im Hinblick auf die europäischen Aktienmärkte zeigt sich Hofrichter optimistisch. Die schwelende Angst vieler Marktteilnehmer, dass es an den Börsen bald zu erheblichen Preiskorrekturen kommen könnte, teilt er nicht.
Zwar seien Titel an den Hauptaktienmärkten derzeit keine Schnäppchen – allerdings seien sie sowohl im internationalen als auch im historischen Vergleich auch nicht überbewertet. „Selbst wenn die Notenbanken die extrem expansiven Geldpolitik zurückfahren würden – expansiv wird sie dennoch bleiben“, beurteilt er die Lage. Kurzfristig könnten die Märkte irritiert sein, doch wäre der Schaden am Ende nur ein mäßiger.
Daneben könnten sich Spekulanten für besonders günstige Aktien am Rande Europas interessieren: „Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Indizes in der Euro-Peripherie ist extrem niedrig, in allen Länder unter 10, gemessen am Shiller-KGV: fünf für Griechenland, zwischen sieben und acht für Irland und Italien, zwischen acht und neun für Spanien, etwa neun bei Spanien“, sagt Hofrichter. Auch Polen könnte bald ein Thema werden: „Das Land hat eine hohe Bereitschaft, zur Euro-Zone zu migrieren, eine stabile Ökonomie, Anleihen bieten attraktive Spreads“

SCHULDENQUOTEDiese Staaten stecken am tiefsten in den Miesen

Japan – 245 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
Der Inselstaat ist Rekordhalter unter den Industriestaaten. Dennoch kann sich Japan ohne Probleme am Kapitalmarkt refinanzieren. Die Rendite zehnjähriger japanischer Staatsanleihen liegt unter einem Prozent. Japan hat eine völlig andere Schuldenstruktur als etwa Griechenland. Der Staat verschuldet sich bei seinen eigenen Bürgern, nicht bei internationalen Investoren. Nur rund fünf Prozent der Schuldtitel gehören Ausländern. Bei den entscheidenden 95 Prozent hilft der Staat allerdings kräftig nach. Er zwingt die staatlichen Pensionsfonds mit strengen Investitionsrichtlinien, der Regierung Kredit zu geben. Sie investieren im Schnitt 55 Prozent ihres Vermögens in heimische Staatsanleihen.
Bild: dpa
Während nun AGI-Chefvolkswirt Hofrichter eher die aufstrebenden Ökonomien im Blick hat, beschreibt Deka-Ökonom Kater eher eine Art Ruhe vor dem Sturm. „Das Bankenthema wird Spanien weiter verfolgen“, sagt er. „Alles hänge davon ab, was der anstehende Bankenstresstest ergibt.“
Auch Italien bleibe Kater zufolge Wackelkandidat: „Die haben ein Wachstumsproblem.“ Doch macht ihm nicht nur die Peripherie sorgen: So bewege sich Frankreich auf einen wirtschaftlichen Verfall zu. „Keiner kann sagen, ob die Märkte das nicht irgendwann aufgreifen werden.“

BÖRSENWEISHEITENSell in May and go away?

Schlaftabletten, politische Börsen, fallende Messer - jeder Börsianer kennt die Weisheiten von Kostolany, Buffett und Co.. Jessica Schwarzer untersucht Börsenweisheiten auf ihre Aktualität und Praxistauglichkeit.
Börsenweisheiten: Sell in May and go away?
Doch wann ist irgendwann? „Wir erwarten jetzt ein bis zwei ruhigere Jahre“, sagt Kater. „Die Beruhigungsphase hat nach dem Schuldenschnitts Zyperns begonnen, wird von institutionellen Reformen in Euroland in Kombination mit dem Eingreifen der Europäischen Zentralbank getragen.“
Doch könnte sich eine neue Krise etwa dann auftun, wenn die Spaniens Staatsschulden mit denen Italiens gleichziehen. „Die Defizitziele würden immer öfter verfehlt – und plötzlich wären die systemischen Ängste wieder da“, so der Chef-Volkswirt. „Solange die Krise nicht entschärft ist, wird es weiterhin Anlässe für Spekulation geben.“

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