KOMMENTARNach Gutachten von Copenhagen EconomicsÜberflüssige Debatte um Finanztransaktionssteuer
08. September 2014
Seit Jahren versucht die Bundesregierung, eine Steuer auf Finanzmarktgeschäfte durchzudrücken. Deshalb werden, ebenfalls seit Jahren, von Instituten entsprechende Studien angefertigt.
Jetzt war es mal wieder soweit: Das Bundesfinanzministerium hat bei der dänischen Beratungsgesellschaft Copenhagen Economics ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das sollte ausrechnen, wie viel Geld eine Steuer auf Aktien- und Derivategeschäfte bringen würde.
Das Ergebnis: Theoretisch seien mit einer Finanztransaktionssteuer allein für den deutschen Staat Einnahmen von bis zu 88 Milliarden Euro möglich. In einer eigenen Studie kam das Ministerium zuvor nur auf Einnahmen von zwei Milliarden Euro. Wie kann das sein?
Erstens nimmt es das neue Gutachten mit Zahlen nicht allzu genau. Vielleicht seien es auch nur 18 Milliarden Euro, die an Steuereinnahmen mit einer Börsensteuer zusammenkämen, schreiben die Gutachter – je nachdem, welche Geschäfte wie besteuert, welche Finanzgeschäfte vielleicht doch noch ganz verboten oder ins Ausland verlagert werden. Deutlich wird vor allem: Die Lage rund um die geplante Steuer ist konfus.
Nun könnte man natürlich sagen: Egal – auch 18 Milliarden Euro sind schon eine ganze Menge Geld fürs Staatssäckel. Das Gutachten könnte die Debatte über eine Finanzmarkttransaktionssteuer neu entfachen. Doch klar ist leider auch: Diese Finanzmarkttransaktionssteuer wird wohl nie kommen. Europas Finanzlobby wehrt sich erfolgreich gegen die kapitalmarktfeindliche Besteuerung. Dazu kommt: Die EU-Länder sind sich uneins darüber, was genau wie besteuert werden soll.
Ziel dieser Steuer ist es, Spekulationen an den Finanzmärkten und die damit verbundenen Risiken zu senken. Im Blick haben die Regierungen vor allem den automatisierten Computerhandel an den Finanzmärkten. Ob eine Steuer die Händler davon abhält, riskante oder spekulative Finanzgeschäfte abzuschließen, ist fraglich.
Im Mai haben sich die EU-Länder auf ein zweistufiges Vorgehen geeinigt. Im ersten Schritt sollen nur Aktien und einige Derivate steuerlich belastet werden. Details sollen bis zum Jahresende ausgehandelt und dann erst 2016 eingeführt werden.
Kaum ist die neue Studie der Bundesregierung veröffentlicht, meldet sich auch prompt die Aktienlobby mit Kritik zu Wort: Eine solche Steuer gefährde den wirtschaftlichen Aufschwung nachhaltig, so das European Forum of Securities Asssociations (EFSA). Sie belaste vor allem Unternehmen und Anleger. Deshalb lehne der EFSA die Einführung einer Finanztransaktionssteuer entschieden ab. Eine Steuer könnte zu höheren Kapitalkosten für Unternehmen führen - und damit zu weniger Investitionen.
London calling
An neuen Vorschriften für Banken und Finanzinstitute basteln die Regierungen nun seit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers vor gut sechs Jahren. Es gelten unter anderem höhere Eigenkapitalquoten, der Eigenhandel ist eingeschränkt.
Aber ein Konsens über eine einheitliche Börsensteuer in den EU-Ländern liegt in weiter Ferne. Daran ändert auch der Vorstoß der Bundesregierung nichts, die Idee zunächst mit einigen willigen Ländern voranzutreiben und umzusetzen: Dabei sind Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Österreich, Spanien, Estland, Griechenland, Portugal, die Slowakei und Slowenien.
Was fällt bei dieser „Koalition der Willigen“ auf? London ist nicht dabei: Die Briten haben bereits eine Steuer eingeführt. Allerdings handelt es sich dabei nur um eine eingeschränkte Steuer. Sie gilt nicht für alle Finanzinstrumente, sondern nur für den Aktienhandel an regulierten Börsen. Weitere Belastungen für den größten europäischen Finanzplatz sind mit den Briten nicht zu machen – und damit ergibt eine europäische Börsensteuer wenig Sinn
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