Nervöse MärkteDax verliert knapp drei Prozent
Die internationalen Börsen sind auf Talfahrt. Der Dax verliert heute fast drei Prozent. Die schlechte Stimmung führt zu einer Flucht in als sicher empfundene Kapitalanlagen.
15.10.2014, von GERALD BRAUNBERGER
An den internationalen Finanzmärkten nimmt die Verunsicherung der Anleger und, damit verbunden, die Suche nach möglichst sicheren Kapitalanlagen zu. An den Börsen in Paris, Mailand und Lissabon gaben die Aktienindizes um mehr als drei Prozent nach. Der Deutsche Aktienindex Dax schloss mit 2,9 Prozent im Minus und erreichte mit 8572 Punkten den tiefsten Stand seit Oktober 2013.
Spürbarer Ausdruck der Sorgen ist auch eine Zunahme der Kursausschläge. Sie ist ablesbar am Finanzstress-Index der Federal Reserve Bank of St. Louis, der einen deutlichen Zuwachs zeigt. Die Unruhe ist auch am Aktienmarkt spürbar, wo die Kurse am Mittwoch kräftig nachgaben, ebenso am Anleihemarkt und am Devisenmarkt.
Am Mittwoch speiste sich die Verunsicherung vor allem durch zwei Ereignisse. In den Vereinigten Staaten wurden als enttäuschend bezeichnete Konjunkturindikatoren für September in Gestalt der Einzelhandelsumsätze (minus 0,3 Prozent gegenüber August) und der Produzentenpreise veröffentlicht. Diese unerwartet schlechten Wirtschaftsdaten nähren an den Finanzmärkten Spekulationen, die Notenbank Fed werde ihre erste Erhöhung der Leitzinsen weiter in die Zukunft verschieben als bisher gedacht.
Marktteilnehmer fürchten, dass die schwächere Konjunktur in Kontinentaleuropa und in Teilen der Schwellenländer auch die englischsprachige Welt erfassen wird. Für Verunsicherung sorgte in den Vereinigten Staaten auch ein weiterer Fall von Ebola.
Die Anleiherenditen sicherer Staaten sinken stark, aber in Südeuropa steigen die Renditen
Die schlechte Stimmung führte zu einer Flucht in als sicher empfundene Kapitalanlagen. Als Folge starker Kursgewinne fiel die Rendite zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen erstmals seit Mai 2013 vorübergehend unter die Marke von zwei Prozent. Weniger als zwei Prozent brachten am Mittwochnachmittag auch zehnjährige britische Staatsanleihen. Im Gegenzug gaben die Aktienkurse nach. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der amerikanischen Fondsgesellschaft Pimco, Mohamed El-Erian, sagte, in vielen Finanzhäusern würden die Risikomanager jetzt darauf achten, dass sich die Aktienhändler mit ihren Geschäften zurückhielten. Von einem wachsenden Konjunkturpessimismus für die Vereinigten Staaten profitierte am Devisenmarkt der Euro. Er stieg im Tagesverlauf bis auf 1,2884 Dollar; das war der höchste Stand seit dem 23. September. Am Nachmittag kostete ein Euro knapp 1,28 Dollar. Als ein Zeichen für eine Schwäche der Weltkonjunktur gilt auch der seit Wochen beobachtbare Fall des Ölpreises. Die Internationale Energieagentur erwartet für dieses Jahr die niedrigste Nachfrage nach Öl seit dem Krisenjahr 2009.
Der Euro litt am Devisenmarkt nicht erkennbar unter einer Zunahme der Spannungen im Euroraum, die aus einer unterschiedlichen Entwicklung der Anleiherenditen zwischen Nord und Süd erkennbar ist. Deutsche Bundesanleihen profitierten von einer Nachfrage nach sicheren Anlagen. Die Rendite zehnjähriger Anleihen fielen auf einen historischen Tiefststand von 0,73 Prozent. Mittlerweile liegen die Renditen kurzer und mittlerer Bundespapiere mit Laufzeiten bis zu vier Jahren im negativen Bereich.
Demgegenüber stiegen die Renditen für Staatsanleihen aus den südeuropäischen Ländern Italien, Spanien, Portugal und Griechenland. Ein Auslöser waren Meldungen, wonach sich aus den Salden des EZB-Zahlungsverkehrssystems Target2 Rückschlüsse auf Kapitalabflüsse aus Italien ziehen lassen. Der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, sprach von 67 Milliarden Euro in den Monaten August und September. Besonders stark steigende Renditen verzeichnen die Staatsanleihen Griechenlands, weil unter den Kapitalmarktteilnehmern Zweifel an der Stabilität der Regierung bestehen.
Die BIZ warnt
Während in diesen Tagen die Anleihemärkte noch einen recht stabilen Eindruck machen, warnt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) künftig vor schweren Spannungen an den Märkten für Anleihen. Guy Debelle, der Leiter des Kapitalmarktausschusses der BIZ, sagte in Sydney, die lange Zeit sehr niedrige Volatilität seit Ausdruck eines geringen Risikobewusstseins vieler Anleger gewesen. Falls die Volatilität wie derzeit zunehme, könne sich ein solcher Prozess stark beschleunigen und für Unruhe sorgen.
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Als einen Grund nannte Debelle eine geringere Präsenz von Finanzhäusern, die als jederzeitige Käufer und Verkäufer („Marktmacher“) früher die Kursausschläge gedämpft hätten. Solange die Kurse an den Märkten für Anleihen stiegen, falle die geringere Präsenz von Marktmachern nicht nachteilig auf. Komme es hingegen zu einer Verkaufswelle, fehlten Käufer, was zu einer Vergrößerung der Kursausschläge führen werde. Zudem vermutet Debelle, dass viele Großanleger Anleihen verkaufen wollten, sobald die Leitzinsen in den großen Industrienationen zu steigen drohten. Das Ausmaß der für diesen Fall zu erwartenden Verkäufe von Anleihen sei nicht genau vorhersehbar. Seine Erfahrung sage ihm, dass man dies nicht unterschätzen sollte, erläuterte Debelle.
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