Details des Urteils„Hoeneß war von Angst vor Entdeckung getrieben“
Monate nach seiner Verurteilung hat das Landgericht München die schriftliche Begründung im Fall Uli Hoeneß veröffentlicht. Detailliert ist dort dargelegt, warum die Richter seine Selbstanzeige nicht anerkannten. Warum ließen sie dennoch mildernde Umstände gelten?
30.10.2014, von JOACHIM JAHN
Der frühere FC-Bayern-Präsident Ulrich Hoeneß hat seine gescheiterte Selbstanzeige beim Finanzamt abgegeben, weil er „getrieben von Angst“ war vor der Aufdeckung durch einen bevorstehenden Magazinbericht. Das schreibt das Landgericht München II in der schriftlichen Begründung seines Urteils aus dem März, das es erst jetzt – wegen des Steuergeheimnisses allerdings gekürzt – veröffentlicht hat. Nur so sei die Überstürzung zu erklären, mit der Hoeneß im Januar 2013 vorgegangen sei. Wegen der Hinterziehung von 28,5 Millionen Euro Steuern war Hoeneß zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Im Gefängnis soll er allerdings einige Vorzüge genießen. Bald kann er dem Vernehmen nach sogar mit der Verlegung in den „offenen Vollzug“ rechnen, womit er tagsüber Freigang hätte.
Nicht für glaubhaft hält die Strafkammer die Aussage des Sportmanagers, er habe schon gleich nach dem Scheitern des Steuerabkommens mit der Schweiz reinen Tisch machen wollen. Denn einen Großteil der dafür erforderlichen Bankunterlagen habe er erst angefordert, als er von den Medienrecherchen erfuhr. Bis dahin habe Hoeneß jahrelang dafür gesorgt, dass die Schweizer Vontobel-Bank ihm keinerlei Kontoauszüge zusandte. „Dieses Verhalten war systematisch und planmäßig.“
Ausführlich begründet das Gericht, warum es die Selbstanzeige – trotz mehrerer Anläufe – nicht anerkennt. So seien die Unterlagen bis kurz vor Beginn der viertägigen Hauptverhandlung äußerst unvollständig gewesen; eine vage Angabe, wie hoch die hinterzogenen Beträge sein könnten, reicht den Richtern nicht. Für mehrere Jahre habe der Wurstfabrikant und „mehrfache Einkommensmillionär“ ursprünglich Verluste statt tatsächlicher Gewinne aus seinen Börsenspekulationen angegeben. Vollständig verschwiegen hat Hoeneß demnach außerdem in seiner ersten Selbstbezichtigung seine Profite mit Wertpapierleihen (Securities Lending).
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Die Wirtschaftsstrafkammer unterstreicht, dass sie dennoch „in erheblichem Maße“ von einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs abgewichen ist, das schon bei einer Steuerhinterziehung von mehr als 100.000 Euro von einem „besonders schweren Fall“ ausgeht. Das lehnen die Münchner Richter jedoch bei Hoeneß wegen der „außerordentlichen Umstände des Einzelfalls“ ab. Zu seinen Gunsten sei nämlich zu berücksichtigen, dass er sich mit seiner überstürzten Selbstanzeige „geradezu ans Messer geliefert“ habe. Sonst wären Ermittlungen nicht mit vergleichbarem Erfolg möglich gewesen, weil die Schweiz damals bei „einfacher“ Hinterziehung keine Rechtshilfe geleistet hätte. Insbesondere zuletzt habe Hoeneß rückhaltlos mit den Behörden kooperiert, heißt es im Urteil.
Richter: Keine Absprache
Eine unwirksame Selbstanzeige sei generell strafmildernd zu berücksichtigen, schreibt das Gericht weiter – auch unter Hinweis auf einen Gesetzeskommentar zur Abgabenordnung aus der Feder des hierfür zuständigen Strafrichters am Bundesgerichtshof. Das müsse umso mehr gelten, wenn das Fehlschlagen nicht dem Steuerpflichtigen selbst, sondern seinem Steuerberater zuzuschreiben sei. Wie schon bei der mündlichen Verkündung versicherten die Richter, dass ihr Urteil nicht durch eine Absprache mit Verteidigung und Staatsanwaltschaft Zustande gekommen sei. Gespräche „zur Anbahnung einer solchen Verständigung“ gab es demnach ebensowenig. Obwohl die Steuerfahnder des Finanzamts Rosenheim binnen weniger Tage rund 50.000 Dokumente auswerten mussten, hält die Strafkammer deren Schätzungen und Proberechnungen für ausreichend. Während des Prozesses war die mutmaßliche Hinterziehungssumme aufgrund neuer Erkenntnisse von Tag zu Tag größer geworden – zuletzt, weil den Richtern in einer abendlichen Besprechung aufgefallen war, dass der ebenfalls nicht gezahlte Solidaritätszuschlag aufgerechnet werden musste.
Auch zweifelt das Gericht nicht an der Behauptung von Hoeneß, das Startkapital für seine Börsengeschäfte stamme von dem mittlerweile verstorbenen Robert Louis-Dreyfus. Dieser sei ihm „freundschaftlich verbunden“ gewesen, schreibt es. Bald, nachdem Dreyfus Hoeneß 5 Millionen Mark geliehen und eine Garantie über weitere 15Millionen Mark verschafft hatte, wurde damals der Ausrüstervertrag von Adidas, das Dreyfus leitete, mit dem Fußballclub verlängert.
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