Dienstag, 04. November 2014
Dubiose UBS-Finanzdeals in Leipzig"Eine erbärmliche Geschichte von Gier"
Leipzigs Sieg im Gerichtskrieg um Millionendeals mit der UBS ist ein "Lehrstück" über den Finanzsektor. Und eine Abrechnung mit dem düstersten Kapitel der Finanzkrise: Vor dem Crash organisierten Banken einen Raubzug bei Steuerzahlern in ganz Europa.
Fast vier Jahre hat es gedauert, aber am Ende gewinnt Leipzig: Der Prozess um dubiose Millionendeals der Kommunalen Wasserwerke Leipzig (KWL) mit der Schweizer Großbank UBS geht für die Stadt vorerst erfolgreich aus. Die Kommune muss Forderungen der Bank von bis zu 400 Millionen Euro zunächst nicht bezahlen, hat ein Londoner Gericht entschieden. Die UBS zeigte sich "enttäuscht von der heutigen Gerichtsentscheidung" und will das Urteil anfechten.
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung dagegen ist erleichtert: "Jetzt fällt eine riesige Last von der Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern ab". Die UBS hatte verlangt, dass die Stadt für geplatzte Finanzdeals haftet, die der ehemalige KWL-Geschäftsführer Klaus Heininger heimlich an den städtischen Aufsichtsgremien vorbei durchführte. Finanzberater bestachen Heininger bei der Vermittlung der Geschäfte mit mehr als drei Millionen US-Dollar. Nun sollen die Deals rückabgewickelt werden.
Dies sind die nachrichtlichen Details des Einzelfalls in Leipzig, aber Teil eines Finanzskandals in europäischer Dimension. Jahrelang führten die Stadt Leipzig und die Schweizer UBS Krieg vor dem Londoner High Court. Im Zuge des Verfahrens kamen etwa Geschichten über Briefkastenfirmen in Delaware, Geldkoffer in Liechtenstein und eine Luxus-Safari in Südafrika ans Licht.
Das heutige Urteil ist eine Abrechnung damit, was im Bankensektor falsch läuft, und damit auch des düstersten Kapitel der Finanzkrise. Investmentbanken wie die UBS organisierten mit Millionendeals wie in Leipzig vor dem großen Crash einen Raubzug beim Steuerzahler in ganz Europa. Sie entwickelten ein System, um im großen Stil toxischen Kreditmüll gezielt beim Staat zu entsorgen.
Raubzug beim Steuerzahler in Europa
Das Schema der Geschäfte lässt sich anhand der dubiosen Deals in Sachsen anschaulich beschreiben. In Leipzig hatten die Wasserwerke in den Neunziger Jahren wie viele städtische Betriebe überall in der Republik Straßenbahnen, Kläranlagen und andere öffentliche Infrastruktur an Investoren in den USA verkauft und zurückgemietet. Die rechneten sich mit den fiktiven Investitionen in Europa arm. Und gaben einen Teil der Steuerersparnisse an ihre kommunalen Erfüllungsgehilfen weiter. "Crossborder Leasing" (CBL) hieß das Zauberwort.
Als die Finanzkrise heranrückte, entwickelten findige Investmentbanker bei der UBS eine Idee, wie sich mit den alten CBL-Geschäften neues Geld verdienen ließe. Sie boten den Leipziger Wasserwerken an, angebliche Risiken in ihren alten Leasingverträgen mit neuen, hochriskanten Kreditderivaten abzusichern. Plötzlich haftete die Kommunalfirma für milliardenschwere Kreditrisiken der UBS. Die Bank konnte so genau die toxischen Papiere auf den Staatsbetrieb abwälzen, die nur wenig später zum Auslöser des globalen Finanzcrashs wurden: Collateralized Debt Obligations (CDO).
Die UBS-Investmentbanker hatten nicht nur die Leipziger Wasserwerke im Visier. Unter dem geheimen Codenamen "Matilda" dienten sie Staatsbetrieben in ganz Europa Geschäfte nach dem gleichen Schema wie in Leipzig an. "ICE-Transaktion" nannte JP Morgan seinen Deal mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) nach dem gleichen Muster. Und auch die Deutsche Bank versuchte identische "Switch-Geschäfte" nur wenige Wochen vor dem Crash in einem Frankfurter Luxushotel bei deutschen Kommunen zu platzieren.
Hinter den klangvollen Namen und wechselnden Schauplätzen steckte überall die gleiche Idee: Kurz vor dem Zusammenbruch toxische Derivate an Betriebe zu verkaufen, für die der Steuerzahler haftete. Ein Banker von JP Morgan brachte die Verkaufsmasche folgendermaßen auf den Punkt: "Wir haben das ganze Ding von Anfang an als Marketing-Trick benutzt." Kein Manager und keine der Banken wurden dafür jemals öffentlich zur Rechenschaft gezogen. Bis heute.
"Erbärmliche Geschichte von Korruption"
Bisher versuchten die Banken ihre düsteren Machenschaften vor Gericht zu begraben. Um negative Schlagzeilen zu vermeiden, einigte sich JP Morgan im März diskret mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), bevor ein Urteil fallen konnte. Die US-Bank hatte vor demselben Londoner Gericht geklagt wie die UBS. Die Deutsche Bank schloss schon 2010 einen Vergleich mit den Österreichischen Bundesbahnen, um eine Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof Österreichs zu vermeiden. Mit seinem heutigen Urteil zu den Millionendeals der UBS in Leipzig rechnet Richter Males gewissermaßen stellvertretend mit all diesen dubiosen Finanzgeschäften in ganz Europa ab.
Der Jurist findet klare Worte: Die Geschäfte zeigten "eine erbärmliche Geschichte von Gier und Korruption, aus der weder UBS noch die KWL rühmlich hervorgehen". Das Verhalten der UBS sei ein "Lehrstück, wie faires und ehrliches Investmentbanking nicht betrieben werden sollte". Man könne nur hoffen, "dass die beschriebenen Ereignisse einer längst vergangenen Zeit angehören".
Die Schweizer Finanzmakler, die die UBS-Papiere an die Leipziger Wasserwerke vermittelten, hätten als verdeckte Agenten der Bank gehandelt, ohne die Kommunalfirma über diesen Interessenkonflikt aufzuklären. Auch für die Bestechung des KWL-Geschäftsführers Klaus Heiniger, der die Deals aus persönlichem Vorteil zulasten seiner Stadt abschloss, sei deshalb die UBS-Bank juristisch verantwortlich, urteilte Males.
"Habt ihr Müll reingepackt?"
Auch die Verwaltung der KWL-Papiere durch die UBS habe "nicht den nötigen Standards entsprochen". Das kann man nur als vornehme britische Höflichkeit des Richters bezeichnen. Im Verfahren tauchte folgender UBS-interne Chat auf, der belegte, dass die Bank immer mehr Risiken in die Papiere packte, je näher die Finanzkrise rückte: "Was macht die KWL-Geschichte? Habt ihr Müll reingepackt?" "Ja", so die Antwort.
Aber auch der Stadt liest der Richter die Leviten. Deren Wasserwerke seien jahrelang "von einem Kriminellen geleitet worden, der die Firma für seinen persönlichen Vorteil ausplündern konnte". Auch, weil der städtische Aufsichtsrat "bemerkenswerte Gleichgültigkeit an den Tag legte, als die Warnsignale nicht zu übersehen waren".
Trotz des Urteils ist die Affäre für die UBS-Bank womöglich noch nicht ausgestanden. Die US-Finanzaufsicht SEC ermittelt seit Jahren gegen ex-UBS-Mitarbeiter. Das eindeutige Urteil aus London könnte auch in Washington einen Effekt haben.
Quelle: n-tv.de
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