Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Sonntag, 24. Februar 2013

Darüber hinaus fordert er, dass die Europäische Zentralbank (EZB) das Recht „zum Gelddrucken“ erhält und die „Garantie der öffentlichen Schulden“ übernimmt. Würden diese Bedingungen nicht erfüllt, müsse Deutschland aus dem Euro geworfen werden.


ItalienSchicksalswahl für den Euro

 ·  Italien entscheidet heute über die Zukunft der Währungsunion. Europa fürchtet sich vor einem Sieg Berlusconis. Kehrt die Krise wieder zurück?
© AFPNoch einmal Berlusconi (hier am Sonntag bei seiner Stimmabgabe in Mailand)? Italien hat die Wahl
Vor gut zwei Wochen war er in Berlin, der Mann, auf den ganz Europa an diesem Sonntag notgedrungen seine Hoffnungen setzt. Pier Luigi Bersani sprach mit dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), er redete vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, er gab eine Pressekonferenz in der SPD-Zentrale. Die Botschaft des 61-Jährigen Postkommunisten von der Demokratischen Partei (PD), der bei den Wahlen an diesem Wochenende italienischer Ministerpräsident werden möchte, war immer dieselbe: Mit ihm an der Spitze werde Italien seine Verpflichtungen erfüllen, Reformen fortsetzen, Haushaltsziele einhalten. Seine Gesprächspartner waren zufrieden.
Inzwischen sind die Politiker in Berlin aber nicht mehr so sicher, ob die Wahlen dem Land nach der Expertenregierung Mario Montis eine solide parlamentarische Mehrheit bescheren. Wenn nach zwei Abstimmungstagen am morgigen Montag um 15 Uhr die Wahllokale schließen und am Abend die ersten Hochrechnungen bekannt werden, könnte die Euro-Krise wieder losgehen. Italien ist immerhin der drittgrößte EU-Nettozahler, es trägt ein knappes Fünftel zu den Garantien der Euro-Rettungsschirme bei. Wenn neue Regierungen die Schulden nicht in den Griff bekomme, drohten „erhebliche Gefahren für die Eurozone“, warnt Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel.

Berlusconi hat Abschaffung der Immobiliensteuer versprochen

Einen ersten Vorgeschmack gab es, als der frühere Ministerpräsident Silvio Berlusconi Ende vorigen Jahres vorzeitige Neuwahlen vom Zaun brach, seine neuerliche Kandidatur ankündigte - und rasch unerwartet gute Umfragewerte erhielt: Die Zinsen für italienische Staatsanleihen schossen prompt nach oben. Bei einer Gesamtverschuldung von 126 Prozent des Sozialprodukts könnten höhere Zinsen die Haushaltskrise rasch verschärfen.
Italiener stimmen über ihre Zukunft ab
Berlusconi hat zwar wenig Chancen, wieder alleine die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Doch könnte er zumindest im Senat so viele Sitze bekommen, dass er die Regierungsbildung beeinflussen kann - zumal auch die Protestbewegung des Komikers Beppe Grillo, die als nicht regierungsfähig gilt, in den letzten Umfragen kräftig zulegte. Berlusconi hat seinen Wählern nicht nur die Abschaffung der von Monti eingeführten Immobiliensteuer versprochen, die mit der deutschen Grundsteuer vergleichbar ist. Er will sie sogar rückwirkend erstatten. Darüber hinaus fordert er, dass die Europäische Zentralbank (EZB) das Recht „zum Gelddrucken“ erhält und die „Garantie der öffentlichen Schulden“ übernimmt. Würden diese Bedingungen nicht erfüllt, müsse Deutschland aus dem Euro geworfen werden.

Keiner will Merkels Schoßhund sein

Deutschland diente Berlusconi im Wahlkampf als ideales Feindbild. Er behauptete, sein Sturz im November 2011 sei allein ausgelöst von der Deutschen Bank, die auf Geheiß der deutschen Regierung den Großteil ihres Bestands an italienischen Staatstiteln verkauft habe. Weil Berlusconi nicht zugeben will, dass seine Regierungen keine Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in Italien zustande gebracht haben, gibt Berlusconi nun Deutschland die Schuld an der Rezession in seinem Land. Allein die von Kanzlerin Merkel auferlegte Austerität sei verantwortlich dafür, dass die Regierung keine Wohltaten mehr verteilen könne.
Dem Rücktritt Berlusconis ging damals eine Brüsseler Pressekonferenz voraus, auf der die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident eine Frage nach Berlusconis Reformbereitschaft mit einem ironischen Lächeln beantworteten. Das kam in Italien nicht gut an. Deshalb hält sich die deutsche Regierung mit Wahlempfehlungen nun zurück.
Keiner der italienischen Kandidaten will als Merkels Schoßhund erscheinen, auch das dämpft die Reformbereitschaft und weckt Zweifel an der Stabilität des Euro. Monti betonte im Wahlkampf immer wieder, er sei während der letzten anderthalb Jahre für Deutschland „ein unbequemer Partner“ gewesen. Im Fernsehen wies er am Mittwoch darauf hin, dass Berlusconi immer noch der Partner der deutschen CDU in der Europäischen Volkspartei (EVP) sei. Einen Linken wie Berlusconi werde sie als Konservative doch nicht wollen. Der deutsche Regierungssprecher sah sich genötigt, per Twitter zu dementieren: Man mische sich in den Wahlkampf nicht ein.

Ganz Europa zittert

Auch Finanzminister Schäuble wies eine Meldung des Magazins „Espresso“ zurück, er habe von der Wahl Berlusconis abgeraten. Eine solche Empfehlung könnte dem Bunga-Bunga-Politiker bei seinen Anhängern nur nützen. Ungern lassen sich CDU-Politiker daran erinnern, wie sie den Italiener einst förderten, dessen populistische Finanz- und Wirtschaftspolitik sie inzwischen fürchten. Auf Betreiben Helmut Kohls wurde Berlusconis „Forza Italia“ in die EVP aufgenommen, in der Zeit Gerhard Schröders und Tony Blairs war sie eine der wenigen konservativen Regierungsparteien. Im italienischen Wahlkampf 2001 nahm Schäuble den Italiener in der Debatte um dessen Medienmacht in Schutz: Auch die deutsche SPD besitze schließlich Zeitungen.
Heute zittert ganz Europa vor dem Mann. „Das ungünstigste Szenario aus unserer Sicht wäre ein Wahlsieg Silvio Berlusconis“, sagt Andreas Höfert, Chefvolkswirt der Schweizer Großbank UBS. „Italien könnte damit drohen, aus dem Euro auszutreten, um die europäischen Partner zu immer weiteren Zugeständnissen zu bewegen.“ Jahrelange Verwerfungen könnten die Folge sein. Auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sagt: „Bei einer Wahl Berlusconis zum italienischen Ministerpräsidenten würde die Staatsschuldenkrise wieder hochkochen.“ Angeblich hat Berlusconi seinen designierten Nachfolger Angelino Alfano schon zum deutschen Botschafter in Rom geschickt und ausrichten lassen, die antideutschen Töne aus dem Wahlkampf solle man nicht so ernst nehmen.
Die Deutsche Bundesbank beteuert, sie treffe keine Vorbereitungen für den Fall, dass es durch die italienische Wahl zu Verwerfungen an den Anleihemärkten kommen sollte. Auch in Berliner Regierungskreisen, wo man sich auf einen Deutschlandbesuch des italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano in der kommenden Woche vorbereitet, wird Gelassenheit demonstriert.
Wahrscheinlicher als der kurzfristige Schock eines Berlusconi-Siegs ist das längere Siechtum einer wackeligen Regierungskoalition. Im Wahlkampf hat Monti seine möglichen linken Koalitionspartner kräftig beharkt. Auch hat Bersani, der sich in Berlin so sparwillig gab, bei seinen Wählern im Inland die Hoffnung auf ein gedrosseltes Reformtempo geweckt. Sein Parteivize Enrico Letta schlug in der „Financial Times“ vor, die umstrittene Arbeitsmarktreform erst einmal auf Eis zu legen. Noch weiter gehen die linken Verbündeten der Demokraten, die eine Rücknahme von Montis Reformen und mehr Staatsausgaben wollen. Ob Bersani liefern kann, was er in Berlin versprochen hat, ist deshalb auch bei einem Wahlsieg fraglich.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen