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Montag, 13. Oktober 2014

Der erste Anwendungsfall ist Kasachstan, das dieser Tage eine neue Anleihe begibt

Umständliche Restrukturierung von Staatsschulden

Lehren aus dem Fall Argentinien

Nicht zuletzt der Zwist zwischen Argentinien und US-amerikanischen Gläubigerfirmen stiess die Entwicklung neuer Klauseln bei Anleiheverträgen an.
Nicht zuletzt der Zwist zwischen Argentinien und US-amerikanischen Gläubigerfirmen stiess die Entwicklung neuer Klauseln bei Anleiheverträgen an. (Bild: Victor Caivano/Keystone)
Die Restrukturierung von Staatsschulden ist umständlich und erfolgt meist zu spät. Mit angepassten Klauseln in Anleiheverträgen sollen die Prozesse vereinfacht werden, zum Nutzen von Gläubigern wie Schuldnern.
Schuldnerländer sollen sich nach Meinung des Internationalen Währungsfonds (IMF) mit speziellen Klauseln in Anleiheverträgen besser gegen sogenannte Holdouts schützen – also gegen Gläubiger, die sich nicht an Restrukturierungen beteiligen in der Hoffnung, doch voll ausbezahlt zu werden. Der IMF gibt mit seinen am Montag diesbezüglich abgegebenen Empfehlungen bereits früher vorgestellten Modellklauseln der International Capital Markets Association (ICMA), einer einflussreichen Vereinigung von Kapitalmarktakteuren, den offiziellen Segen.

Massnahmen gegen Geier

Als ein New Yorker Gericht im Sommer Argentinien dazu anhielt, auch Holdout-Gläubiger zu bedienen, kamen Befürchtungen auf, dass diese Interpretation der sogenannten Pari-passu-Klausel künftige Schuldenrestrukturierungen erschweren würde. Die Anreize, an einer Schuldenrestrukturierung teilzunehmen, wenn sie denn unumgänglich wird, sinken, wenn einzelne Gläubiger letztlich doch voll ausbezahlt werden. Dies läuft aber Bemühungen entgegen, die Kosten solcher Restrukturierungen – zum Nutzen von Schuldnern wie Gläubigern – zu reduzieren. Nach Konsultation mit Investoren und Schuldnerländern ist der IMF deshalb zum Schluss gekommen, dass Anleiheverträge künftig modifizierte Pari-passu-Klauseln enthalten sollten. Indem klargestellt wird, dass pari passu (die Behandlung «im Gleichschritt») nicht finanzielle, sondern «nur» rechtliche Gleichstellung aller Gläubiger bedeutet, sollen Interpretationen wie jene des New Yorker Gerichts künftig vermieden werden.



Eine zweite Empfehlung betrifft die Kollektivverhandlungsklauseln (KVK). KVK erleichtern die Koordination der Ansprüche verschiedener Gläubiger und legen Mehrheiten fest, mit denen die Umstrukturierung von Schulden erwirkt werden kann. Bisher verwendete KVK betreffen aber nur einzelne Anleiheserien. Die neuen KVK sollen nun bewirken, dass, wenn Gläubiger, die mindestens 75% der aggregierten ausstehenden Schulden repräsentieren, einer Restrukturierung zustimmen, diese über alle Anleiheserien hinweg gelten soll. Der IMF will sich dafür einsetzen, dass diese Änderungen in Anleiheverträgen standardmässig eingefügt werden, um die durch den Fall Argentinien ausgelöste Unsicherheit zu beseitigen.

New Yorker Präzedenz

Der erste Anwendungsfall ist Kasachstan, das dieser Tage eine neue Anleihe begibt. Allgemein wird erwartet, dass Investoren keine Entschädigung in Form höherer Zinsen verlangen werden als Gegenleistung für die neuen Vertragsbedingungen. Aber auch wenn die angepassten Klauseln auf breite Akzeptanz stossen: Es wird lange dauern, bis alle Anleihen damit ausgestattet sind. Rund 900 Mrd. $ an Anleihen mit zum Teil noch sehr langen Laufzeiten sind weltweit ausstehend, und laut IMF ist der Appetit von Schuldnern wie Gläubigern nicht besonders gross, diese alten Schulden vorzeitig durch neue abzulösen. Das Potenzial für weitere Streitigkeiten bleibt also. Die grosse Frage ist, ob im Falle weiterer Klagen – derzeit ist eine gegen Grenada hängig – andere Gerichte der New Yorker Interpretation von pari passu folgen werden.

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