Für die mit dem Schreiben vom 15.2.2013 vom Kläger erklärte Kündigung fehlt es an einem Kündigungsgrund.
Der Kläger hat die Kündigung auf die Ankündigung der Absicht für die Durchführung eines Restrukturierungsverfahrens durch die Beklagte in der Mitteilung vom
24.1.2013 gestützt sowie in der Klageschrift zusätzlich auf die Mitteilung vom
17.4.2013 (Verlust im Jahr 2012). Beide Umstände rechtfertigen unter keinem vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsgrund die Kündigung. Dabei kann mit dem Kläger davon ausgegangen werden, dass sich aus diesen Mitteilungen eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Beklagten ergibt, die nur dadurch abgewendet werden kann, dass die Anleihegläubiger in einem Restrukturierungsverfahren nach den §§ 4 ff. SchVG auf einen Teil ihrer berechtigten Forderungen verzichten.
a) § 9 (1) (e) der Anleihebedingungen gibt sich für den bloßen Tatbestand einer Vermögensverschlechterung des Schuldners und/oder der Gefährdung des Leistungsanspruchs dem Anleihegläubiger kein Kündigungsrecht. Voraussetzung ist nämlich neben der hier nicht gegebenen Einleitung eines Insolvenzverfahrens, dass „die Emittentin ... eine allgemeine Schuldenregeiung zu Gunsten ihrer Gläubiger anbietet oder trifft'1. In der bloßen Ankündigung, ein Verfahren nach den §§ 4 ff. SchVG durchführen zu wollen, liegt noch kein „Angebot1 im Sinne dieser Anleihebedingung. Es fehlt zunächst an einer ausreichenden inhaltlichen Festlegung, denn die Ad-Hoc-Mitteilung vom 24.1.2013 enthält keine Angaben, in welcher Weise eine Änderung der Anleihebedingungen beabsichtigt ist. Denkbar wäre auch die bloße Einräumung einer Stundung. Es handelte sich zudem, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, noch nicht um ein „annahmefähiges Angebot1. Zwar dürfte der Begriff „Angebot“ in Ziff. 9 (e) auch dahin auszulegen sein, dass bereits die Einleitung eines auf Schuldenregulierung gerichteten Verfahrens mit einem konkreten inhaltlichen Antrag den Tatbestand erfüllt. Ein solcher Akt ist durch die Beklagte hier jedoch frühestens am 20.6.2013 mit der Einladung zur ersten Gläubigerversammlung zur Beschlussfassung über das Konzept zur Restrukturierung (im Bundesanzeiger) erfolgt. Denn diese Einladung enthielt einen konkreten Beschlussvorschlag der Beklagten, in welcher Weise die Anleihen in andere Rechte
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umgetauscht werden könnten (vgl. entsprechende Einladung zur zweiten Gläubigerversammlung, Anlage B 18),
b) Eine Kündigung auf der Grundlage von § 314 BGB für den konkreten Fall der Vermögensverschlechterung der Beklagten und der darauf beruhenden Gefährdung des Leistungsanspruchs ist durch § 9 (1) (e) der Anleihebedingungen wirksam ausgeschlossen worden.
aa) Entgegen der Meinung des Klägers ist ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 314 BGB nicht schlechthin unabdingbar. Vielmehr ist § 314 BGB nur „im Kern“ zwingendes Recht, also ein genereller Ausschluss des Rechts zur Kündigung aus wichtigem Grund - auch wegen des Ausflusses dieses Rechts aus § 242 BGB - unzulässig. Zulässig ist es jedoch einzelne Umstände als wichtigen Grund auszuschließen. Dies gilt etwa für Vereinbarungen über die Erschwerung des Kündigungsrechts, die die Parteien zur Verteilung bestimmter Risiken getroffen haben. Solch ein Verzicht, der allein bestimmte Gründe für das Kündigungsrecht betrifft, ist zulässig (vgl. zum Ganzen MünchKomm-BGB/Gaier, 6. Aufl.,
§ 314 Rz. 4; Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 3. Aufl., § 314 Rz, 26; vgl. auch Maier-Reimer, in: Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts,
2004, S. 140 f.).
Ein solcher begrenzter Ausschluss ist grundsätzlich auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen möglich. Entgegen der Meinung des Klägers ist die auf begrenzte Fälle beschränkte Abbedingung des Kündigungsrechts aus wichtigem Grund nicht allein durch Individualvereinbarung möglich. Vielmehr ist das nur dann der Fall, wenn die konkrete Einschränkung des Kündigungsrechts unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB ist (vgl. BGH NJW2012, 1431; BGH NJW 1986. 3134).
bb) Die Regelung in § 9 (1) (e) der Anleihebedingungen enthält einen konkludenten Ausschluss einer Kündigung der Anleihe, die daran anknüpft, dass eine Insolvenz der Emittentin eingetreten ist oder droht und deshalb der Leistungsanspruch des Anleihegläubigers gefährdet ist. Die Regelung ist dahin auszulegen, dass im Fall des Eintritts solcher Umstände ein Gläubiger die Anleihe erst dann kündigen können soll, wenn einer der drei dort genannten weiteren Tatbestände eintritt, nämlich die Stellung eines Insolvenzantrages (seitens der Emittentin oder Dritter),
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die Eröffnung des Insolvenzverfahren gegen die Emittentin oder das Angebot zu oder Abschluss einer allgemeinen Schuldenregelung. Die Überschrift „Insolvenz O.Ä.“ zeigt, dass mit dieser Bestimmung die Rechte der Gläubiger im Fall einer den Zahlungsanspruch gefährdenden Vermögensverschlechterung geregelt werden sollen. Es handelt sich ersichtlich um eine abschließende Regelung des Kündigungsrechts für diesen Fall. In der Aufzählung bestimmter ein gerichtliches oder außergerichtliches Verfahren einleitender Tatbestände kommt erkennbar der Wille zu einer abschließenden Regelung zum Ausdruck, nämlich, dass die gefährdende Vermögensverschlechterung als solche noch nichteine Kündigung rechtfertigen soll.
cc) Die sich aus § 9 (1) (e) ergebende Beschränkung des Kündigungsrechts für den Fall der Insolvenz der Beklagten oder der den Zahlungsanspruch gefährdenden Vermögensverschlechterung verstößt nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB.
Anleihebedingungen für Schuldverschreibungen stellen, weil sie das Rechtsverhältnis zwischen den Emittenten als Schuldnern und den Inhabern der Schuldverschreibung als Gläubigern regeln, Allgemeine Geschäftsbedingungen dar und unterliegen der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB (BGH NJW 1993, 57; BGH WM 2009, 1500; R. Müller, in: Baums/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. Rz. 15.340 m.w.N.). Sie können jedoch abweichend von § 305c Abs. 2 BGB in vereinfachter Form durch allgemeine Veröffentlichung nach kapitalmarktrechtlichen Vorschriften in das Vertragsverhältnis einbezogen werden (näher BGH NJW 2005, 2917). Davon dass diese Voraussetzungen hier gegeben sind, gehen beide Parteien aus.
Dass der Anleihegläubiger bei objektiv eingetretener oder drohender Insolvenz der Emittentin noch nicht kündigen darf, sondern erst die Einleitung bestimmter Verfahren abwarten muss, stellt keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB dar. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Zeichner einer Unternehmensanleihe, mit der keine besonderen Sicherungsrechte verbunden sind, von Anfang an das Bonitätsrisiko des Unternehmens trägt. Dieses Risiko und die Laufzeit bestimmen wesentlich die Zinshöhe von Darlehens-Anleihen (vgl Grunewald/Schlitt, a.a.O., S. 77 unter 1. a), S. 79 unter d) und S. 80 f.). Ein Recht auf Rückgängigmachung der mit der Anleihe verbundenen Anlage wegen nach-
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träglich eingetretener Vermögensverschlechterung des Emittenten wäre mit der Unsicherheit belastet, ab welchem Grad der Verschlechterung bereits ein Recht zur Rückgabe entstehen soll. Es bliebe offen, ob bereits jede Verschlechterung der Vermögenslage oder Gefährdung des Anspruchs ausreicht oder dafür erst ein bestimmter Grad erreicht sein muss. Unter Umständen würde geltend gemacht, dass bereits ein schlechteres „Rating“ der Anleihe durch eine unabhängige Ratingagentur genügt.
Eine solche Unsicherheit wäre mit dem Rechtscharakter der Schuldverschreibung als verbrieftem und an der Börse handelbarem Wertpapier nicht vereinbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Handelspreis bei der Weiterveräußerung der Schuldverschreibungen von der Einschätzung des Marktes über die aktuelle Bonität der Emittentin wesentlich bestimmt wird. Dieses System handelbarer Anleihen würde gestört, wenn ein Anleihegläubiger, seine Anleihe bei jeder seinen Leistungsanspruch (scheinbar) gefährdenden Vermögensverschlechterung kündigen und sofortige Zahlung verlangen könnte.
Es ist deshalb sach- und interessegerecht, ein Kündigungsrecht erst zu gewähren, wenn ein formelles Verfahren wegen Insolvenz oder drohender Zahlungsunfähigkeit von der Emittentin selbst oder Dritten eingeleitet wird. Insofern trifft die Erwägung des Landgerichts zu, dass der „spekulative Charakter“ der Unternehmensanleihe eine Kündigung der Anleihe nach § 314 BGB entgegensteht.
c) Die von der Beklagten mit den Ad-Hoc-Mitteilungen bekannt gegebenen möglichen Gefährdungen für die volle Durchsetzbarkeit des Leistungsanspruch aus den Anleihen berechtigte den Kläger auch nicht zur Kündigung nach § 490 Abs. 1 BGB wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob dieser Kündigungsgrund auf Inhaberschuldverschreibungen anwendbar ist. Daran bestehen trotz des wirtschaftlichen Charakters als Darlehen Zweifel, weil der Gesetzgeber sich im Interesse der Verkehrsfähigkeit von Inhaberschuldverschreibungen bewusst dafür entschieden, diese in den §§ 793 ff. BGB getrennt von den §§ 488 ff. BGB zu regeln. Die Bestimmungen des Darlehensrechts sind deshalb nicht anwendbar (Staudinger/Freitag, BGB. § 488 Rz. 48; Schäfer FS Kümpel 2003, 453, 461). Die Kündbarkeit von Inhaberschuldverschreibungen dürf-
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te sich deshalb allein nach allgemeinen, alle Dauerschuldverhältnisse betreffenden Regeln und den Anleihebedingungen richten.
Ein etwaiges, abdingbares Kündigungsrecht aus § 490 Abs. 1 BGB ist aber jedenfalls aus denselben Gründen ausgeschlossen, wie das auf denselben Umstand gestützte Kündigungsrecht aus § 314 BGB. Es ist durch die Regelung in § 9 (1) (e) der Anleihebedingungen abbedungen. Das Landgericht hat insofern zu Recht angenommen, dass § 490 Abs. 1 BGB durch die enumerative Aufzählung bestimmter Kündigungsgründe in § 9 der Anleihebedingungen, die teilweise auch außerordentlichen Charakter haben, konkludent vertraglich ausgeschlossen worden ist.
§ 490 Abs. 1 BGB ist auch durch AGB abdingbar.
ein bisschen Diskussionsgrundlage zu meinem angeblichen Geschäftsmodell.....das a und o ist die Kündigung
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Falsch, nach BGH II ZR 381/13 ist das Entscheidende, ob die Anleihen bei Inkrafttreten des SchVG 2009 bereits fällig waren.
Auf eine etwaige Kündigung nach diesem Zeitpunkt 2009 kommt es nach der Rechtsauffassung des BGH nicht an:
"Die Ermöglichung von Mehrheitsentscheidungen für die in § 5 Abs. 2 SchVG aufgezählten Änderungen der Anleihebedingungen ist kein unzulässiger rückwirkender Eingriff in die Rechte der Anleihegläubiger. Eine echte Rückwirkung liegt nicht vor, soweit der Rückzahlungsanspruch bei Inkrafttreten des Schuldverschreibungsgesetzes noch nicht fällig war. Es wird kein abgeschlossener Sachverhalt geregelt, sondern während eines Dauerschuldverhältnisses das anwendbare Recht geändert."
Und damit dann Ende Gelände für das Geschäftsmodell Koch.