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Mittwoch, 15. Oktober 2014

EuGH-Verhandlung Wie mächtig darf die EZB sein? Die Euro-Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank wird vor dem höchsten EU-Gericht verhandelt. Die Kläger machen schwere Vorwürfe. Die Regierungen stehen geschlossen hinter der Notenbank.


EuGH-VerhandlungWie mächtig darf die EZB sein?

Die Euro-Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank wird vor dem höchsten EU-Gericht verhandelt. Die Kläger machen schwere Vorwürfe. Die Regierungen stehen geschlossen hinter der Notenbank.

© DPAVergrößernDurfte die EZB mit ihrem OMT-Beschluss den Euro retten? Nun müssen Europas höchste Richter entscheiden.
Es steht viel auf dem Spiel – vielleicht sogar die Zukunft der Eurozone, so sagen manche. Erstmals sind die zahlreichen Klagen gegen das OMT-Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt worden. OMT bedeutet „Outright Monetary Transactions“. Dahinter verbirgt sich die Ankündigung der EZB vom Sommer 2012 eines notfalls unbegrenzten Ankaufs von Euroländer-Staatsanleihen. Für die Europa-Richter in den tizianroten Roben um Präsident Vassilos Skouris, einen Griechen, ist es ein besonders kniffeliger Fall. Das liegt auch an der Konstellation mit dem Bundesverfassungsgericht.
Die Befürworter des OMT sagen, EZB-Chef Mario Draghi habe damit auf dem Höhepunkt der Krise die Eurozone gerettet. Und es sei geldpolitisch geboten, weil der normale Kanal der Geldpolitik trotz immer stärker gesenkter Leitzinsen damals nicht mehr funktioniert habe. Die Kritiker und Kläger sagen, die EZB habe ihre Kompetenzen überschritten. Sie ruiniere letztlich die Grundlagen der Währungsunion, weil sie eine Staatsfinanzierung durch die Notenpresse betreibe. Das Bundesverfassungsgericht, das große Zweifel an der Rechtmäßigkeit des OMT festgestellt hat, überwies die Klagen – dies ist eine Premiere – zur europarechtlichen Prüfung dem EuGH. Einen Termin, bis zu dem Europas höchste Richter ihr Urteil gesprochen haben müssen, gibt es noch nicht; es könnte auch erst in einem Jahr sein (Rechtssache C-62/14).
An diesem Dienstag sind in Luxemburg abermals die Streitparteien aufeinander geprallt. Juraprofessor Dietrich Murswiek, der die Klage des CSU-Politikers Peter Gauweiler vertritt, versucht die Behauptung der EZB, sie verfolge ein geldpolitisches Ziel, lächerlich zu machen. „Jemand raubt eine Bank aus und behauptet, das sei kein Bankraub, sondern eine Wohltätigkeitsveranstaltung, er wolle das Geld ja einem Waisenhaus spenden“, sagt Murswiek: „Bankraub bleibt aber Bankraub.“ So bleibe es auch dabei, dass die EZB mit ihrem Programm in Wirklichkeit Wirtschafts- und Fiskalpolitik betreibe. „Die EZB verlagert Solvenzrisiken in immenser Milliardenhöhe von den Gläubigern auf die Steuerzahler“, kritisiert er, dafür sei sie nicht ermächtigt, dafür besitze sie keine demokratische Legitimation.

Regierungen stehen hinter der Notenbank

Noch viel schärfer tritt der Rechtsprofessor Karl Albrecht Schachtschneider auf: „Die Währungsunion war zum Scheitern verurteilt und ist gescheitert.“ Er würde den Euro am liebsten wieder rückabwickeln. Der Völkerrechtler Bernhard Kempen hingegen, der eine Klage des Vereins „Mehr Demokratie“ mit 37.000 Unterstützern vertritt, betont: „Wir sind nicht grundsätzlich gegen den Euro.“ Nur habe er die Sorge, dass sich die EZB ermächtige, in die Wirtschaftspolitik einzugreifen und zu einer nicht demokratisch legitimierten wirtschaftlichen „Neben-Regierung“ werde. Sie überschreite ihre Kompetenzen und betreibe eine missbräuchliche Umgehung des Verbots der monetären Staatsfinanzierung nach Artikel 123 des EU-Vertrages.
Dagegen sieht Gregor Gysi, Vertreter der Organklage der Linkspartei, durch die EZB-Reformauflagen den Sozialstaat und damit die Grundrechte verletzt. In Griechenland steigen Kindersterblichkeit und Selbstmordrate. Die EZB diktiere Kürzungen von Löhnen und Leistungen und greife damit in die Wirtschafts- und Sozialpolitik ein.
Nach einer Stunde geballter Kritik schlägt das Pendel um. Nun marschieren die Verteidiger der Zentralbankpolitik auf. Ihr Rechtsvertreter Hans-Georg Kamann betont, in was für einer „besonderen Krisensituation“ die EZB das OMT verkündet habe. Der geldpolitische Transmissionsriemen sei völlig gestört gewesen: Mehrfache Leitzinssenkungen hätten auf Zinssätze in Krisenländern kaum Wirkung gehabt, wegen der Angst vor einem Auseinanderbrechen des Euro. Da habe die EZB einschreiten müssen. Entscheidend sei, dass sie ein geldpolitisches Ziel verfolgt habe. Dazu dürfe sie auch selektiv eingreifen. Kamann sagt dazu: „Die Feuerwehr löscht ein brennendes Haus und setzt nicht gleich das ganze Viertel unter Wasser.“
Auffällig ist die Rückendeckung, welche die EZB von den EU-Regierungen erhält. Verwaltungsrechtler Ulrich Häde, der für die Bundesregierung spricht, betont die Unabhängigkeit der Zentralbank und ihren „weiten Ermessensspielraum“. Und er bringt ein Argument, das man im Laufe der Verhandlung immer wieder hören wird: „Solange das OMT noch nicht umgesetzt ist, kann die EZB ihr Mandat nicht überschritten haben.“ Auch die portugiesische Regierung macht geltend, dass die OMT-Ankündigung in einer Pressemitteilung gar keinen Rechtsakt gewesen sei, gegen den man klagen könne. Ähnlich sieht es der Vertreter Spaniens. Die EZB habe ja noch gar nicht gekauft, sondern nur eine Absichtserklärung gegeben. „Die Wirkung der Ankündigung war gut“, sagt er.
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Die Phalanx der EZB-Verteidigung durch die Regierungen ist geschlossen, nur die Tonlage variiert. Der Vertreter Italiens sagt ganz offen: „Die Preise von Staatsanleihen zu stabilisieren ist Teil der Geldpolitik“. Irland fordert, der EZB dürften keine Grenzen gesetzt werden, wenn sie den Euro verteidige. Es gebe keine „hermetisch abgeschlossenen Grenzen zwischen Geld- und Wirtschaftspolitik“. Auch eine Juristin des EU-Parlaments sowie ein Vertreter der  EU-Kommission springen der EZB bei: Die EZB habe mehrere Sicherungen installiert, sagt der Kommissionsjurist, dass ihre Anleihekäufe innerhalb des Mandats blieben, etwa dass sie die Anleihen erst nach einer Frist und nicht automatisch kaufe. Der EZB-Vertreter nimmt das dankbar auf. Dadurch blieben die Anreize der Staaten zu Reformen erhalten.
Richter Lars Bay Larsen, Berichterstatter für den Fall, stellt Fragen zu den direkten und indirekten Effekten der Zentralbankpolitik. Generalanwalt Pedro Cruz Villalón fragt schließlich Murswiek, ob schon die Ankündigung des OMT eine Kompetenzüberschreitung darstelle – Murswiek sieht das so. Wie Cruz Villalón denkt, lässt er sich nicht anmerken. Sein Plädoyer wird für die Entscheidung des Gerichtshofs großes Gewicht haben.
Schwierig ist die Situation dadurch, dass die Karlsruher Verfassungsrechtler schon erklärt haben, dass nach ihrer Auffassung das OMT in seiner bisherigen Form rechtswidrig ist. Und sie haben – sehr zum Ärger der Südländer, wie sie während der Verhandlung zeigen – ein eigenes letztes Wort vorbehalten. Es könnte also ein harter Konflikt zwischen Luxemburg und Karlsruhe drohen.

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