Mayers WeltwirtschaftDer Geldschöpfer
Der schottische Ökonom John Law hat vor 200 Jahren das ungedeckte Papiergeld eingeführt. Er endete in Armut.
04.10.2014, von THOMAS MAYER
© THILO ROTHACKERThomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institutes und Senior Fellow am Center for Financial Studies der Universität Frankfurt.
Die amerikanische Fed und die Bank von England haben in großem Umfang Staatsanleihen gekauft, die Bank von Japan kauft gegenwärtig, und die EZB wird wohl bald kaufen. Man sagt, die Bank von Japan habe diese Technik mit ihrem Programm der „quantitativen Lockerung“ Anfang des letzten Jahrzehnts erfunden. Doch das stimmt nicht. Die Technik der Geldschaffung durch Staatsfinanzierung ist uralt. Ein brillanter Theoretiker und Praktiker darin war der schottische Abenteurer, Glücksspieler, und Regierungsberater John Law. Kein Geringerer als Joseph Schumpeter nannte ihn den größten Geldtheoretiker aller Zeiten.
In seinem im Jahr 1705 in Schottland publizierten Werk wehrte sich Law gegen die Vorstellung von Geld als besondere Ware für den Tausch und sah es als übertragbaren Anspruch auf Waren im Allgemeinen. Damit Waren produziert und getauscht wurden, war es wichtig, dass genügend dieser Ansprüche geschaffen wurden. Das war die Aufgabe des Staates. Dieser hatte so viel Geld zu erzeugen, dass die Bedürfnisse der privaten Wirtschaft und der öffentlichen Finanzen befriedigt werden konnten.
Um dem Staat die nötige Flexibilität in der Schaffung von Geld zu geben, musste dies von seiner Bindung an Gold oder Silber gelöst werden. Dann konnte der Staat durch Schaffung von neuen Ansprüchen auf Waren, also durch Geldschöpfung, die Nachfrage nach Waren anregen. Law wollte das schottische Parlament von seinen Ideen überzeugen. Aber die Vereinigung von Schottland mit England setzte seinen Bemühungen ein jähes Ende. Während seiner Londoner Zeit als Glücksspieler war er 1694 wegen eines Duells mit tödlichem Ausgang zum Tode verurteilt worden. Der Vollstreckung hatte er sich während der Berufungsverhandlung durch Flucht nach Schottland entzogen. Als sich die schottisch-englische Vereinigung abzeichnete, verließ er die Britischen Inseln fluchtartig, um dem Zugriff der englischen Justiz zu entgehen.
In Paris kam er durch Glücksspiel zu einem Vermögen und schloss 1707 mit Philipp von Orléans Freundschaft. Als dieser nach dem Tode Ludwigs XIV. im Jahr 1715 unverhofft zum Regenten Frankreichs wurde, konnte Law seinen Plan eines vom Gold unabhängigen Geldes umsetzen. Im Mai 1716 gründete er eine Bank, die als eine der ersten in Europa Papiergeld ausgab. Im Jahr 1719 wurde er zum „Generalkontrolleur der Finanzen“ Frankreichs und zum Direktor der Mississippi-Gesellschaft ernannt, welche die Rechte für die Entwicklung des in französischer Hand befindlichen Teils von Nordamerika hielt. In diese Gesellschaft brachte er die französische Ost- und Westindienkompanie ein, so dass er schließlich alle außereuropäischen Handelsmonopole Frankreichs in der Hand hielt.
Law nahm die „quantitative Lockerung“ vorweg
Er überredete die Besitzer von Staatsanleihen, diese gegen Aktienanteile an der fusionierten Kompanie zu tauschen, die vom amerikanischen Aufschwung profitieren sollte. Im nächsten Schritt ließ er sich das Recht geben, alle indirekten Steuern in Frankreich einzutreiben. In der Hoffnung, später von den Steuereinnahmen profitieren zu können, tauschten die meisten übrigen Besitzer von Staatsanleihen diese gegen Anteile an der Mississippi-Gesellschaft. Law gab gegen das Aktienvermögen Papiergeld seiner Bank aus. Als der Aktienpreis der Gesellschaft in die Höhe schoss, vermehrte sich die Papiergeldmenge entsprechend. Nun war die Geldmenge nicht länger an die starre Menge vorhandenen Goldes oder Silbers gebunden, sondern ergab sich aus der im Aktienpreis widergespiegelten Erwartung künftigen wirtschaftlichen Gewinns. Höhere Gewinnerwartungen sollten das Geldangebot erhöhen, das wiederum zur Erfüllung der Erwartungen führen sollte.
Allerdings hatte Law nicht bedacht, dass Aktienpreise auch Blasen bilden können. So kam es, dass nach anfänglicher Euphorie der Aktienpreis der Mississippi-Gesellschaft abstürzte. Durch den Verfall des Aktienvermögens verlor das Papiergeld drastisch an Kaufkraft. Galoppierende Inflation ließ Laws Geldsystem schließlich zusammenbrechen. Er wurde im Jahr 1720 aus seinen Ämtern entlassen und verließ Frankreich. Nach weiteren Wanderungen durch Europa, während denen er sein früheres Gewerbe als Glücksspieler nun mit wenig Erfolg wiederaufnahm, starb er schließlich verarmt im Jahr 1729 in Venedig. Laws geniale Idee war es, Geld zur Finanzierung des Staates wie Aktien zur Finanzierung von Unternehmen zu emittieren. Damit war er seiner Zeit, in der Geld meist an Gold oder Silber gebunden war, weit voraus und nahm die heutige Geldpolitik der „quantitativen Lockerung“ vorweg. Im Praxistest fiel Laws Geldsystem allerdings durch. Dies lässt nichts Gutes für den Ausgang der gegenwärtigen geldpolitischen Experimente ahnen.
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