Opec in der KriseKampf um den Ölpreis
Der Ölpreis sinkt und das Erdölkartell Opec streitet mehr als je zuvor. Nun steht ein Duell zwischen Venezuela und Saudi-Arabien bevor. Am Ende könnte das Kartell nur noch ein Stubentiger sein.
13.10.2014, von FRANZ NESTLER
Öl wird immer günstiger. Eigentlich ist das eine schöne Nachricht für alle. Für alle? Nicht ganz. In der Organisation der Erdöl exportierenden Länder, kurz Opec, ist ein riesiger Streit entbrannt. Zwar schwelt er schon seit einem Jahr, wie diese Zeitung mehrmals berichtete. Aber der aktuell niedrige Ölpreis hat zu der Eskalation des Konflikts geführt: Ein Barrel (rund 159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am Dienstag weniger als 87 Dollar - am Freitag waren es noch drei Dollar mehr gewesen.
Das Erdölkartell Opec ist eine illustre Runde aus Scheichs, amerikafeindlichen Sozialisten, Diktatoren und demokratisch gewählten Ministern die sich zweimal im Jahr in Wien trifft. Dort, in der Opec-Zentrale, feilschen die verantwortlichen Ölminister dann um die richtige Fördermenge. Es geht darum, wie viel Öl das Kartell produzieren wird. Wohlgemerkt nicht, wie viel es tatsächlich produzieren kann. Es ist ein Ritual, welches nur schwer vorstellbar in einer modernen Marktwirtschaft ist.
So illuster wie diese Runde, so unterschiedlich sind die Meinungen über die Produktionskürzungen. Ganz ungeniert wurde da von den Hardlinern schon gedroht, die Ölproduktion so stark zu kürzen, dass ein Barrel rund 400 Dollar kosten würde. Die Unruhestifter benutzten den Ölpreis oft als verlängerten Arm ihrer außenpolitischen Agenda. Das Feindbild der Vereinigten Staaten kann man mit einer Kürzung aber kaum noch erreichen, seitdem durch Fracking das Öl auch im Mittleren Westen wieder sprudelt. So kann pragmatische Kartellpolitik nicht greifen. Zu oft haben die Hardliner niedrigere Förderquoten gefordert und sich dann selbst nicht daran gehalten.
Zu diesen Hardlinern gehörten einst Algerien, Iran, Libyen und Venezuela. Doch in Libyen wurde Gaddafi aus dem Amt gejagt, und in Iran ist mit dem neuen Staatspräsidenten Hassan Rohani ein anderer Ton eingezogen als noch unter Mahmud Ahmadinedschad. Die Hardliner-Fraktion ist also deutlich geschrumpft.
Venezuelas Außenminister Rafael Ramírez hat nun die Opec um eine Notfallsitzung angefleht, um auf die niedrigen Preise zu reagieren. Venezuela ist schon seit langem eines der Sorgenkinder der Opec. Zwar haben sie noch vor Saudi-Arabien die größte Erdölförderung, aber die Produktion ist ungleich geringer.
Araber wollen keine Produktionskürzung
Die anderen Länder reagierten aber nur sehr kühl auf die Forderung: Aus Kuweit hieß es vom verantwortlichen Ölminister Ali al-Omair am Sonntag, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass die Förderung gezügelt werde. Auch Saudi-Arabien sendet keinerlei Signale aus, dass es die Förderung senken möchte.
Ein Grund dafür nennt al-Omair gleich selbst in der offiziellen Kuweiter Nachrichtenagentur: „Eine Kürzung der Opec-Produktion wird nicht unbedingt zu steigenden Preisen führen, da andere Länder mittlerweile signifikant mehr produzieren.“ Noch nie zuvor hat ein Mitglied der Opec die eigene Machtlosigkeit offener zugegeben. Ein anderer Grund ist: Viel Öl wird nur nachgefragt, wenn es der Wirtschaft gutgeht. Ein hoher Ölpreis dagegen kann die Wirtschaft in eine Rezession führen, es würde weniger Öl nachgefragt werden - damit wäre auch niemandem geholfen.
Das neueste Gerücht besagt nun aber, dass die Scheichs durch ihre aggressive Preispolitik andere Anbieter aus dem Markt drängen und so ihre eigene Position stärken wollen. Denn ist der Ölpreis zu niedrig, lohnt sich die Förderung zum Beispiel durch Fracking in den Vereinigten Staaten nicht mehr, und auch die kanadischen Ölsande sind nicht günstig zu erschließen. Bleibt der Preis so niedrig, könnten dortige Produzenten entnervt aufgeben. Doch der durchschnittliche Förderpreis in den Vereinigten Staaten und auch in Russland liegt immer noch bei 76 bis 77 Dollar. Sollte der Preis so tief fallen, könnten viele Länder in eine ernsthafte Krise stürzen.
Dabei kommt Saudi-Arabien immer noch eine Schlüsselrolle zu. Das Land fördert das meiste Erdöl und hat damit eine Führungsrolle inne. Bisher hat es das Land immer geschafft, irgendeinen Konsens zwischen den völlig unterschiedlichen Interessenlagern zusammenzuschustern.
Doch die Fronten waren noch nie so verhärtet wie heute, Kooperation findet nicht einmal auf der niedrigsten Ebene statt. Man kann es als Zeichen des guten Willens interpretieren, als das Land im Sommer seine Produktion kürzte. Doch andere Länder zogen nicht mit. Iran kündigt immer wieder an, notfalls die Förderquoten nicht mehr einzuhalten, und drohte sogar, aus der Opec auszutreten.
Saudi-Arabien ist entnervt und spielt nun sein eigenes Spiel, genau wie das sogenannte Opec-Quartett. Zu diesen eher pragmatisch veranlagten Ländern gehören neben Saudi-Arabien auch Kuweit, die Vereinigten Arabischen Emirate und Qatar. Sie haben die Spielchen der anderen Länder satt. So produzieren sie immer mehr, während die anderen Opec-Länder damit nicht mithalten können. Die Produktion von diesen Ländern ist daher in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen.
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Doch gerade Venezuela benötigt eine höhere Produktion. Jedes Land hat eigene Grenzen für sich, wie niedrig der Ölpreis sein darf, um im Staatshaushalt eine schwarze Null zu schreiben. Tendenziell benötigt Saudi-Arabien etwas niedrigere Preise als Venezuela oder Iran. Der Internationale Währungsfonds berechnete, dass im vergangenen Jahr bereits sieben Opec-Staaten einen Ölpreis von mehr als 100 Dollar benötigten, um den Haushalt ausgeglichen zu gestalten.
Auch Saudi-Arabien benötigt mehr als 90 Dollar, kann aber kürzere Engpässe noch ausgleichen. Doch Venezuela muss als Gegensatz nicht nur seinen Staatshaushalt so finanzieren. Es muss auch gleichzeitig in die marode Ölindustrie Geld stecken. Trotz der größten Reserven fällt die Förderung monatlich, große Investitionen sind vonnöten.
Es wird spannend sein, wer sich am Ende durchsetzt: Findet eine Opec-Sitzung zügig statt, haben Venezuela gewonnen. Doch kommen sie erst wieder turnusmäßig im Dezember zusammen, hat sich Saudi-Arabien und das Quartett durchgesetzt. Doch schon jetzt ist klar: Die Opec ist am Ende, sollte sie sich nicht schnell wieder als schlagkräftige Organisation nach außen hin präsentieren. Der offene Streit lähmt das Kartell, die Förderquoten werden ganz offen von anderen Ländern ignoriert. Das Quartett wird nur noch mühsam zusammengehalten, andere Länder wie die Vereinigten Staaten sind mächtig geworden.
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