Streit um Beteiligung der KleinsparerVerursacher des Zypern-Chaos schieben sich die Schuld gegenseitig zu
18.03.2013 · Die Eurogruppe korrigiert ihre Entscheidung, auch zyprische Kleinsparer am Hilfsprogramm für das Land zu beteiligen. Laut Schäuble war die Einbeziehung eine Idee des zyprischen Staats, der EU-Kommission und der EZB. Diese wehren sich allerdings gegen diese Darstellung.
Von WERNER MUSSLER und STEFAN RUHKAMP
Die Eurogruppe hat ihre Entscheidung vom Samstag, auch zyprische Kleinsparer am Hilfsprogramm für das Land zu beteiligen, innerhalb von zwei Tagen korrigiert. Der Vorsitzende des Gremiums, der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, teilte nach einer Telefonkonferenz mit seinen Kollegen am Montagabend mit, die zyprische Regierung werde die Abgabe progressiver ausgestalten als bisher geplant. Damit soll die Abgabe sozialverträglicher ausgestaltet werden.
Zuvor hatten fast alle wichtigen Teilnehmer des Treffens am Samstag bestritten, für die Belastung der Kleinsparer verantwortlich zu sein. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, er habe nicht darauf gedrungen, auch Spareinlagen von weniger als 100.000 Euro mit einer Sonderabgabe zu belasten. Verantwortlich dafür seien die zyprische Regierung, die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB). Diese hätten „sich für diese Lösung entschieden, und das müssen sie nun dem zyprischen Volk auch erklären“, sagte Schäuble in der ARD. Die Bundesregierung und der Internationale Währungsfonds (IWF) hätten dagegen „die Einlagensicherung respektiert“.
Die EZB und die EU-Kommission wiesen die Vorwürfe zurück. EZB-Direktor Jörg Asmussen sagte in Berlin: „Ich möchte betonen, dass es in den letzten Tagen nicht die EZB war, die darauf gedrungen hat, auf diese spezielle Struktur der Abgabe, die jetzt gewählt wurde. Sondern es war Ergebnis der Verhandlungen in Brüssel.“ Stimmen im Umfeld der EZB gingen noch weiter und sagten, Asmussen habe dazu geraten, Konten mit weniger als 100.000 Euro gar nicht anzutasten.
Asmussen sagte, die EZB bestehe nicht im Detail auf diesem Modell, das Ergebnis von Verhandlungen gewesen sei. Die Zyprer könnten selbst über die Struktur des Programms entscheiden, solange die 5,8Milliarden Euro zusammenkämen, mit denen Privatanleger an dem Paket beteiligt werden sollen. Ähnlich äußerte sich EU-Währungskommissar Olli Rehn. „Wenn die Verantwortlichen in Zypern die Abgabe aus sozialpolitischen Gründen anders staffeln wollen, werden wir das unterstützen, solange der Gesamtbeitrag derselbe bleibt“, sagte Rehn der „Financial Times“.
Regierung wollte Beteiligung abwenden
In Brüssel kursierten am Montag unterschiedliche Teilerklärungen für die in der Nacht zum Samstag getroffene Entscheidung, auch Kleinanleger zu belasten. Sie sah bislang vor, Einleger mit Guthaben von mehr als 100.000 Euro mit einer Abgabe von 9,9 Prozent zu belasten, für geringere Guthaben sollten 6,75 Prozent fällig werden. Richtig an Schäubles Darstellung ist, dass die Bundesregierung und der IWF nur darauf bestanden, dass die zyprischen Einleger grundsätzlich mit einem erheblichen Betrag am Hilfspaket beteiligt werden. Zur Frage, von wem dieser Betrag erhoben werden solle, habe Schäuble keine klare Meinung geäußert, hieß es in der Eurogruppe.
Der zyprische Präsident Nikos Anastasiades hatte nach seiner Rückkehr aus Brüssel gesagt, die Europartner hätten ihn dazu gezwungen, einer Beteiligung der Kleinsparer zuzustimmen. Nach Angaben mehrerer Teilnehmer stimmt auch das nur halb. Am Ende habe die zyprische Regierung selbst für das zunächst beschlossene Modell votiert. Sie sei aber von weiteren Staaten darin „bestärkt“ worden. Die Verhandlungen seien deshalb so schwierig gewesen, weil die zyprische Seite lange geglaubt habe, sie könne die Beteiligung der Einleger ganz abwenden. Eingelenkt habe Nikosia erst, als Asmussen klargemacht habe, dass in diesem Fall die zyprischen Banken in dieser Woche pleitegehen würden.
5,8 Milliarden Euro sind das Ziel
Den Ausschlag zugunsten der Kleinsparerbelastung gab für Anastasiades offenbar die Angst vor einem starken Kapitalabfluss aus dem Land für den Fall, dass die großen Guthaben mit mehr als 10 Prozent belastet würden. Nicht zuletzt Asmussen habe auf diese Gefahr aufmerksam gemacht, hieß es in Brüssel. Eine Rolle habe ferner die EZB-Beobachtung gespielt, dass in den vergangenen Wochen große Guthaben auf viele Konten mit geringeren Beträgen umgeschichtet worden seien. Auch wegen dieser Ausweichreaktionen seien nicht nur die großen Guthaben einbezogen worden. Der Betrag der Abgabe war schon in der Nacht zum Samstag auf allen Konten eingefroren worden. Er soll abgebucht werden, sobald das zyprische Parlament die Abgabe beschlossen hat.
Alle Mitglieder der Troika (IWF, EU-Kommission, EZB) beharren darauf, dass die Beteiligung der zyprischen Sparer 5,8 Milliarden Euro erbringen muss. Der Grund ist, dass die zyprische Staatsschuld, die Ende 2012 rund 86 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betrug, nach Programmabschluss wieder tragfähig werden muss. Die Troika hat deshalb festgelegt, dass die Hilfskredite nicht mehr als 10 Milliarden Euro betragen dürfen. Das entspricht etwa 55 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts.
„Ungerecht, unprofessionell und gefährlich“
Durch das Hilfspaket stiege die Schuldenquote also zunächst auf etwa 140 Prozent des BIP; bis 2020 soll sie wieder auf 100 Prozent sinken. Der Finanzierungsbedarf des zyprischen Staates war ursprünglich mit 17,5 Milliarden Euro angegeben worden. Die Troika hatte schon vor dem Brüsseler Treffen mit der zyprischen Regierung zusätzliche Auflagen ausgehandelt, etwa die Privatisierung der Staatsbetriebe, eine Körperschaftsteuererhöhung und die Beteiligung von Anteilseignern an der Restrukturierung der maroden Banken. Nach Berücksichtigung dieser Auflagen blieb noch eine Finanzierungslücke von 5,8 Milliarden Euro.
Offen blieb am Montag, ob Russland auf die Brüsseler Entscheidung Einfluss nahm. Präsident Wladimir Putin kritisierte die Abgabe am Montag generell. „Sollte eine solche Entscheidung umgesetzt werden, so wäre dies ungerecht, unprofessionell und gefährlich“, sagte er. Zypern hofft weiterhin, dass Russland die Laufzeit eines bilateralen Kredits von 2,5 Milliarden Euro an Nikosia verlängert und dem Land so Luft verschafft.
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