ZypernSchulden und Schuldigkeiten
15.02.2013 · In Zypern wird am Sonntag ein neuer Präsident gewählt. Er wird sich vor allem darum kümmern müssen, den Finanzsektor des Landes zu retten - und die dafür nötigen internationalen Kredite zu sichern.
Von MICHAEL MARTENS, ISTANBUL
Seit dem EU-Beitritt im Jahr 2004 hat Zypern wiederholt mehr in die europäischen Töpfe eingezahlt als herausbekommen. Von 2007 bis 2009 gehörte der Inselstaat zu den Nettozahlern der EU. Zypern ist nicht aus wirtschaftlichen Gründen der EU beigetreten, sondern um sich politische Sicherheit vor der Türkei zu verschaffen. Erst die Krise der zyprischen Banken, die sich mit waghalsigen Geschäften und durch den massenhaften Kauf griechischer Staatsanleihen übernommen haben, kam Zypern in die Rolle des Bittstellers. Wahrscheinlich wird das Land die beantragte Unterstützung wohl auch erhalten - unklar ist nur noch ihr Umfang. Von mehr als 17 Milliarden Euro Bedarf ist die Rede. Thomas Mayer, Berater der Deutschen Bank, wies unlängst in der F.A.Z. darauf hin, dass dies gemessen am Bruttoinlandsprodukt ein Rekord unter den bisher vergebenen Finanzhilfen wäre - es entspräche einer Unterstützung Deutschlands mit Hilfskrediten seiner europäischen Freunde in Höhe von mehr als 2,5 Billionen Euro.
Angesichts der Schieflage des zyprischen Bankenwesens ist es nicht überraschend, dass die Krise das dominierende Thema vor der ersten Runde der zyprischen Präsidentenwahl am Sonntag ist. Die Wahl eines Staatsoberhaupts auf fünf Jahre, die womöglich erst in einem Stichentscheid eine Woche später endgültig entschieden wird, ist die wichtigste politische Abstimmung auf Zypern, denn der Präsident ist auch Regierungschef, sein Kabinett zudem nicht auf eine Bestätigung durch das Parlament angewiesen. Die etwa 550.000 zur Wahl aufgerufenen Zyprer entscheiden also über nichts weniger als über die Frage, wer sie durch die größte wirtschaftliche Krise seit Bestehen ihres Staates führen soll.
Katzenjammer über den Neoliberalismus
Das alte Dauerthema zyprischer Wahlkämpfe - die Debatte über eine Wiedervereinigung der seit 1974 geteilten, im Norden vom türkischen Militär kontrollierten Insel - ist in den Hintergrund gerückt. Es taucht in Sonntagsreden zyprischer Politiker zwar noch auf, doch eigentlich interessiert das Projekt einer Wiedervereinigung nur noch Politologen und Paläontologen. Ein ernsthaftes Interesse könnte allenfalls wieder erwachen, wenn sich erweisen sollte, dass die vor der Küste Zyperns vermuteten und zum Teil schon gefundenen Öl- und Gasvorkommen nur dann wirtschaftlich ausgebeutet werden können, wenn sie durch über türkisches Territorium führende Leitungen auf die europäischen Märkte gelangen.
Behalten die Umfragen recht, wird sich die kommunistische „Fortschrittspartei des werktätigen Volkes“, kurz Akel, mit solchen Fragen fortan aus oppositioneller Perspektive befassen müssen. Ihr Präsident Dimitris Christofias hat als Staatsoberhaupt vor allem in den beiden letzten Jahren seiner Amtszeit in den Augen einer großen Mehrheit der Zyprer eine denkbar schlechte Figur gemacht, weshalb er gar nicht erst zur Wiederwahl antritt. Eine Chance hat der von der Akel als Nachfolger nominierte, formal unabhängige Kandidat Stavros Malas allerdings aller Voraussicht nach ebenfalls nicht, obwohl er der Politikmüdigkeit seiner Landsleute durch einen Verzicht auf ein erkennbares politisches Programm immerhin konsequent Rechnung trug.
Die Akel bestreitet ihren Wahlkampf vor allem mit Katzenjammer über den Neoliberalismus, der an allem schuld sei - auch wenn Zyperns Kommunisten nichts gegen die von ihnen nun wortreich beklagte Wirtschaftsweise einzuwenden hatten, als das Vabanque zyprischer Banken noch reichlich Geld in die Staatskassen spülte. Jetzt behauptet Christofias, schuld an Zyperns Misere seien die Banken durch ihre exzessiven Investitionen in Athener Staatsanleihen - und natürlich Deutschland, das einen Schuldenschnitt auf diese Anleihen durchgesetzt, ihren Wert also gemindert habe. Christofias erinnerte sich indes rechtzeitig daran, dass es immer noch die europäischen Steuerzahler gibt, deren zentraler Daseinszweck es nach Ansicht einiger südeuropäischer Politiker ist, die misslungenen Lausejungenstreiche von Großbanken auszubügeln. Ähnlich wie es in Griechenland vor drei Jahren zu beobachten war, setzte Nikosia anfangs darauf, europäisches Geld jetzt gegen Reformen irgendwann später zu erhalten, scheiterte damit aber ebenso wie die griechischen Brüder auf dem Festland.
„Keine Zweifel an den klaren proeuropäischen Positionen“
Ansonsten unterscheidet sich der Verlauf der Krise in Zypern bisher jedoch deutlich von den Entwicklungen in Griechenland. Erste Reformen konnten tatsächlich durchgesetzt werden, weil der zyprische Staat sich auf eine ungleich effektivere Bürokratie stützen kann als Griechenland, das nicht das Glück hat, eine britische Kolonie gewesen zu sein. Eine politische Radikalisierung, wie sie in Griechenland längst eingetreten ist, kann für Zypern bisher ebenfalls nicht festgestellt werden. Zwar verspricht der für die Sozialdemokratische Partei Zyperns (Edek) antretende Kandidat Georgios Lillikas in populistischer Manier, er werde im Fall eines Wahlsieges die Troika „aus dem Land jagen“, kommt damit aber bei den Wählern nicht recht an.
Führend in allen Umfragen ist Nikos Anastasiadis, der Vorsitzende der konservativen „Demokratischen Sammlung“ (Disy). Manche trauen ihm sogar schon einen Sieg in der ersten Runde zu, wozu er am Sonntag mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten müsste. Sollten die Zyprer tatsächlich Anastasiadis wählen, setzten sie damit ein bemerkenswertes Zeichen für Stabilität. Der als ruhig und besonnen geltende Politiker, der es 2004 gegen den Widerstand der Mehrheit seiner eigenen Partei unbeirrt wagte, für die damals per Referendum anstehende Wiedervereinigung der Insel einzutreten, wird auch außerhalb des eigenen Lagers respektiert.
Anders als Christofias genießt er zudem das Vertrauen Europas. In einer Analyse des zyprischen Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung heißt es treffend, sollte Anastasiadis gewählt werden, „stehen die Chancen auf ein gutes Klima und gegenseitiges Verständnis zwischen Nikosia und Brüssel sowie den anderen europäischen Hauptstädten gut. Erstens bilden die langjährigen Beziehungen zwischen der Disy und Europa im Rahmen der europäischen Institutionen und der Europäischen Volkspartei sowie die persönlichen Beziehungen zwischen deren Parteivorsitzenden und anderen Parteifunktionären eine gute Basis für Gespräche. An den klaren proeuropäischen Positionen der neuen Regierung gibt es keine Zweifel.“
Nicht nur osteuropäisches Großkapital zweifelhafter Herkunft
Auf gute Beziehungen zu Brüssel wird Zypern mehr denn je angewiesen sein. So muss Nikosia sich gegen die Vorwürfe wehren, Zypern sei eine Art riesiger Waschsalon für osteuropäisches Oligarchenschwarzgeld. Um sich gegen diese Vorwürfe besser verteidigen zu können, nimmt die jetzige Regierung schon die Dienste einer PR-Agentur in Anspruch, die eifrig Material verschickt, welches beweisen soll, dass Zypern strikt wie kein zweiter europäischer Staat gegen Schwarzgeld vorgeht.
Mag das auch übertrieben sein, ist es die Darstellung Zyperns als Schwarzgeldparadies sondergleichen wohl ebenfalls. Zypern zieht jedenfalls nicht nur osteuropäisches Großkapital zweifelhafter Herkunft an. „Auch deutsche Banken legen auf Zypern gern Geld an, denn der niedrige Steuersatz in Kombination mit legalen Abschreibungstricks führt dazu, dass sie nur 4,5 Prozent Steuern zahlen“, sagt ein Kenner des Bankengeschäfts.
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