Griechische Umschuldungsmaßnahmen und deutsche Gerichtsbarkeit
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3. Januar 2014 | Kapitalanlagerecht
Es ist deutschen Gerichten verwehrt, über die Rechtmäßigkeit der Umschuldungsmaßnahme der Republik Griechenland zu befinden.
Es braucht vorliegend – für den Fall der Rückzahlungsklage für griechische Staatsanleihen – weder entschieden zu werden, ob die EuGVVO auf die streitgegenständliche Fallkonstellation überhaupt anwendbar ist, ob es sich also um eine zivil- oder handelsrechtliche Streitigkeit handelt, noch ob sich danach die internationale und örtliche Zuständigkeit des LG Konstanz aus einem der in der EuGVVO vorgesehenen besonderen Gerichtsstände herleiten ließe. Die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen der in Betracht kommenden Gerichtsstände (Artt. 5 Nr. 1 a, b, Nr. 3, 15 Abs. 1 c, 16 I EuGVVO), um deren Vorliegen die Parteien eine intensive Auseinandersetzung führen, müssen daher nicht weiter geprüft werden.
Entscheidend ist nämlich, dass es, gleichgültig an welchem Gerichtsstand, deutschen Gerichten generell verwehrt ist, über die Rechtmäßigkeit der Umschuldungsmaßnahme der Republik Griechenland zu befinden. Das LG Konstanz (sowie jedes andere inländische Gericht) kann einen Erfüllungsanspruch aus der streitgegenständlichen Anleihe schon deshalb nicht zusprechen, weil diese infolge des hoheitlichen Handelns der Beklagten, nämlich der Verabschiedung des Gesetzes 4050/2012 durch das griechische Parlament sowie dessen Ausführung durch die zuständigen Regierungsorgane, nicht mehr existiert. Ein auf diesen Vorgang gestützter – vertraglicher oder deliktischer – Schadensersatzanspruch würde demgegenüber voraussetzen, dass die Rechtswidrigkeit der zur Umsetzung des Schuldenschnitts getroffenen Maßnahmen im Einzelnen festgestellt werden könnte. Nachdem sich die griechische Regierung und die Zentralbank aber im Rahmen der durch das Gesetz geschaffenen Ermächtigungsgrundlage gehalten haben, würde dies wiederum bedeuten, dass letztlich das Gesetz selbst an höherrangigem Recht zu messen und ggf. für unwirksam zu erklären wäre. Dies aber ist, nachdem sich die Beklagte mit Recht auf den Grundsatz der Staatenimmunität berufen hat, nicht möglich. Fehlt es aber aus diesen Gründen an der Gerichtsbarkeit überhaupt, so ist die EuGVVO von vorneherein sachlich unanwendbar1.
Im Einzelnen ist hierzu Folgendes auszuführen:
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahre 19632 festgestellt, dass den Staaten nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts Immunität von inländischer Gerichtsbarkeit zusteht, wenn und soweit es um die Beurteilung ihres hoheitlichen Verhaltens (sog. “acta iure imperii“) geht. Dabei ist die Qualifikation der in Rede stehenden Tätigkeit eines ausländischen Staates als hoheitlich oder nichthoheitlich grundsätzlich nach nationalem Recht vorzunehmen. Für die Abgrenzung kommt es im Einzelfall darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt, also öffentlich-rechtlich, oder wie eine Privatperson im kommerziellen Bereich, mithin privatrechtlich (sog. “acta iure gestionis“), tätig geworden ist. Ob dies der Fall ist, richtet sich wiederum nicht nach dem Motiv oder Zweck, sondern nach der Art und Natur der zu beurteilenden staatlichen Handlung oder des streitigen Rechtsverhältnisses3. Allgemein anerkannt ist, dass zu dem Bereich hoheitlicher Tätigkeit – neben beispielsweise der Ausübung der militärischen oder polizeilichen Gewalt oder der Rechtspflege – insbesondere die Gesetzgebung zu rechnen ist.
Dieser Grundsatz der Staatenimmunität als anerkannte Regel des Völkerrechts genießt gem. Art. 25 GG auch im Inland Verfassungsrang, hat in der Vorschrift des § 20 II GVG seinen gesetzgeberischen Niederschlag gefunden und ist daher für die deutschen Gerichte verbindlich. Die – von Amts wegen zu prüfende – deutsche Gerichtsbarkeit darf folglich nicht ausgeübt werden, wenn eine Entscheidung in der Sache völkerrechtswidrig in die Souveränität eines anderen Staates im Bereich von dessen hoheitlicher Tätigkeit eingreifen würde4.
Eben dies aber wäre vorliegend der Fall: Die Kläger machen geltend, das vom griechischen Parlament am 23.02.2012 verabschiedete Gesetz 4050/2012, auf dessen Grundlage das Abstimmungsverfahren unter den beteiligten Anleihegläubigern in Gang gesetzt und nach Erreichen des vorgesehenen Quorums das Ergebnis als für alle Anleger verbindlich festgestellt wurde, sei wegen “eklatanter” Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien als nichtig zu betrachten. Dies ergebe sich schon aus seiner Unvereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG sowie mit Art. 9 und 20 GG. Auch gemessen an vergleichbaren Bestimmungen der griechischen Verfassung sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention sei das Gesetz rechtswidrig.
Wollte ein deutsches Gericht dieses Vorbringen nun aber inhaltlich überprüfen, so würde es zweifellos gerade in den Kernbereich hoheitlicher Betätigung des Staates Griechenland, nämlich in dessen Gesetzgebung, eingreifen. Dies ist, wie dargelegt, generell nicht zulässig: Es steht deutschen Gerichten schlicht nicht zu, die Verfassungsmäßigkeit eines ausländischen Gesetzes – und zwar weder nach Maßgabe der Verfassung des betreffenden Staates noch gar nach den Maßstäben des deutschen Grundgesetzes – zu hinterfragen. Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass selbst ein deutsches (Bundes-) Gesetz ausschließlich durch das Bundesverfassungsgericht für unwirksam erklärt werden könnte (Art. 100 I GG).
Auch der Gesichtspunkt des ordre public (Art. 6 EGBGB), nach dem einem ausländischen Gesetz unter engen Voraussetzungen die Anerkennung verweigert werden kann, hilft – entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung – nicht weiter. Schon der gedankliche Ansatz ist falsch: Es geht vorliegend ja nicht darum, dass ein deutsches Gericht in einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit Auslandsberührung aufgrund der Regeln des internationalen Privatrechts das ausländische materielle Recht im Inland anzuwenden hätte, wobei sich dann in der Tat u.U. die Frage stellen könnte, ob diese Rechtsanwendung im konkreten Fall zu einem untragbaren Widerspruch zu grundlegenden deutschen Rechts- und Wertvorstellungen führen würde. Vielmehr wurde durch das betreffende Gesetz und dessen Umsetzung in Griechenland selbst eine bestimmte Rechtslage geschaffen. Diese mag sich zwar im Ergebnis auch in Deutschland (und anderen Staaten) nachteilig für einzelne Anleger wie etwa die Kläger auswirken; als Faktum ist sie gleichwohl hinzunehmen. Anders ausgedrückt: Wenn infolge der Ausführung des Gesetzes 4050/2012 in Griechenland die in den Bonds verbrieften Forderungsrechte eingezogen, ausgebucht und damit vernichtet worden sind, so kann dies nicht unter Berufung auf den deutschen ordre public – also darauf, dass eine solche Enteignung nach unseren Maßstäben möglicherweise als grundgesetzwidrig angesehen werden könnte – gewissermaßen rückgängig gemacht werden.
Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte vorliegend nicht hoheitlich, sondern privatrechtlich (“acta iure gestionis”) tätig geworden sei.
Richtig daran ist nur, dass die ursprüngliche Emission der streitgegenständlichen Anleihen, durch die sich der griechische Staat auf den Finanzmärkten mit dem nötigen Kapital zu seiner Finanzierung versorgte, unzweifelhaft fiskalischer Natur war5. Dies ist jedoch nicht das Problem: Vielmehr geht es um die Frage, welcher Natur die Einziehung der Anleihen war. Wenn die Kläger aus den streitgegenständlichen Anleihen noch einen primären Erfüllungsanspruch oder aber, weil die Beklagte diese im Rahmen des Schuldenschnitts eingezogen und für nichtig erklärt hat, einen vertraglichen oder deliktischen Schadensersatzanspruch geltend machen, so ist zunächst zu konstatieren, dass ihnen aufgrund des Gesetzes 4050/2012 alle diesbezüglichen Ansprüche entzogen worden sind. Diese Entziehung erfolgte zwar nicht schon im Wege der Legalenteignung, also durch das genannte Gesetz selbst, sondern erst – nachdem die erforderlichen Abstimmungsmehrheiten zustande gekommen waren – infolge von dessen Umsetzung durch Beschlüsse des Ministerrats und die daraufhin ergangenen Anweisungen an die griechische Zentralbank. Mit dem nach der Gläubigerabstimmung (“collective-action-Prozess”) erfolgten (Zwangs-) Umtausch der Bonds hat aber die griechische Regierung nur das durchgeführt, was das Gesetz 4050/2012 vorsah; sie bewegte sich somit im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung. Nach Maßgabe der griechischen Gesetzeslage handelte sie deshalb in jedem Fall rechtmäßig6. Selbst wenn jedoch die Exekutivorgane den Ermächtigungsrahmen überschritten hätten, wäre dies als Hoheitsakt durch ein deutsches Gericht nicht überprüfbar. Ein greifbarer Rechtsverstoß – etwa wegen Unvereinbarkeit des Gesetzes 4050/2012 mit der griechischen Verfassung – könnte deshalb allenfalls in dem Umstand gesehen werden, dass eben diese Gesetzeslage durch das Parlament, also durch hoheitliches Handeln, geschaffen worden war. Gerade dies aber entzieht sich der Kontrolle durch ein deutsches Gericht.
Dass die griechische Zentralbank selbst, wie sie in einem an den Staatsgerichtshof gerichteten Schriftsatz geäußert hat, der Meinung ist, bei dem Anleihentausch nicht hoheitlich, sondern fiskalisch gehandelt zu haben, kann an dieser Beurteilung nichts ändern: Wie vorstehend bereits dargelegt, obliegt die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und nichthoheitlicher Staatstätigkeit nicht den handelnden Organen des betreffenden ausländischen Staates, sondern sie ist grundsätzlich nach dem nationalen Recht des angerufenen Gerichts, hier also nach deutschem Recht vorzunehmen7.
Die vorliegende Fallkonstellation ist auch nicht mit dem Fall der Argentinien-Anleihen vergleichbar:
Nach der ab 1999 verschärften Finanzkrise und der darauf folgenden Staatspleite hatte die Republik Argentinien durch ein Gesetz aus dem Jahre 2002 den “öffentlichen Notstand” erklärt und auf der Grundlage einer daraufhin erlassenen Verordnung die Bedienung der Auslandsschulden durch die Regierung vorläufig ausgesetzt, um in der so gewonnenen Zeit den Schuldendienst insgesamt neu ordnen zu können. Deutsche Anleger hatten daraufhin gegen die Republik Argentinien auf Erfüllung ihrer Ansprüche aus den auch auf dem deutschen Kapitalmarkt aufgelegten Staatsanleihen geklagt. Die hiermit befassten Zivilgerichte hatten sich an einer Sachentscheidung nicht durch Immunitätsgesichtspunkte gehindert gesehen8.
Der entscheidende Unterschied zum vorliegenden Fall lag indes darin, dass die Republik Argentinien bei der Emission der Anleihen ausdrücklich “unwiderruflich” auf die Staatenimmunität “in Bezug auf ihre Verpflichtungen aus den Schuldverschreibungen” verzichtet und sich dementsprechend auch, jedenfalls in den Erkenntnisverfahren, gar nicht auf ihre Immunität berufen hatte. Die Rückzahlungsklagen konnten deshalb ohne Weiteres der fiskalischen, nichthoheitlichen Staatstätigkeit zugeordnet werden; zumindest aber stand infolge des Verzichts der Gesichtspunkt etwaigen hoheitlichen Handelns einer Entscheidung durch deutsche Gerichte nicht entgegen. Demgegenüber haben die Kläger im vorliegenden Fall gerade nicht aufzeigen können, dass das griechische Gesetz 2198/1994, auf dessen Grundlage die Emission der streitgegenständlichen Anleihen ursprünglich erfolgt war, einen ähnlichen Immunitätsverzicht beinhaltet hätte.
Gegenstand einer zu diesem Komplex ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war denn auch nur, ob der Staat Argentinien berechtigt war, gegenüber Privatpersonen die Erfüllung privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf einen wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand zeitweise zu verweigern9. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass jedenfalls keine allgemeine Regel des Völkerrechts feststellbar sei, aus der sich eine solche Berechtigung herleiten ließe. Die Frage, ob die Republik Argentinien sich wegen der Aussetzung des Schuldendienstes nicht vielleicht unter dem Gesichtspunkt hoheitlichen Handelns auf Immunität berufen konnte, spielte in diesem Zusammenhang – nach dem vorstehend erwähnten Verzicht konsequent – keine Rolle.
In einer zweiten Entscheidung befasste sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage, auf welche Weise gegen den ausländischen Staat vollstreckt werden kann10: Konkret ging es darum, ob der in den Anleihebedingungen enthaltene pauschale Immunitätsverzicht Argentiniens sich auch darauf erstreckte, dass damit auch im Vollstreckungsverfahren die Immunität bezüglich hoheitlich genutzten Vermögens aufgehoben war, ob also das besonderem diplomatischem Schutz unterliegende Botschaftskonto gepfändet werden konnte – was das BVerfG verneinte. Auch aus dieser Entscheidung können die Kläger mithin nichts für ihre Rechtsposition herleiten.
Damit hat es im Ergebnis dabei zu verbleiben, dass die Klage mangels deutscher Gerichtsbarkeit unzulässig ist.
Landgericht Konstanz, Urteil vom 19. November 2013 – 2 O 132/13 B
vgl. Stürner, Staatenimmunität und Brüssel I-Verordnung, IPrax 2008, 197, 203↩
BVerfG, NJW 1963, 1732; bestätigt in BVerfG NJW 2006, 2542; vgl. ferner BGH NJW 1979, 1101↩
s. auch BGH, Beschluss vom 30.01.2013, III ZB 40/12↩
s. auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.06.2013 – 5 W 17/13↩
BVerfG NJW 2007, 2605 Rz. 35 betr. Argentinien-Anleihen↩
so auch LG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2013 – 11 O 397/12↩
BGH NJW 1979, 1101↩
vgl. insb. OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.04.2008 – 8 U 201/07↩
s. BVerfG NJW 2007, 2610↩
BVerfG NJW 2007, 2605↩
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