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Samstag, 17. März 2012

An das BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE BMWi


Rolf Koch                                                                                            Samstag, 17. März 2012
Zur Eisernen Hand 25
64367 Mühltal
Tel 06151 14 77 94
Fax 06151 14 53 52

An das
BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE BMWi
- Außenwirtschaft -
11019 BERLIN


Betreff: Anfrage zur Gültigkeit, Anwendung und Anrufung bzw. Einsetzung eines Schiedsgerichtes des BIT Deutschland-Griechenland im Zusammenhang mit der PSI ZwangsUmschuldung[1] Ende Februar – Anfang März 2012.
(Gesetz zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 27. März 1961, verkündet 4. April 1963, kurz: BIT)


Sehr geehrte Damen und Herren,

im Rahmen der PSI Umschuldungsinitiative wurden die in Anleihen „verbrieften[2]“ Schulden der Republik Griechenland (die griechischem Recht unterliegen) bei privaten Gläubigern zwangsweise umgeschuldet, genauer gesagt nominal um mehr als die Hälfte (53,5 Verlust durch Schuldenschnitt nominal / in Terms des NPV um etwa 78 %)  reduziert. Dazu wurden alle ausstehenden Anleihen nach griechischem Recht eingezogen und durch neue Anleihen ersetzt.
Zu diesem privaten Gläubigerkreis zählen auch viele deutsche Kleinanleger inkl. meiner Person. Dieses als „freiwillig“ deklarierte Umschuldungsangebot wurde mir am 01.03.2012 in Form eines „Invitation Memorandums“ 166 Seiten stark und einer knapp 100 Seiten starken Trust Deed (die deutschem Rechtsverständnis sehr fremd ist) in englischer von juristischem Boilerplate durchsetzt seitens meiner depotführenden Banken zur Kenntnis gebracht; meine Willenserklärung mußte bis spätestens 7.03.2012 in schriftlicher Form bei meiner Depotbank vorliegen (bei der Deutschen Bank sogar am 5.3. um 10:00), dazwischen lag ein Wochenende. D.h. man hat den Kleinanlegern effektiv 3-4 Werktage Zeit gegeben, auf dieses Angebot zu reagieren. Innerhalb dieser kurzen Zeitspanne war eine fachliche steuerliche und rechtliche Beratung nicht möglich.

Wie viele andere Betroffene habe auch ich sowohl die nachträgliche Änderung der Anleihebedingungen als auch das Umtauschangebot abgelehnt. Am 09.03. 2012 hat die griechische Regierung per Presseerklärung verkündet, daß rund 86% der Privatgläubiger „freiwillig“ dem Umtauschangebot zugestimmt haben und dieses somit auf Basis des Greek Bondholder Act (LAW 4050/2012) für alle Privatgläubiger – einschließlich der Ablehner – verbindlich sei. Mit anderen Worten: diejenigen Privatgläubiger, die das „freiwillige“ Angebot abgelehnt hatten, wurden zwangsweise beteiligt und damit enteignet.
Beginnend mit dem Montag, den 12.3.2012 wurden in meinen Wertpapierdepots ohne meine Einwilligung sukzessive die Altanleihen ausgebucht[3] und stattdessen die neuen Anleihen eingebucht.
Dies als kurzer Abriss zum Hintergrund meiner Anfrage.

Die griechische Regierung hat ein Gesetz erlassen („Greek Bondholder Act“) mit dem Zweck, alle Privatgläubiger nach Erhalt einer im Vorfeld definierten „freiwilligen“ Zustimmungsquote zwangsweise an der Umschuldung zu beteiligen[4]. Die Umschuldung kommt damit nach meiner Auffassung einer Teilenteignung gleich.

Diese Zwangsumschuldung stellt sowohl einen Verstoß gegen die Anleihebedingungen als auch einen Verstoß gegen Artikel 17 der griechischen Verfassung dar, der besagt, daß Enteignungen ohne Ausnahme nur gegen angemessene Entschädigung erfolgen dürfen.

Investitionen deutscher Staatsbürger in Griechenland sind jedoch auch zusätzlich durch das „Gesetz zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen, verkündet 04. April 1963“ – kurz: BIT – geschützt.
Die Republik Griechenland ist Rechtsnachfolger des Königreichs Griechenland, somit ist dieser Vertrag für die Republik Griechenland ebenfalls bindend.

Artikel 8 (1) des Abkommens definiert den Begriff „Kapitalanlagen“.
„Der Ausdruck Kapitalanlagen umfaßt alle Vermögenswerte, insbesondere, aber nicht ausschließlich...“

Artikel 8 (2) des Abkommens definiert den Begriff „Erträgnisse“.
„Der Ausdruck Erträgnisse bezeichnet diejenigen Beträge, die auf eine Kapitalanlage für einen bestimmten Zeitraum als Gewinnanteile oder Zinsen entfallen.“

Es dürfte unstreitig sein, daß die Greek Bonds einen Vermögenswert und die daraus angefallenen Zinsen Erträgnisse darstellen und somit unter den Schutz des BIT-Abkommens fallen.

Artikel 3 (2) des Abkommens definiert den Begriff „Entschädigung“ im Zusammenhang mit einer Enteignung.
„Kapitalanlagen von Staatsangehörigen und Gesellschaften eines Vertragsstaates dürfen im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates nur zum allgemeinen Wohl und gegen Entschädigung enteignet werden. Die Entschädigung muss dem Wert der enteigneten Kapitalanlage entsprechen, ...“

Der Wert der griechischen Staatsanleihen entspricht nach meiner Auffassung dem jeweiligen Nominalwert, zuzüglich der aufgelaufenen Zinsen daraus.
Demzufolge wäre die Republik Griechenland verpflichtet, die nicht freiwillig teilnehmenden Privatinvestoren in Höhe des Werts der Anleihen plus Zinsen zu entschädigen; unter Abzuge des Gegenwartswertes (NPV) der im Zwangstausch erhaltenen 24 verschiedener Anleihen.

Die griechische Regierung beruft sich nicht einmal auf Notstand[5] und legitimiert damit den Greek Bondholder Act nicht.
Selbst wenn sie sich auf einen Notstand berufen würden, ist dem entgegen zu halten, dass der Begriff „Notstand“ im BIT nur in Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen und Revolutionen definiert ist, sozusagen durch unabwendbare Ereignisse hervorgerufen.
Dazu ist anzumerken, dass die griechische Regierung eine der fraglichen Anleihen im Jahr 2009 ausgegeben hat, mit Fälligkeit 20.03.2012.
Eine Regierung, die eine Anleihe auflegt und diese 3 Jahre später nicht mehr regulär bedienen kann handelt meiner Meinung nach grob fahrlässig, wenn nicht gar vorsätzlich.
Es ist davon auszugehen, dass es der griechischen Regierung aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bereits hohen Gesamtverschuldung und der gesamtwirtschaftlichen Situation möglich war, schon 2009 die Folgen der in 2012 fälligen Tilgung abzusehen. Die Anleihen hätten damals also nicht ausgegeben werden dürfen. Fall sie sich im Nachhinein auf Notstand zu berufen würden ist daher in meinen Augen nicht legitim.

Aufgrund des rechtlich äußerst fragwürdigen Vorgehens der griechischen Regierung in Bezug auf die Beteiligung der Privatinvestoren am Schuldenschnitt ist mit juristischen Auseinandersetzungen zu rechnen.

Artikel 11 (1) des Abkommens bzgl. Anwendung und Auslegung des Vertrags: „Im Falle von Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung oder die Anwendung dieses Vertrages verpflichten sich die Vertragsstaaten, zur Herbeiführung einer Lösung in freundschaftlichem Geist Konsultationen aufzunehmen.“


Dazu meine Fragen an das BMWi:

1) Sieht das BMWi den Schutz des BIT auch für die Investition in griechische Staatsanleihen als gegeben an – wenn nicht, warum nicht?
2) Was hat die Bundesregierung in den Verhandlungen im Vorfeld der PSI Umschuldung hinsichtlich der Geltendmachung des BIT gegenüber der griechischen Regierung unternommen?
3) Was gedenkt die Bundesregierung bzw. das BMWi als zuständiges Ministerium hinsichtlich der Einhaltung der Vertragsbedingungen des BIT und zum Schutz der Interessen der deutschen Privatinvestoren zu tun?
4) Beabsichtigt die Bundesregierung ein Schiedsgericht in dieser Sache einzuberufen /aufzusetzen?
5) Bitte informieren Sie mich wie ich erreichen kann, das Schiedsgericht aufgesetzt wird.
Aufgrund der Aktualität und im Interesse aller geschädigten Privatinvestoren ersuche ich das BMWi um zeitnahe Beantwortung meiner Fragen.
Des weiteren bitte ich um die Bestätigung des Eingangs dieses Schreibens an meine Postanschrift oder per email.
Vorab werde ich diese Anfrage per Kontaktformular verschicken, parallel dazu geht Ihnen dieses Schreiben noch auf dem Postwege zu, per Fax und per email.

Vielen Dank im Voraus für Ihre Bemühungen.

Mit freundlichem Gruß

Rolf Koch


[1] Basierend auf einem Entwurf von Aldy, Bondboard

[2]  Diese Anleihen wurden (sie sind durch den enteignungsgleichen Zwangsumtausch mittlerweile untergegangen) im Book Entry Verfahren bei der griechischen Notenbank in entmaterialisierter Form durch ein Register begründet und geführt.

[3]  Nach § 34 Depotgesetz ist hier gegebenenfalls der Straftatbestand der Depotunterschlagung erfüllt; dieser ist mit Haft bis zu 5 Jahren sanktioniert.

[4]  Technisch geschah dass durch rückwirkende (retroactive) Einfügung (ammendment) von CAC´s (collective action clauses). Hier wurde durch ein Gesetz rückwirkend und damit grob rechtswidrig zum finanziellen Vorteil des Gesetzgebers eine breite, vorwiegend ausländische Anlegerschaft enteignet.

[5]  Wie es die Republik Argentinien tat und auch noch tut; Ende 2011 wurde das Notstandsgesetzt nochmals um zwei volle Jahre verlängert. Obwohl Argentinien auf 10 Jahre mit Wirtschaftswachstum von bis zu 10% jährlich zurückblicken kann.

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