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Samstag, 25. August 2012

Was für den Normalbürger beängstigend klingt, das haben kleine Zirkel längst minutiös durchdacht. Die großen Banken und viele Unternehmen haben den Plan für den Austritt Griechenlands aus dem Euro größtenteils schon vor Monaten gemacht. Berater der Finanzberatung Capco etwa haben 300 Seiten starke Kompendien geschrieben, in denen jeder Schritt enthalten ist, den eine Bank gehen muss, wenn Tag X gekommen ist.


Vorbereitungen bei Banken und Konzernen Die heimlichen Pläne für den Euro-Crash

25.08.2012 ·  Banken und Konzerne bereiten sich darauf vor, dass der Euro zerfallen könnte. Sie horten Bares, ändern Verträge und proben, wie man die „neue Drachme“ einführt.
Von Georg Meck und Lisa Nienhaus
© Chris Madden
Es ist ein verzweifelter Besuch, den der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras dieser Tage der Kanzlerin und dem französischen Präsidenten abstattet. Er bittet für sein Land um mehr Geld und mehr Zeit. Doch er muss sich einiges anhören. Der Austritt Griechenlands aus dem Euro sei „für den Euro kein Problem“ - wie es Volker Kauder (CDU) formulierte. Der Notfallplan für den Austritt Griechenlands sei längst gemacht - wie es aus dem Finanzministerium an die Öffentlichkeit drang.
Der Ton wird härter gegenüber Griechenland, die Lage vertrackter. Schon glaubt eine Mehrheit der Deutschen, dass Griechenland bald nicht mehr zum Euro gehört.

Die Krisenteams haben Griechenland abgehakt

Was für den Normalbürger beängstigend klingt, das haben kleine Zirkel längst minutiös durchdacht. Die großen Banken und viele Unternehmen haben den Plan für den Austritt Griechenlands aus dem Euro größtenteils schon vor Monaten gemacht. Berater der Finanzberatung Capco etwa haben 300 Seiten starke Kompendien geschrieben, in denen jeder Schritt enthalten ist, den eine Bank gehen muss, wenn Tag X gekommen ist.
© F.A.Z.
Jede Anlageklasse hat ihren eigenen bis zu 30 Seiten umfassenden Ablaufplan. Das sind keine theoretischen Spielereien. Capco-Partner Bernd Richter berichtet: „Für unsere Kunden haben wir genau getestet: Was muss ich am Computersystem verändern, damit der Trader in der Suchmaske auch die neue griechische Drachme finden kann? Und wie schnell kriege ich das hin?“ Sogar die Mails des Vorstandsvorsitzenden an die Mitarbeiter und an die Presse wurden schon in ihren wesentlichen Inhalten festgelegt.
Nein, die Krisenteams, die in den großen Banken und Konzernen vor Monaten gebildet wurden, haben Griechenland längst abgehakt. Sie sind weiter. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass es mit dem Euro auch ganz schiefgehen könnte, steigt, seit auch Spanien unter den Rettungsschirm geflüchtet ist. Seitdem bereiten sich die Krisenteams auf ein viel beängstigenderes Szenario vor: auf das Auseinanderbrechen des Euro.

„Alle Pläne liegen fertig in den Schublade“

„Rund ein Drittel der Führungskräfte in deutschen Unternehmen hält es für wahrscheinlich, dass der Euro in einen Nord- und einen Süd-Euro zerfallen könnte“, berichtet Alexander Roos, der als Partner der Unternehmensberatung Boston Consulting Firmen zur Euro-Krise berät. Zwar glaubt eine Mehrheit immer noch, dass der Euro bleibt, aber man bereitet sich trotzdem auf den Ernstfall vor.
Die Banker sind besonders nervös. Die Anzeichen sind alarmierend: Außereuropäische Anleger ziehen sich zurück. Amerikanische Banken schotten sich gegenüber Europas Banken ab, berichtet Jürgen Fitschen, Co-Chef der Deutschen Bank. Früher haben Euro-Banken Dollarkredite aufgenommen, jetzt ist das schwieriger.
Seit Monaten arbeiten deshalb Euro-Krisenteams, eingebunden sind alle relevanten Abteilungen: Risikomanager, Treasury, Kundenbetreuer, Kommunikation. Die Volkswirte arbeiten an ökonomischen Prognosen, die Praktiker am Handfesten: Muss die Bank am Tag X schließen und, wenn ja, wie lange? Wann stoppt man Überweisungen in ein Land, das die Eurozone verlässt? Was passiert mit den Geldautomaten? Was mit den Sparbüchern? „Alle Pläne liegen fertig in den Schublade“, sagt ein Banker. Bei fünf Prozent Wahrscheinlichkeit der Euro-Schmelze habe man angefangen, sich tiefere Gedanken zu machen, erzählt ein anderer Bank-Manager. Aktuell beziffert er das Risiko schon auf 15 bis 20 Prozent.

Tochterbanken werden vom Mutterkonzern abgetrennt

Offen darüber sprechen will allerdings keiner - weder in den Banken noch in den Versicherungen, die ebenfalls eifrig Szenarien durchspielen. Von der Arbeit der Krisenteams erfahren selbst die meisten Mitarbeitern nichts, geschweige denn die Öffentlichkeit. Zu groß ist die Sorge, damit Panik zu schüren und den Euro zu gefährden.
Am offensten ist noch Michael Diekmann, Chef der Allianz. „Unser Basis-Szenario ist unverändert, dass Griechenland in der Eurozone verbleibt“, sagte er Anfang August. „Die Entwicklung der letzten Monate hat aber gleichzeitig das Risiko anderer Szenarien wachsen lassen.“ Auch die Commerzbank gibt zu: „Wir spielen Szenarien durch. Das erwarten Kunden, Mitarbeiter, Bankenaufsicht. Das heißt nicht, dass wir deren Eintritt erwarten.“ „Kein Kommentar“ ist hingegen die knappe Antwort aus der Deutschen Bank auf die Frage nach Notfallplänen.
Dass die Großbanken sich wappnen, kann man aber auch in ihren Finanzberichten nachlesen. Seit einiger Zeit fahren sie nämlich eine besondere Strategie, um bei einem Zerfall des Euro handlungsfähig zu bleiben: Sie trennen ihre Töchter in den Krisenländern finanziell weitgehend vom Mutterkonzern ab. Das geht am besten, indem die spanischen oder italienischen Tochterbanken sich nicht mehr über die deutsche Mutter bei der Europäischen Zentralbank refinanzieren, sondern direkt über die Notenbank vor Ort. Der Vorteil: Würde Spanien oder Italien den Euro verlassen und eine eigene Währung einführen, die stark abwertet, hätte die Bank kein Problem. Der Wert der Forderungen gegen spanische oder italienische Unternehmen und Privatleute würde genauso abwerten wie der Wert der Verbindlichkeiten gegenüber der örtlichen Notenbank. Auf beiden Seiten der Bilanz stünde dieselbe Währung.

Keiner spricht gerne über den Tag X

Aus diesem Grund haben sich etwa die Tochtergesellschaften der Deutschen Bank in Spanien und Italien vor Ort insgesamt neun Milliarden Euro bei der Notenbank besorgt. Und Commerzbank-Chef Martin Blessing hat vor Monaten schon bekannt, die Refinanzierung über die lokalen Notenbanken sei ein Mittel, sich gegen einen Zusammenbruch der Eurozone zu wappnen.
Zusätzlich bringen die Geldhäuser ihre flüssigen Mittel ins Nicht-Euro-Ausland. „Speziell große Häuser verlagern Liquidität aus dem Euroraum heraus“, erzählt Daniel Kapffer, Partner bei der Beratung Accenture. Und sie arbeiten ihre Verträge mit anderen Banken durch. „Insbesondere die Derivatekontrakte“, berichtet Peter Neu, Partner bei Boston Consulting. Betrachtet werden beispielsweise die Sicherheiten, die nun besser nicht mehr in Italien oder Spanien liegen sollten, und der Gerichtsstand. „Hier bevorzugt man London, da das ein relativ neutraler Standort in Bezug auf Euro-Probleme ist.“
Juristen, die sich mit solchen Verträgen auskennen, haben Hochkonjunktur, eilen von Firma zu Firma und verteilen Handzettel für Tag X: „Was ist zu tun, wenn die Eurozone auseinanderbricht?“, heißt es im Schreiben einer internationalen Kanzlei. „Fragen, die vor nicht langer Zeit als undenkbar galten“.
Auch in der Industrie hantieren sie alle intern mit Szenarien. Keiner jedoch spricht gerne darüber. „Wir beteiligen uns nicht an Schwarzmalerei“, sagt Daimlers Finanzvorstand Bodo Uebber. Die Kollegen in exportorienterten Dax-Konzernen wie BMW, BASF oder Linde sehen das genauso. „Wir sind für den Euro“ - das ist die große Linie.

„Keine Sorge“

Hinter den Kulissen geht es anders zu. Die Finanzabteilungen wissen genau, was sie tun. Zum Beispiel horten sie Cash. „Die Firmen lassen nicht mehr über Nacht große Geldbeträge in Spanien oder Italien liegen“, erzählt Berater Roos. „Jede Nacht machen sie die Konten in den Krisenländern bis auf einen Mindestbetrag leer und ziehen das Geld in Deutschland zusammen.“ Man will nichts verlieren, falls Spanien, Portugal oder Italien über Nacht eine neue Währung einführen, die dann stark abwertet. Zudem schichten die Firmen hohe Geldbeträge in Währungen um, die wichtige Einkaufswährungen sind, häufig in Dollar.
Und die Juristen gehen Landesgesellschaft für Landesgesellschaft in den Krisenländern durch und fragen: Wie baue ich die rechtliche Hülle, so dass die Tochter notfalls insolvent gehen könnte, ohne die deutsche Mutter zu beschädigen?
Das klingt beängstigend, man kann es aber auch ganz anders sehen - wie einer der vielen Krisen-Berater, der ungenannt bleiben will. „Keine Sorge“, sagt er. „Der Euro mag crashen. Siemens und VW werden deshalb nicht untergehen.“
Quelle: F.A.S. 

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/vorbereitungen-bei-banken-und-konzernen-die-heimlichen-plaene-fuer-den-euro-crash-11867936.html

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