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Freitag, 26. September 2014

Die Vertriebskommissionen gehören den Bankkunden. Das ist nicht erst seit den Urteilen des Bundesgerichts klar. Weil die Geprellten aber bei UBS und Credit Suisse auflaufen, setzen sie sich nun zur Wehr.

Die Banken halten ihre Kunden hin

Die Vertriebskommissionen gehören den Bankkunden. Das ist nicht erst seit den Urteilen des Bundesgerichts klar. Weil die Geprellten aber bei UBS und Credit Suisse auflaufen, setzen sie sich nun zur Wehr.

Coutts war die erste Bank, gegen die im Zusammenhang mit Retrozessionen Strafanzeige erstattet wurde. Foto: Bloomberg
Coutts war die erste Bank, gegen die im Zusammenhang mit Retrozessionen Strafanzeige erstattet wurde. Foto: Bloomberg

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Anwälte und betroffene Bankkunden zeichnen übereinstimmend folgendes Bild: Kleine Kunden blitzen mit ihren Forderungen nach Rückerstattung der Vertriebskommissionen in der Regel ab. Die meistenBanken argumentieren mit Verjährung, verweisen auf ihre Geschäftsbedingungen und Verzichtserklärungen, welche die Kunden abgegeben hätten – Argumente, die juristisch umstritten sind. Die Banken wissen um den Umstand, dass sich Kunden mit wenig Vermögen ein zivilrechtliches Vorgehen gegen die Bank nicht leisten können.
Anders gehen die Banken mit reichen Kunden und institutionellen Grossanlegern wie Pensionskassen um. Sie schliessen Vergleiche ab – stets verbunden mit der Verpflichtung, Stillschweigen zu bewahren. Andere Betroffene sollen nicht erfahren, in welchen Fällen und unter welchen Bedingungen Banken Retrozessionen zurückerstatten.
Es gibt aber auch Kunden, die nicht mitspielen. Leute, die sich aus prinzipiellen Gründen – und weil sie es sich ­leisten können und wollen – querlegen. Zum Beispiel Mutter und Tochter Lilienfeld*. Nach dem Tod des Ehemanns und Vaters sind die beiden zu Vermögen gekommen. Nach Darstellung von Tochter Lilienfeld verlangten sie im Januar 2013 von derUBS (UBSN 16.59 -0.06%die Offenlegung der Retrozessionen. Erst nach einem zweiten Schreiben erhielten sie unvollständige Angaben. Mutter Lilienfeld wurde über Monate hingehalten – mit Anrufen der Kundenberaterin und Essenseinladungen. Im August schalteten sie die Anwaltskanzlei AFP Advokatur Fischer & Partner ein. Im Oktober 2013 lieferte die Bank die vollständige Offenlegung für die vergangenen zehn Jahre. Für Mutter und Tochter zusammen summieren sich die einbehaltenen Kommissionen auf rund 230 000 Franken.
«Feilschen wie auf dem Basar»
Gemäss Tochter Lilienfeld folgte im Dezember 2013 der Anruf eines UBS-Vertreters mit dem Angebot, eine gütliche Einigung ohne Anwälte zu erzielen. «Das Angebot war für uns ein Tropfen», sagt Lilienfeld. Sie lehnte ab. Später soll der Mann nach UBS-interner Rücksprache und nach einstündigem Schachern plötzlich 50 Prozent der ausgewiesenen Kommissionen angeboten haben. Lilienfeld lehnte wieder ab. «Diese Salami­taktik, dieses Feilschen wie auf einem Basar, dieses zum Stillschweigen verpflichtet werden – das läuft mir einfach gegen den Strich», sagt sie.
Am meisten wurme sie das Verhalten der Bank, weil ihre Familie seit den frühen Achtzigerjahren bei der UBS – ursprünglich beim Bankverein – sei. «Als Privatkunde wird man hofiert. Taucht aber ein Problem auf, wird man wie eine heisse Kartoffel fallen gelassen.» Tochter Lilienfeld sagt auch: «Es geht uns schlicht und einfach ums Prinzip, nicht ums Geld, wir haben genug zu leben.» Auch finde sie es nicht richtig, nur, weil sie sich einen Anwalt leisten könne, auf das Angebot der UBS einzutreten.
Die Lilienfelds haben entschieden, gegen die UBS zu klagen. Ein erster Termin vor dem Schaffhauser Friedensrichter steht an. Anwalt Daniel Fischer sagt, der Anspruch auf Rückzahlung der Retrozessionen sei klar gegeben, die Strategie der Banken ziele darauf, die Leute mürbe zu machen. «Die Zeit läuft für die UBS», sagt Fischer. «Doch ich stelle fest, dass die Kunden, die noch nicht aufgegeben haben, sehr erbost sind.»
Die Bank äussert sich zum Fall Lilienfeld nur summarisch: «Die UBS ist daran, das Thema fallweise vor dem Hintergrund der Gesamtbeziehung mit ihren Kunden zu erörtern. Üblicherweise führen wir das Gespräch mit dem mandatierten Rechtsvertreter. Da sich die UBS in dieser Sache nicht von einem Anwalt vertreten lässt, steht der UBS auch der Weg frei, das Thema direkt mit dem Kunden zu erörtern.»
Gerichtsweg nur für Reiche
Lilienfelds haben für das bevorstehende Gerichtsverfahren eine sechsstellige Geldsumme bereitgestellt. Das allein zeigt, dass nur Gutsituierten der Weg durch die Gerichtsinstanzen offensteht. Es sei denn, man geht den Weg über die Strafanzeige. Dieter Söhner von der Advokatur Söhner & Partner reichte im Februar im Auftrag eines Kunden Anzeige gegen die Bank Coutts ein – eine Tochter der Royal Bank of Scotland. Nach Söhners Meinung hat Coutts mit dem Einbehalten von Kommissionen die Tatbestände der Privatbestechung, der ungetreuen Geschäftsbesorgung und des ­Betrugs erfüllt.
Strafrechtsprofessor Marcel Niggli stützt das Vorgehen Söhners. Er habe schon lange auf eine Strafanzeige gewartet. Die Branche habe unabhängig von den Bundesgerichtsentscheiden zu den Retrozessionen gewusst, dass das Kassieren von Kommissionen problematisch sei. Im Interview mit dieser Zeitung sagte Niggli im April: «Wenn Sie für jemanden Vermögen verwalten oder in seinem Auftrag handeln und ihm zur Treue verpflichtet sind, ist es immer problematisch, wenn Sie gleichzeitig in diesem Zusammenhang von einer Drittperson Geld erhalten.»
Die Bundesanwaltschaft delegierte die Anzeige im März an die Zürcher Staatsanwaltschaft. Ende Mai wurde sie der auf Wirtschaftsdelikte spezialisierten Staatsanwaltschaft III zugeteilt. Deren Leiter, Staatsanwalt Peter Pellegrini, will sich inhaltlich nicht zur Sache äussern. Er sagt aber, der Fall sei keineswegs schubladisiert. «Wir haben ihn ­bereits eingehend diskutiert.» Es sei ­bestimmt kein Fall, der sich jahrelang hinziehen werde. Die seit dem Eingang der Anzeige verflossene Zeit sei gerade bei der Abklärung wichtiger rechtlicher Fragen keine lange Dauer. Anwalt Söhner sagt: «Ein rasches Vorgehen der Staatsanwaltschaft ist wichtig, weil die Verjährung der Ansprüche droht.»
Wenn die Staatsanwaltschaft zum Schluss kommt, dass ein hinreichender Anfangsverdacht vorliegt, wird sie eine formelle Eröffnungsverfügung erlassen. Am Ende der folgenden Untersuchung erhebt die Staatsanwaltschaft entweder Anklage oder stellt das Verfahren ein.
Strafanzeige gegen Credit Suisse
Söhner wird demnächst eine zweite Strafanzeige einreichen – diesmal gegen die Credit Suisse. (CSGN 25.98 -0.46%Sein Klient kämpft um Kommissionen von rund 60 000 Franken. Die CS hat ihm gut 5000 Franken angeboten. Die Bank nimmt für sich in Anspruch, sie habe «seit Jahren transparent bezüglich erhaltener Entschädigungen von Produktanbietern informiert». Söhner geht auch in diesem Fall den Weg der Strafanzeige, «weil dies dem Wunsch des Klienten entspricht, er von der Bank unfair behandelt wurde und sonst keine Chance sieht, seinen Rechten in angemessener Weise Gehör zu verschaffen».
* Name geändert. (Tages-Anzeiger)
(Erstellt: 24.09.2014, 22:56 Uhr)

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