Wenn drei sich streiten
Die "Troika" soll gemeinsame Interessen der Gläubiger
gegenüber Griechenland vertreten. Doch ihre Mitglieder liegen im Clinch Von Jan Dams, Florian Eder , Martin Greive,Jan Hildebrand und Sebastian Jost
Yannis Stournaras, Griechenlands Finanzminister, verlor die Contenance.
Er wurde sogar laut, zum ersten Mal, wie Menschen berichten, die ihn
kennen und von dem Vorfall in der vergangenen Woche wissen. "Wollen Sie
wirklich die Regierung stürzen?", blaffte er seinen Gesprächspartner an.
Sogar Stournaras’ Rücktrittsdrohung stand im Raum. Poul Thomsen aber,
Troika-Mitglied und Chefinspektor des Internationalen Währungsfonds
(IWF), war unbeeindruckt: Ob die Koalition in Athen halte, sei nicht
sein Problem, habe er gesagt. Der IWF-Mann verlangt weitere Kürzungen
bei Renten und Beamtenbezügen, über die schon zugestandenen fünf
Milliarden Euro hinaus.
Der
IWF hat eine besondere Rolle in der Troika für Griechenland: Er wird
stärker angefeindet als die Vertreter der EU-Kommission und der
Europäischen Zentralbank, und er ist strenger im Urteil, vorsichtiger in
seinem Optimismus.
Noch agieren die
Inspekteure vereint, reisen gleichzeitig an, zeigen sich nach den
Verhandlungsrunden als Team. Intern aber ist nach Informationen der
"Welt am Sonntag" zwischen den Vertretern der drei Geldgeber ein
Gerangel um die richtige Richtung ausgebrochen. Das macht den Bericht
schwierig, auf den ganz Europa wartet: Die drei Teams sollen eine
gemeinsame Empfehlung geben. Aber sie sind sich nicht einig über die
entscheidende Frage: Wer soll künftig für Griechenland bezahlen?
Klar ist bislang
nur, dass die Troika Handlungsbedarf feststellen wird. Eigentlich
sollte Griechenland seinen Schuldenstand bis zum Jahr 2020 auf 120
Prozent der Wirtschaftsleistung senken, doch schon bevor die Regierung
in Athen am Montag ihren Haushaltsentwurf für 2013 präsentiert, gilt als
ausgemacht, dass sie weit vom bisherigen Finanzplan der Retter entfernt
ist. Wie aber dieses Problem gelöst werden soll, ist höchst umstritten.
"Es wird immer
deutlicher, dass diese Troika eine schwierige Kombination ist", sagt ein
Notenbanker. "Es knirscht da ziemlich", sagt ein Berliner Beobachter.
"Alle drei Institutionen haben unterschiedliche Interessen", sagt ein
EU-Vertreter. "Das macht es nicht gerade einfach, sich auf die
Schlussfolgerungen des gemeinsamen Berichts zu einigen."
Dabei ist für
EU-Diplomaten längst klar, wie das Gutachten ausfallen soll, das die
Entscheidungsgrundlage dafür ist, ob Athen die nächsten gut 31
Milliarden Euro ausbezahlt bekommt: Der Bericht werde unzureichende
Maßnahmen kritisieren und Fortschritte loben, die es durchaus gibt. "Und
dann wird man empfehlen, die Tranche zuzuteilen", sagt einer – das sei
schließlich eine politische Frage, und die sieht der Mann als
entschieden an. Von Kommissionspräsident José Manuel Barroso über den
Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, bis zu Bundeskanzlerin Angela
Merkel äußerten sich zuletzt alle Mächtigen Europas übereinstimmend:
Man wolle Griechenland im Euro-Raum halten.
So einfach aber
ist es für den IWF nicht. Für den Fonds geht es auch um seinen Ruf als
gestrenger Staatensanierer. "Mit jedem Troika-Bericht, der sich kurze
Zeit später als falsch herausstellt, verliert der IWF massiv an
Glaubwürdigkeit. Da wird die Expertise angekratzt", heißt es in Berlin.
Dazu kommt, dass die fast 190 Mitglieder der Organisation mitunter
vollkommen gegensätzliche Ansichten zur Euro-Krise haben. Gerade die
Schwellenländer Südamerikas, die früher teilweise selbst unter
IWF-Auflagen ächzten, fordern eine harte Linie gegenüber den Europäern.
Das schlägt sich
in den Troika-Verhandlungen nieder. Der IWF machte deutlich, dass von
ihm keine weiteren Hilfen zu erwarten sind. Und Europas Regierungen, die
Athen nicht ziehen lassen wollen, sehen auch keinen Spielraum für
weitere Hilfen. Bliebe nur noch die EZB, die auf einen Teil ihrer
Forderungen gegenüber den Griechen verzichten könnte. Die Notenbanker
laufen gegen dieses Ansinnen Sturm. Eine Umschuldung auf Kosten der EZB
stehe nicht zur Diskussion, sagte Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen
diese Woche der "Welt". "Die EZB könnte sich an einer solchen
Umschuldung auch gar nicht beteiligen, da dies eine verbotene monetäre
Staatsfinanzierung wäre."
Gleichzeitig übt
man sich in Zentralbankkreisen in Absetzbewegungen gegenüber dem Rest
der Troika: Die EZB sei ja eigentlich gar kein vollwertiges Mitglied der
Dreiergruppe, sondern habe eher einen Beobachterstatus, heißt es da.
Die Botschaft ist klar: Die Zentralbank will sich nicht in die
Verantwortung ziehen lassen. Ebenso wenig wie der IWF.
Das führt aber
auch dazu, dass wohl weder EZB noch der geharnischt auftretende
Währungsfonds das letzte Wort beim so umstrittenen Troika-Bericht haben
werden. "Im ersten Griechenland-Programm ist der IWF voll dabei. Im
zweiten nur noch minimal, da ist natürlich auch sein Einfluss geringer",
sagt ein EU-Diplomat. Den Ton könnten also vor allem die Europäer
angeben. Doch auch die sind sich untereinander nicht einig.
Ein Ausweg aus
dem Dilemma könnte darin bestehen, das 120-Prozent-Ziel aufzuweichen.
Die kursierende Idee, dafür den Stichtag um zwei Jahre auf 2022 zu
verschieben, findet nach Recherchen der "Welt am Sonntag" aber eher
wenige Befürworter. Alternativ wird erwogen, vorerst nur noch "auf Sicht
zu fahren". Das hieße: Definiert werden nur noch die Ziele für die
kommenden zwei Jahre, die Restlaufzeit des zweiten
Griechenland-Programms. Die Frage, was danach passiert, müsste später
geklärt werden. In Zentralbankkreisen sieht man diesen Vorschlag aber
skeptisch. Die 120 Prozent stehen, heißt es dort.
In Brüssel wird
daher eine andere Idee favorisiert. Man will den Griechen einen
gewichtigen Teil der Sanierung abnehmen: Die Kapitalspritzen für die
Banken des Landes, für die 48 Milliarden Euro des zweiten Hilfspakets
vorgesehen sind, sollen nicht mehr den griechischen Staatshaushalt
belasten. Stattdessen würden die maroden Institute direkt für die
Rückzahlung geradestehen. Damit käme das Land dem 120-Prozent-Ziel ein
gutes Stück näher. Allerdings wäre dann der nächste Zoff programmiert.
Denn beim provisorischen Rettungsschirm EFSF sind solche direkten
Kapitalspritzen nicht vorgesehen. Nur beim Nachfolger ESM sollen sie
möglich sein. Das aber nur für neue Fälle und nicht für Altlasten, wie
die Finanzminister Deutschlands, Finnlands und der Niederlande diese
Woche betonten. Die Griechen aber hoffen, dass sie trotzdem in den
Genuss der neuen Regeln kommen.
Es ist diese
Gemengelage, die den Bericht der Troika beinahe zur Quadratur des
Kreises macht. Die Prüfer müssen sich nicht nur untereinander
zusammenraufen. Gerade die EU-Kommission muss auch beachten, welche
Empfehlungen überhaupt durchsetzbar sind.
Das hat sich
schon beim zweiten Griechenland-Paket gezeigt. Kaum war es beschlossen,
handelte Finnland Sonderbedingungen aus. Später bestand Deutschland
darauf, Athens Verfügungsgewalt über die Hilfsgelder zu beschränken. Ein
EU-Diplomat warnt: "Die Diskussion um Goldpfand und Sonderkonten
brauchen wir nicht noch einmal."
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